Naturwissenschaftlerinnen: Milena Einstein
"Ich glaube, daß eine Frau eine Karriere machen kann wie ein Mann", hat die Physik-Studentin Mileva Marie selbstbewußt gesagt. Doch es war ihr Mann, der die Karriere machte und zum Genie des Jahrhunderts wurde — Albert Einstein. Sie wurde vergessen. Zu Unrecht, sagen heute Historikerinnen und ein Physiker. Mileva Marie (1875-1948) war viel mehr als die Frau an Einsteins Seite. Sie war nicht nur die Mutter seiner Söhne (und seiner verstoßenen Tochter!). Sie war auch die "Mutter der Relativitätstheorie".
Das Schönste ist das Geheimnisvolle. Genau das sagte sich in en 60er Jahren auch eine Wisenschaftlerin, die Belgrader Professorin für Mathematik, Physik und Astronomie, Desanka Trbuhovic-Gjuric. Stets hatte sie, die 1897 Geborene, sich für das Leben ihrer berühmten Vorgängerinnen in der Wissenschaft, für Frauen wie Marie Curie und Sonja Kowalewkaja, interessiert. Nun, nach ihrer Pensionierung, hatte sie endlich Zeit, einem "Geheimnis" nachzugehen, einem Rätsel, das sie seit langem beschäftigte: Sie fragte sich, "warum das hochbegabte Mädchen Mileva Marie nach so großen Schulerfolgen keine entsprechende Stelle in der Wissenschaft errang".
Wer war Mileva Marie? Sie war eine Landsfrau von Desanka Trbuho-vic-Gjuric, eine Serbin wie sie. Eine Generation vor ihr geboren, im Jahre 1875, hatte sie als eine der ersten Frauen in Europa überhaupt Physik und Mathematik studiert. Dann heiratete sie einen Kollegen, der es später zu höchstem Ruhm brachte — Albert Einstein. In mühsamen Recherchen fand Trbuhovic-Gjuric heraus: Mileva war in Einsteins wissenschaftlich fruchtbarster Zeit seine engste und wichtigste Mitarbeiterin. Sie war die Frau, von der das Jahrhundert-Genie selber sagte: "Ich brauche meine Frau. Sie löst alle meine mathematischen Probleme." Sie war, was Eingeweihte immer wußten, die "Mutter der Relativitätstheorie" (Emma 10/83).
Wer Albert Einstein ist, weiß noch heute jedes Kind. Er ist der Gelehrte mit dem wehenden Haarschopf und der herausgestreckten Zunge, das Sinnbild des unkonventionellen Genies. Albert Einstein — das Symbol für Geist im 20. Jahrhundert. Wir begegnen ihm überall: In Anzeigen für kreativitätsfördernde Kurse ebenso wie in Psychotests ("Mit welcher Persönlichkeit hätten sie gerne ein Gespräch geführt?"), auf Kalenderblättern wie im Film ("Einstein junior"). Albert Einstein, der "Vater der Rela tivitätstheorie". Und Mileva Einstein, die Mutter der Relativitätstheorie? Sie starb im Jahre 1948 einsam und unbekannt in einer Züricher Klinik.
Das Geheimnis dieses Frauenlebens versuchte Desanka Trbuhovic-Gjuric 20 Jahre später zu ergründen. Ihre Pionierarbeit, die erste und bisher umfassendste Mileva-Biographie ("Im Schatten Albert Einsteins"), wurde 1969 in kyrillischer Schrift in Jugoslawien veröffentlicht und zunächst kaum beachtet. Als 1983 die deutsche Übersetzung herauskam, wurden ihre Ergebnisse als "feministische Übertreibung" abgetan. Für die Einstein-Biographen blieb Mileva, Einsteins erste Frau, ein dunkles Kapitel in seinem Leben: die "unattraktive slawische Bauerntochter", hinkend, von "durchschnittlicher Intelligenz", "düster, wortkarg und mißtrauisch", "nicht gerade eine Schweizer Muster-Hausfrau", die zu allem Überfluß auch noch "auf ihr Äußeres allzu wenig Wert legte".
Erst jetzt beschäftigt die Wissenschaftlerin Mileva Einstein-Marie endlich auch die Fachwelt. 42 Jahre nach ihrem Tod steht die Frau an seiner Seite im Zentrum des Interesses bei einem Kongreß über den "jungen Einstein" im Februar 1990 in New Orleans. Eingeladen ist auch die deutsche Linguistin Senta Trömel-Plötz. "Warum nur wird Mileva Einstein-Marie so hartnäckig unsichtbar gemacht?", fragt sie. Und gibt auch gleich die Antwort: "Sie paßt nicht in den gängigen Einstein-Mythos, den Mythos vom einsamen Genie."
Trömel-Plötz' Vortrag, bei dem sie sich auf den jüngst veröffentlichten Briefwechsel des jungen Einstein mit Mileva Marie und auf Trbuhovic-Gjuric stützt, macht Furore. "War Einsteins erste Frau das eigentliche Genie in der Familie?", titeln die Zeitungen in den USA. Die "Zeit" spricht prompt von einem neuen "Historikerstreit".
Die Feministin stand diesmal nicht allein. Schützenhilfe bekam Trömel-Plötz von einem Mann, einem ehemaligen Militär- und jetzigen Krebsforscher. Der Amerikaner Evan Harris Walker, der die intellektuelle Entwicklung Albert Einsteins vor und nach seiner Ehe mit Mileva verfolgt hat, behauptet in New Orleans Unerhörtes, nämlich: "Die gemeinsamen Jahre brachten Einstein seine größten Erfolge. Seine Physik war damals voll gewagter Ideen: daß Raum und Zeit gekrümmt sein können; daß die Schwerkraft nur eine Krümmung des Raum-Zeit-Koordinaten- systems sei; daß Photonen (Lichtquanten) in Wirklichkeit Energiepakete sind, und so weiter. Aber nachdem seine Ehe mit Mileva zu Ende war, wurde seine Physik konservativer. Er wurde nicht, wie zu erwarten war, zur Leitfigur einer physikalischen Avantgarde, sondern allmählich zum Außenseiter, der sich gegen die neue Quantenmechanik sträubte."
Walkers sensationelles Fazit: "Ich kann darum nicht anders als anzunehmen, daß das Hintergrundmaterial, die Literaturrecherchen, die entscheidenen Daten und vor allem jene grundlegenden, originellen Ideen, die Dreh- und Angelpunkt der Relativitätstheorie waren, von Mileva kamen."
John Stachel, der Herausgeber des neu erschienen Briefwechsels zwischen Albert Einstein und Mileva Marie (der Teil der "Gesammelten Werke" von Albert Einstein ist), behauptet zwar weiterhin unerschrocken, Mileva Marie sei keine gleichberechtigte Mitarbeiterin, sondern nur ein "Resonanzboden für Einsteins Ideen" gewesen. Die Briefe selbst — sie reichen leider bisher nur bis zum Jahre 1902, also noch vor der Heirat — sprechen jedoch eine ganz andere Sprache.
Sie sind Zeugnisse einer Studentenfreundschaft, die im Oktober 1897 in Zürich beginnt. Mileva Marie und Albert Einstein studieren beide an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Physik und Mathematik, sie sind im ersten Semester. In den ersten Briefen sagen sie noch "Sie" zueinander, dann wird der Ton vertrauter, aus Freundschaft wird Liebe. Die Briefe sind rührend in ihrer "Innigkeit", wie Milevas jüngste Biographin, Inge Stephan, feststellt; Albert nennt Mileva zärtlich "mein Doxerl", "meine Hex", "mein Gassenbub". Zugleich aber dienen diese Briefe dem wissenschaftlichen Austausch. Inge Stephan: "Unvermittelt neben den leidenschaftlichen Geständnissen der Liebe finden sich Reflexionen über Differentialgleichungen, Doppelintegrale oder elektromagnetische Lichttheorie. Wissenschaft und Liebe gehörten für Einstein untrennbar zusammen." Für Mileva wohl auch, obwohl von ihren Briefen nur zehn im Band l von Albert Einsteins "Gesammelten Werken" erscheinen, von Albert an sie dagegen 43.
So schreibt Albert im September 1900 Mileva in die Ferien nach Serbien: "Daß Du recht viel bummelst & recht verbrannt bist, das freut mich — wie will ich mein Negermädel verdrücken! Ich freu mich auch sehr auf unsere neuen Arbeiten. Du mußt jetzt Deine Untersuchung fortsetzen — wie stolz werd ich sein, wenn ich gar vielleicht ein kleines Dokterlin zum Schatz hab & selbst noch ein ganz gewöhnlicher Mensch bin!" Im Brief davor klagte der Verliebte: "Zur Untersuchung des Thomson-Effekts hab ich wieder zu einer anderen Methode meine Zuflucht genommen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Deinen (...) hat und welche eine solche Untersuchung auch voraussetzt. Wenn wir nur gleich morgen anfangen könnten."
Und im Oktober 1900 jubelt Milevas Freund: "Die Resultate über Kapillarität, welche ich neulich in Zürich fand, scheinen trotz ihrer Einfachheit vollkommen neu zu sein. Wenn wir nach Zürich kommen, suchen wir uns empirisches Material über die Sache durch (Professor) Kleiner zu verschaffen. Wenn sich dabei ein Naturgesetz ergibt, dann schicken wirs ein in Wiedemanns Annalen."
Am 27. März 1901 geht es in den billets doux um ein anderes Thema, um die entstehende Relativitätstheorie. Albert an Mileva: "Wie glücklich und stolz werde ich sein, wenn wir beide zusammen unsere Arbeit über die Relativbewegung siegreich zu Ende geführt haben! Wenn ich so andre Leute sehe, da kommt mirsso recht, was an Dir ist!"
Wir beide. Zusammen. Siegreich. 13 der 43 Briefe, die Einstein in den Jahren 1897 bis 1902 an Mileva schreibt enthalten Hinweise auf gemeinsame Forschungsarbeiten. Zwischendurch werden, mal von ihr, mal von ihm, Lehrbücher von Zürich nach Milano oder von Schaffhausen nach Novi Sad geschickt, je nachdem, wo sich die beiden gerade aufhalten. Albert bittet Mileva um Literaturrecherchen, sie löst mathematische Gleichungen für ihn.
Tatsächlich werden die meisten der in den Briefen erwähnten gemeinsamen Forschungsarbeiten bald "siegreich zu Ende geführt" und in den "Annalen der Physik" publiziert. Allerdings nur unter einem Namen, dem seinen: Albert Einstein.
Allein im Jahre 1905 erscheinen von dem späteren Nobelpreisträger fünf große Arbeiten, darunter "Elektrodynamik bewegter Körper" (sie enthält die spezielle Relativitätstheorie) und "Ein die Erzeugung und Verwandlung des Lichts betreffenden heuristischen Gesichtspunkt". Diese Arbeit über den sog. "photoelektrischen Effekt" wird Albert Einstein 16 Jahre später den Nobelpreis einbringen.
Doch noch schreiben wir das Jahr 1905. Zu dieser Zeit sind Albert und Mileva seit zwei Jahren verheiratet; sie leben und forschen in Bern. Von den Arbeiten, die in dieser Zeit erschienen, behauptet der bekannte russische Physiker Abraham Joffe, sie seien im Original nicht nur mit "Einstein", sondern mit "Einstein-Marie" gezeichnet gewesen. Genauer: mit "Einstein-Marity"! Marity, das ist die ungarische Umschrift von Milevas Mädchennamen, so unterzeichnete die in Österreich-Ungarn geborene Serbin ihre Briefe; so erscheint ihr Name auf der Heiratsurkunde und auf ihrem Grabstein in Zürich.
Die Originale der Arbeiten des Ehepaars Einstein aus dem "großen Jahr" 1905 sind verloren (nicht einmal eine von der Washingtoner Kongreß-Bibliothek ausgesetzte Belohnung von ll,5 Millionen Dollar brachte sie ans Licht!). Doch ist Joffes Wissen um die Schreibweise "Marity" Indiz genug, daß er die Kollegin Einstein-Marie nicht nur gekannt, sondern tatsächlich ihren Namenszug auf den Manuskripten gesehen hat. Wäre ihr Name damals mitpubliziert worden, gäbe es heute gar keinen Zweifel daran, daß die Relativitätstheorie nicht nur einen Vater, sondern auch eine Mutter hat. Ihr Name: Mileva Einstein-Marie (Marity).
"Hätten die männlichen Herausgeber der 'Annalen' wohl den Namen eines männlichen Co-Autors so einfach fallen lassen?" fragt die Linguistin Senta Trömel-Plötz zu Recht. "Oder den einer Frau, die nicht die Ehefrau des Autors gewesen wäre? Hätte ein männlicher Co-Autor nicht dagegen protestiert, daß sein Name weggelassen wurde, und Wiedergutmachung verlangt?"
Trömel-Plötz erinnert auch an eine andere Leistung Milevas, die des Namens wegen verloren ging. Im ersten Ehejahr, 1903, hatte Mileva neben der Hausarbeit und den mathematischen Berechnungen, die sie für Albert erledigte, eine Erfindung gemacht. Mit dem gemeinsamen Freund Paul Habicht zusammen hatte sie eine sog. "Influenzmaschine" zur Messung kleiner elektrischer Spannungen konstruiert.
Albert Einstein, der damals eine Stelle als kleiner Beamter im Berner Patentamt innehatte, ließ sie unter dem Namen Einstein- Habicht patentieren und veröffentlichte später noch zwei Arbeiten über die Methode unter seinem Namen. Habicht fragte Mileva, warum sie im Patentgesuch nicht ihren eigenen Namen angegeben habe. "Wozu?", antwortete sie, "wir sind ja beide nur ein Stein."
Diese Bescheidenheit, diese Unterordnung, die sie in der Ehe mit Albert Einstein an den Tag legte, waren nicht immer Milevas Art gewesen. Als Studentin hatte sie noch ganz anders geredet. "Ich glaube, daß eine Frau eine Karriere machen kann wie ein Mann", hatte sie im Gespräch mit Freundinnen gesagt. Und: "Ich glaube, daß ich ein ebenso guter Physiker wäre wie meine männlichen Kollegen." Um ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren, ging sie 1897 sogar für ein Semester allein nach Heidelberg. Drei Jahre später stürzt sie sich "begeistert" (wie sie der Freundin Helene Savic schreibt) in die Diplomarbeit bei Professor Weber. Wie Albert forscht sie auf dem Gebiet der Wärmelehre. Aus der Diplomarbeit soll eine Doktorarbeit werden.
Doch bald verliert sie Tritt. Im Sommer 1900 fällt sie, die einzige Frau unter fünf Prüflingen, durchs Examen, erreicht "nur" eine Durchschnittsnote von 4 (die beste Note ist 6). Einstein besteht knapp mit 4,9. Ein Jahr darauf, im Sommer 1901, versucht sie es noch einmal; wieder ohne Erfolg. Im August desselben Jahres bricht sie alle Zelte ab: Sie zieht ihre Diplomarbeit zurück, stellt die Forschungen ein, tritt aus der ETH Zürich aus, fährt nach Hause, nach Novi Sad zu ihren Eltern.
Warum? Desanka Trbuhovic-Gjuric konnte dieses Geheimnis 1969 nicht lösen; kein Einstein-Biograph hat es gewußt. Erst die 1987 veröffentlichten Briefe brachten es an den Tag: In diesem Sommer 1901 ist Mileva schwanger. Sie erwartet ein uneheliches Kind von Albert Einstein. Und niemand darf es wissen, selbst die beste Freundin Helene nicht.
Denn Alberts Eltern, der deutsch-jüdische Unternehmer Hermann Einstein und seine wohlhabende Frau Pauline, sind gegen die Verbindung mit "der Serbin". Schon im Sommer 1900, als der Sohn ihr erstmals eröffnet, daß er die Kommilitonin heiraten will, macht ihm die Mutter eine Riesen-Szene: "Mama warf sich auf ihr Bett, verbarg den Kopf in den Kissen und weinte wie ein Kind. Als sie sich von dem ersten Schreck erholt hatte, ging sie sofort zu einer verzweifelten Offensive über: 'Du vermöbelst dir deine Zukunft und versperrst dir deinen Lebensweg.' 'Die kann ja in gar keine anständige Familie.' 'Wenn sie ein Kind bekommmt, dann hast du die Bescherung.' "
Obwohl Albert solche Verdächtigungen "mit aller Energie" zurückweist, schimpft seine Mutter weiter: "Sie ist ein Buch wie du — du solltest aber eine Frau haben." — "Bis du 30 bist, ist sie eine alte Hex." Mileva ist drei Jahre älter als Albert. Mileva Marie flüchtet in ihre Heimat. Im Januar 1902 bringt sie in Novi Sad das gemeinsame Kind zur Welt. Es ist ein Mädchen, ein "Lieserl", wie sie es sich gewünscht hat. Albert hatte von einem "Hanserl" geträumt. 1903 heiraten die beiden dann doch — gegen den Willen beider Elternpaare. Albert hat endlich eine Stelle gefunden, beim Patentamt in Bern. Seine wissenschaftliche Karriere setzt erst in den Folgejahren ein. 1907 wird er Privatdozent in Bern, 1909 Professor in Zürich, 1911 bekommt er einen Lehrstuhl in Prag, 1912 geht er zurück nach Zürich. Mileva folgt ihm überall hin, sie bekommt noch zwei Kinder, Hans und Eduard, und erzieht die Söhne.
Von dem "Lieserl" ist keine Rede mehr. Der Plan, das Kind nach der Eheschließung nach Bern zu holen, wird aufgegeben. Mileva hat die Tochter wohl in ihrer Heimat zur Adoption freigegeben. Was aus ihr geworden ist, ist völlig unbekannt. Selbst John Stachel, der Herausgeber der Einstein-Werke, hat vergeblich nach Spuren des "Lieserl" gesucht, die heute, wenn sie noch lebt, eine Frau von 88 Jahren ist.
Daß die Mutter unter dem Verlust des Kindes und unter der erzwungenen Geheimhaltung gelitten hat, können wir nur vermuten. Obwohl die Ehe anfangs glücklich scheint, verdunkelt sich Milevas Stimmung immer mehr. Erst jetzt, nach der Heirat, wird sie so "düster, wortkarg und mißtrauisch", wie die Einstein-Biographen sie beschreiben. Ihre Züricher Freundinnen und auch der Kommilitone Albert kannten den "Gassenbub" noch ganz anders, lustig, unbeschwert. Und erst jetzt, als Ehefrau, scheint die einst so ambitionierte Physik-Studentin ihre Karrierehoffnungen gänzlich zu begraben.
Ihr weiterer, bedrückender Lebensweg ist in der Biographie von Trbuhovic-Gjuric nachzulesen. Die Ehe scheitert. Warum genau, darüber kann uns vielleicht die Veröffentlichung weiterer Briefe eines Tages eine Antwort geben. 1914 geht Einstein nach Berlin und läßt Mileva mit den beiden Söhnen allein in Zürich zurück. Er schickt ihr nur unregelmäßig Geld. 1919 werden die beiden geschieden.
Einstein heiratet wieder, seine Kusine Elsa in Berlin. Die ist zwar ebenfalls älter als er, fünf Jahre sogar. Doch sie ist eine Frau, die seine Familie akzeptiert, eine elegante Dame ohne wissenschafltiche Ambitionen. "Ich bin froh, daß meine zweite Frau von Physik nichts versteht", wird Einstein eines Tages sagen. "Meine erste tat's nämlich."
1921 erhält Albert Einstein den Nobelpreis. Zum Erstaunen der Umwelt übergibt er das ganze Geld Mileva, seiner ersten Frau, die davon drei Häuser kaufen kann. Wie sich erst 66 Jahre später herausstellt, hat der Nobelpreisträger das nicht freiwillig getan. Schon 1919 hatte er Mileva dieses Geld im Scheidungsvertrag schriftlich zugesichert. Offensichtlich rechneten also beide damals schon mit dem Preis. Und ebenso offensichtlich blieb ihm nichts anderes übrig als ihr zumindest dieses Zugeständniszumachen. Er den Ruhm, sie das Geld.
"Wenn ihre eigene Bescheidenheit sie schon daran gehindert hat, auf öffentliche Anerkennung zu bestehen, was hat dann ihren Mann, Albert Einstein, daran gehindert, sie öffentlich zu würdigen? Warum ist seine Anerkennung ihrer Arbeit privat geblieben?", fragt Senta Trömel-Plötz heute.
"Ich sehe Mileva und Albert Einstein als wissenschaftliches Team, das zusammen arbeitete und hoffte, zusammen die Art von gemeinsamer Anerkennung zu bekommen wie das Ehepaar Marie und Pierre Curie", sinniert Evan Harris Walker. "Leider kann man die Entstehung theoretischer Physik nicht so gut von außen beobachten wie die praktische Teamarbeit der beiden Curies, die man Jahr für Jahr zusammen im Labor kleinste Mengen von Radium aus Tonnen von Pechblende isolieren sah." Die verwitwete Marie Curie und das Ehepaar Einstein-Marie waren tatsächlich gute Freunde. Albert Einstein hielt große Stücke auf die Kollegin, nannte sie den "wahren Jakob".
Die verlassene Mileva und die Söhne bekommen in Zürich noch ab und zu Besuch vom Ex-Ehemann und Vater. Albert Einstein berät sich gern mit Mileva, ganz wie einst. Der Faden zwischen ihnen reißt erst ab, als Albert Einstein 1930 vor den Nazis nach Amerika flieht. In den USA wird der deutsche Forscher mit offenen Armen empfangen. Mit einem Brief an den Präsidenten gibt er 1939 den Anstoß zum Bau der Atombombe (und bereut dies später öffentlich). Sein Ruhm steigt. Albert Einstein wird zur Legende.
Und Mileva? Sie bleibt in Zürich, verdient den Lebensunterhalt mit Mathematik- und Klavierstunden, erzieht die Söhne. Der jüngere, Eduard, erkrankt als Abiturient 1929 an Schizophrenie. 19 Jahre pflegt die Mutter den schwierigen, aggressiven Sohn, bis sie 1948 an einem Schlaganfall stirbt. Einziger überlieferter Kommentar von Albert Einstein zum Tod seiner einstigen Lebens- und Arbeitsgefährtin: "Nur ein für andere gelebtes Leben ist lebenswert."