Nur Paar oder auch Familie?

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Der Kulturkampf in Sachen Homo-Ehe ist noch lange nicht ausgestanden. In der Zeit vom 9. Juni plädiert eine Frau (die Mutter vom Dienst Susanne Gaschke) gegen das Adoptionsrecht für Homo-Paare – und ein Mann (Robert Leicht) im Namen des Kindeswohls für das gemeinsame Elternrecht auch für Homoeltern. EMMA über diese zentrale Frage und ein paar andere Kleinigkeiten.

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Pünktlich zum Christopher Street Day 2004 kündigt SPD-Justizministerin Brigitte Zypries einen Gesetzentwurf an, der das zentrale Thema der vergangenen Homo-Paraden

betrifft: Die rot-grüne Regierung will jetzt wenigstens den Teil der Ungleichbehandlung Eingetragener Partnerschaften beenden, für dessen Verabschiedung sie nicht die schwarze Mehrheit im Bundesrat benötigt. Und das ist eine Menge.
Seit drei Jahren warten homosexuelle Frauen und Männer in Deutschland darauf, dass die rot-grüne Regierung ihr so vollmundig verkündetes Wahversprechen endlich wahrmacht. Lesben und Schwule wollen nicht nur gleichverpflichtet, sondern auch gleichberechtigt sein.
Die Homo-Ehe in ihrer jetzigen Form ist ein echtes Verlustgeschäft für Paare. Auf der Haben-Seite stehen die Mini-Rechte, die niemandem wirklich wehtun: ein gemeinsamer Nachnamen und ein im Vergleich zu Ehepaaren lächerlich kleiner Pflichtanteil bei der Erbschaft. Auf der Soll-Seite: die gegenseitige Verpflichtung zum Unterhalt (bei Arbeitslosigkeit ebenso wie bei Trennung); die Verweigerung steuerlicher Vorteile wie beim Ehegattensplitting; keine Chance, die Kinder der Partnerin zu adoptieren. Und keine Versorgungsansprüche für Hinterbliebene.
Was dieses (Un)Recht für Folgen haben kann, zeigt das Beispiel von Elke Guba und ihrer Lebensgefährtin Erika. Im November 2001 hatten die beiden Frauen die Eingetragene Partnerschaft fürs Leben geschlossen. Zwei Jahre später starb Erika, mit 44. Ihre Frau Elke, 47, beantragte bei der BfA Hinterbliebenenrente. Antwort: „Das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften/Lebenspartnerschaften sieht eine Gleichstellung zu Witwen/Witwern i.S. des § 46 SGB VI nicht vor.“ Das Sozialgericht Karlsruhe, bei dem die Bruchsalerin gegen diesen Bescheid klagte, bestätigte am 28.5.2004 die Weigerung aus Berlin. Hinterbliebenenrente bekomme nur, wer „eine gültige Ehe geführt“ hat. Elke Guba fühlt sich „verhöhnt“.
Dass die Soll-Haben-Bilanz für Homo-Paare noch immer trübe aussieht, ist – wir erinnern uns – vor allem der Tatsache zu verdanken, dass die Unionsparteien im Angesicht der Homo-Ehe den Untergang des Abendlandes herbeiunkten und im Bundesrat ihre Zustimmung zum ursprünglichen Gesetzentwurf verweigerten. Deshalb splittete Rot-Grün das Gesetz in zwei Teile: einen ersten, im Bundesrat nicht zustimmungspflichtigen, der am 1. August in Kraft trat und der vor allem Pflichten und kaum Rechte enthält. Und einen zweiten, der seither in den rot-grünen Aktenschränken verstaubt. Erstens weil die Chancen auf Zustimmung durch die Unionsparteien nicht gestiegen sind und sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sogar noch verschlechtert haben. Zweitens, weil die krisengeschüttelte Regierung wohl befürchtete, sich beim frustrierten Wahlvolk noch mehr Ärger einzuhandeln.
Das scheint sich jetzt zu ändern. Vielleicht war auch der Druck zu groß geworden. Nicht nur der vom „Lesben- und Schwulenveband in Deutschland“ (LSVD) und der „Lesben- und Schwulen in der SPD“ (Schwusos), die seit drei Jahren beständig und laut an die Koalitionstüren klopfen. Auch die Gerichte rügten das Messen mit zweierlei Maß: Ende April entschied das Bundesarbeitsgericht, dass im öffentlichen Dienst beschäftigte LebenspartnerInnen den gleichen Anspruch auf Ortszuschlag haben wie Verheiratete. Wenige Wochen zuvor kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem logischen Schluss, dass ein Bundeswehrsoldat, der eine Lebenspartnerschaft eingegangen ist, nicht als ledig gelten darf (wichtig für die Vergütung!).
Justizministerin Zypries – und ein paar Tage zuvor schon SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, Vater der offen lesbisch lebenden Mirjam – kündigten also schließlich doch noch an: Homosexuelle Paare sollen nun auch „im Unterhalts- und Güterrecht Ehepartnern gleichgestellt werden“. Konkret: „Verpartnerte“ dürfen, genau wie in der Hetero-Ehe, eine „Zugewinngemeinschaft“ bilden (was im Trennungsfalle allerdings nicht den Staat, sondern die/den besser verdienenden PartnerIn belastet). Dem Staat wirklich ans Geldsäckel ginge die Änderung der Hinterbliebenenversorgung: Stirbt einE PartnerIn, gehen die Rentenansprüche an den/die andereN über. Außerdem dürften Eingetragene PartnerInnen in Strafverfahren die Aussage gegeneinander verweigern. All das bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Und das ist auch gut so.
Denn der Protest aus dem tiefschwarzen Süden ließ nicht lange auf sich warten „Die Vorschläge widersprechen unserer Werteordnung und setzen das falsche Signal“, klagte die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU). Und das, obwohl von totaler finanzieller Gleichstellung immer noch keine Rede sein kann. Vom Recht auf Adoption oder Insemination ganz zu schweigen.
Konkret hängt davon der rechtliche Schutz auch der gemeinsamen Kinder nach Trennung oder Tod eines Elternteils ab. Ideologisch aber geht es um das Primat der heiligen Hetero-Ehe. Um das gute alte heterosexuelle „Rollenbild von Vater und Mutter“ (Gaschke) – und darum, dass in Good Old Germany alles bleiben soll, wie es ist.
Nur Mini-Rechte auf der Haben-Seite – aber Maxi-Pflichten auf der Soll-Seite.
Andernorts geht es radikaler zur Sache: In Frankreich und Amerika wird gerade mit harten Bandagen für die komplette Gleichstellung mit der Hetero-Ehe gekämpft. Hüben wie drüben ist es ein couragierter (heterosexueller) Bürgermeister, der sich als Homo-Aktivist entpuppt:
In San Francisco wies das Stadtoberhaupt Gavin Newsom pünktlich zum Valentinstag seine StandesbeamtInnen an, von nun an auch Frauen- und Männerpaare zu trauen. Seither tobt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein Kulturkampf um die Homo-Ehe. Zwischenstand: Die Klage des kalifornischen Gouverneurs und He-Mans Arnold Schwarzenegger gegen Newsoms Anweisung ist noch unentschieden. In Massachusetts dagegen dürfen Lesben und Schwule nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs seit Mai heiraten. Ganz normal.
George W. Bush bläst zum Sturm. Der christlich-fundamentalistische Präsident will nun per Verfassungsänderung die Ehe als exklusiven Bund zwischen Mann und Frau definieren. Dafür ist aber in dieser Amtszeit die Zeit zu knapp. Ob es eine zweite geben wird, entscheiden die WählerInnen im November.
In Frankreich traute Bürgermeister Noël Mamère in Bègles bei Bordeaux gleich selbst Stéphane Chapin und Bertrand Charpentier unter großem Jubel der angereisten Community – und lautem Protest der buhenden Gegner, die das Paar am Betreten des Rathauses hindern wollten. Der Bürgermeister und Ex-Präsidentschaftskandidat der Grünen wollte nach eigenem Bekunden damit „ein Zeichen gegen Intoleranz setzen“.
Seit vier Jahren können französische Frauen- und Männerpaare den „Pacte Civile de Solidarité“, kurz PACS, fürs Leben schließen – eine Art Ehe light. Für die echte Eheschließung droht Maire Mamère nun ein Amtsenthebungsverfahren wegen „bewussten Gesetzesbruchs“. Justizminister Dominique Perben will die geschlossene Homo-Ehe per Gericht annulieren lassen. Die Bräutigame wollen in diesem Fall vor den Europäischen Menschengerichtshof in Strasbourg ziehen.
Das will auch Elke Guba. Sie ist gegen das Urteil des Karlsruher Sozialgerichts, das ihr die Hinterbliebenenrente verweigert hatte, in Berufung gegangen und wild entschlossen, die Sache bis zum Ende durchzufechten. Um Geld geht es ihr dabei nicht – sondern um Respekt und Anerkennung. „Ich bin das meiner verstorbenen Frau schuldig.“ Wenn Rot-Grün mit dem angekündigten Gesetzentwurf tatsächlich Tempo macht, könnte Elke Guba der Gang nach Strasbourg erspart bleiben.
Wir dürfen gespannt sein, wie lange die Dauerverlobung noch anhält. Einen Vorteil hat das Ganze: Dem Christopher Street Day 2004 gehen die Themen nicht aus.

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