Lesben fordern mehr Sichtbarkeit!
Das sind doch mal neue Töne: "Wir bitten darum, alles daran zu setzen, dass der Demo-Charakter erkannt wird und Besucher und Presse nicht ausschließlich den Eindruck haben, dass wir ,nur' schrill und bunt sind", hatten die OrganisatorInnen der CSD-Parade Düsseldorf auf ihrer Homepage gebeten. Natürlich präsentierten dennoch einige Herren den PassantInnen ihre Waschbrettbäuche und nackten Hinterteile, aber unter den knapp 1.000 TeilnehmerInnen der Parade waren zum Beispiel auch die Mädels vom PULS, dem Düsseldorfer Jugendzentrum für Lesben und Schwule (Foto). Und auch die beiden Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters, der inzwischen abgewählte Dirk Elbers (CDU) und sein Herausforderer Thomas Geisel (SPD) kamen zum Gipfeltreffen zum CSD, um über Homosexuellen-Rechte zu diskutieren. Denn die, so die VeranstalterInnen, sind keinesfalls vollständig durchgesetzt - nicht in Deutschland und schon gar nicht im Rest der Welt.
"All united" lautete deshalb das Motto des Düsseldorfer Christopher-Street-Day, das zu einem Blick über den Tellerrand animieren sollte. "Wir wollen einerseits ein wenig feiern, dass wir in unserer Gegend frei zu uns selbst stehen dürfen, und andererseits mahnen, kämpfen und dafür einstehen, dass dies auch überall so sein darf", erklärten die CSD-OrganisatorInnen. Solange zum Beispiel "FIFA und IOC ihre Top-Veranstaltungen in Länder vergeben, wo es die Todesstrafe für Homosexuelle gibt, so lange müssen wir aufklären, diskutieren und kämpfen".
Wir wollen weiter für Homo-Rechte auf der ganzen Welt kämpfen
Auch in Berlin sollte der Christopher Street Day "politischer werden", wie Sprecher Robert Kastl erklärte. Allerdings tobte in der Hauptstadt ein veritabler Zoff. Denn die Veranstalter, der "Berliner CSD e.V.", hat den CSD auch umbenannt. Von 2014 an soll er "Stonewall Parade" heißen.
Im "Stonewall Inn", einer Homosexuellen-Kneipe in der New Yorker Christopher Street, hatten sich am 28. Juni 1969 die BesucherInnen gegen Razzien und Polizeiwillkür zur Wehr gesetzt. Schwule, Lesben und allen voran die besonders hart diskriminierten Transvestiten hatten sich im Stonewall Inn verbarrikadiert. Ihr Protest war vor 45 Jahren zum Auslöser für die Homosexuellenbewegung geworden.
Die Umbenennung des Berliner CSD löste in der Szene, die sich in die Entscheidung nicht einbezogen fühlte, jedoch offenbar so viel Unmut aus, dass es zur Spaltung kam. Vor zwei Wochen starteten deshalb in der Hauptstadt zwei Paraden: die "Stonewall Parade" am Kurfürstendamm und "Der andere CSD" an der Ugandischen Botschaft. Uganda hatte jüngst seine Gesetze gegen Homosexualität verschärft und verfolgt homosexuelle Frauen und Männer seitdem noch härter als zuvor. Auch die "Stonewall Parade" hat das Thema Homosexuellenverfolgung in den Mittelpunkt gestellt: "LGBTI-Rechte sind Menschenrechte" (zur Erklärung: LGBTI = Lesbian, Gay, Bisexual, Trans und Intersexual) lautet das Motto.
In Anbetracht der Tatsache, dass es offenbar keine inhaltlichen Differenzen zwischen beiden Paraden gibt, ist die Spaltung zumindest aus der Außenperspektive einigermaßen unverständlich. Offenbar geht es hier nicht um einen Konflikt zur Ausrichtung "Party vs. Politik", sondern womöglich eher um Personalfragen.
Sehr gut verständlich hingegen ist, dass die Berliner Lesben von der Dominanz der schrillen Drag Queens und hypersexualisierten Lederschwulen die Nase voll hatten und nun schon zum zweiten Mal ihren eigenen "Dyke March" für "mehr lesbische Sichtbarkeit" starteten.
Auch die KölnerInnen haben das Problem der mangelnden Frauenpräsenz auf dem CSD und in den Medien erkannt, wenngleich man am Rhein gewohnt launig daherkommt. "Wir sind Kölsche Mädscher" ist eins von, klar, elf Plakatmotiven unter dem Motto "Wir sind ,nur' der Rosa Karneval - Köln demonstriert an diesem Sonntag, den 6. Juli, Vielfalt". Denn: "Egal, um welche Themen es geht: Regenbogen-Familie, Homo-Ehe, Coming-Out, CSD-Paraden, Lesben und Schwule in Politik oder Sport", argumentieren die Frauen, "die Medien kennen nur Schwule. Das Wort ,lesbisch' taucht selten auf. In Text und Bild dreht sich alles um den (schwulen) Mann. Wir grüßen die Medien: Her mit Butches und Femmes! Her mit den lesbischen Businessfrauen, Pionierinnen, Politikerinnen, Sportlerinnen, Müttern, Töchtern und Grandmamas! Wir sind überall!"
Conchita hatte den Hirnlappen dabei
Überall ist in diesen CSD-Wochen auch Conchita Wurst. Entweder in echt oder als Imitat. Schon jetzt wurden auf den Parade-Wagen und im Publikum zahlreiche Conchita-Lookalikes gesichtet. Auf dem Berliner CSD war die bärtige Siegerin des Eurovision Song Contest, die so klug mit den Geschlechterrollen spielt, Ehrengast der "Stonewall-Gala". Conchita alias Tom Neuwirth wurde dort mit dem "Soul of Stonewall Award" ausgezeichnet. Denn: "Ihre Performance ist ein positiver Schlachtruf für Respekt".
Einen eigens für sie/ihn kreierten Preis konnte Conchita bereits am 12. Juni beim Gay Pride in Zürich entgegennehmen: den "Unstoppable: The Conchita Wurst Award". Und wieder einmal bewies Conchitas Kreateur Tom Neuwirth, dass er mit seiner Mischung aus Intelligenz und Gelassenheit tatsächlich nicht zu stoppen ist. Gerade tobt in der Schweiz eine Auseinandersetzung um den SVP-Abgeordneten Toni Bortoluzzi, der in einem Interview erklärt hatte, Lesben und Schwule seien "fehlgeleitet", denn sie hätten "einen Hirnlappen, der verkehrt läuft". Homosexuelle demonstrierten gegen Bortoluzzi, die Schweizer Organisaiton "Pink Cross" drohte mit einer Klage. Auf den Spruch des Politikers angesprochen, erklärte Conchita Wurst nur trocken: "Den Hirnlappen habe ich dabei".