Der Mann ist in der

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Schöne Menschen bekommen eher Töchter als Söhne“, so referierte die Süddeutsche Zeitung eine britischen Studie. Ausgerechnet die ‚Londoner School of Economics‘ ist zu diesem Ergebnis gekommen und konnte auch gleich einen klassisch wirtschaftswissenschaftlichen Erklärungsansatz bieten, nämlich „unterschiedliche Evolutionsstrategien“. So neigten Eltern nämlich dazu, ein Baby des Geschlechts zu zeugen, das am stärksten von ihren eigenen Merkmalen profitiert. Den Autoren zufolge bekommen aggressive, mehr wissenschaftlich orientierte Eltern eher Jungen, schöne Eltern eben eher Mädchen. Die schlauen Jungs könnten so ihr Erbe nutzen, um eine Partnerin zu finden, während schöne Mädchen freie Auswahl im Genpool hätten.

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Kurze Meldung – kurzer Verstand.

Was bitte haben „Evolutionsstrategien“ in den Wirtschaftswissenschaften zu suchen? Was hat „wissenschaftliche Orientierung“ mit „Aggressivität“ zu tun – gehen die Forscher da von sich aus? Und überhaupt: Schließen Schönheit und Intelligenz sich aus? Finden schöne Jungs keine Frau? Oder geht es nur darum, daran zu erinnern, dass kluge Mädchen keinen Mann abkriegen?

Diese Art Meldung ist in der Rubrik ‚Vermischtes‘ der Tageszeitungen tagtäglich anzutreffen. Harmlos, nett und umstandslos an ein allgemeines Vorwissen anknüpfend, das nicht mehr extra benannt zu werden braucht. Denn dass Männer und Frauen „anders“ sind, das weiß schließlich jedes Kind. Und dass die Evolution irgendwie damit zu tun hat, dass jeder Mann sich möglichst oft vermehren und jede Frau einen möglichst reichen Mann haben will, hat sich als Faustformel zur Welterklärung neuerdings wieder weitgehend durchgesetzt.

Früher sprach man herablassend von Küchenpsychologie, wenn der so genannte gesunde Menschenverstand seinen Senf zum Gefühlsleben von Stars, Sternchen und den lieben Nachbarn hinzugab. Heute fehlt – bezeichnenderweise – ein entsprechender Begriff dafür, dass alles und jedes im Lichte eines simplen Neu-Biologismus interpretiert wird. Die Grenzen zwischen Wissenschaft, Medien und Märchen sind, wie das obige Beispiel zeigt, durchlässig.

Der frei flottierende Medienstrom nimmt Forschungsbröckchen, Alltagswissen und Zeitgeist-Meinungen unterschiedslos in sich auf und vermengt alles zu einem diskursiven Einheitsbrei. Wie in dem Märchen vom Topf, der ohne Unterlass überkocht, bis die ganze Welt voller Hirsebrei ist.

So wurde beispielsweise auch unwidersprochen berichtet, dass im Falle der entführten Archäologin Susanne Osthoff Frauen sich eher mit deren Mut, Abenteurertum und Unabhängigkeit identifiziert hätten; während Männer vor allem genervt von ihr gewesen seien. Hans Leyendecker bekam in der SZ Raum für einen ganzseitigen Artikel, um darzulegen, dass die Gene diese unterschiedlichen Reaktionen hervorrufen. Die Wissenschaft habe entdeckt, so der investigative Reporter, dass „die genetischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gewaltig sind und bleiben“. Komisch nur, dass ich reichlich Frauen kenne, die von Osthoff genervt – und Männer, die von ihr fasziniert waren.

Doch wie kommt der, gemeinhin für Mafia und Korruption zuständige, Leydendecker überhaupt auf diese unvermittelte Zusammenführung von Genen und geschlechterdifferenten Ansichten à propos Susanne Osthoff?

Hier müssen wir die Evolutionsbiologie kurz verlassen und uns der Verhaltensforschung zuwenden: nämlich dem Paw­low­schen Reflex. Wer heute etwas über Frauen und Männer schreibt, fällt unweigerlich in das Mainstream-Mantra der biologischen Unterschiedlichkeit der Geschlechter ein: die Hirnhälften, die Hormone, die Gene. Endlos. Nichts scheint zwingender zu sein, als der uralte Auftrag der Natur, der in uns allen pulsiert und vom Fremdgehen bis zur Vergewaltigung, vom Karrierestreben bis zur Kriegstreiberei das menschliche Streben erklärt.

„Testosteron ist des Rätsels Lösung“, verkündete Focus online. Und was war das Rätsel? Die Überzahl von Männern in Top-Positionen. Doch was im Einzelfall gar zu durchsichtig, ja lächerlich erscheint, ist in der Summe ein ernst zu nehmendes Phänomen. Das „Wesen der Geschlechter“ ist zur Zeit ein Top-Thema der Medien, dem die gespannte Aufmerksamkeit des Publikums schon allein deswegen sicher ist, weil die Frage nach der eigenen Geschlechtlichkeit schließlich jede und jeden ganz persönlich angeht.

Es ist allerdings nicht nur der Auflage zuzuschreiben, dass das Geschlechterthema in den Medien Dauerthema ist. Es geht dabei nicht minder um die öffentliche Verhandlung darüber, wie das Verhältnis der Geschlechter zwar leider nicht ist, aber doch endlich sein sollte. Schließlich haben die Emanzipationskämpfe der Frauen in den letzten Jahrzehnten die mediale – und reale – Geschlechterordnung durcheinandergewirbelt. Was viele Männer – und manche Frauen – verunsichert.

Nun ist diese Verunsicherung nichts Neues. Jede Befreiungswelle von Frauen hat Männer in tiefe Krisen gestürzt, ob es nun um das Wahlrecht, den Bubikopf, das eigene Einkommen von Frauen oder das Scheidungsrecht ging. Die Existenz einer Bundeskanzlerin verstärkt die nervöse Grundstimmung der Männer, deren Überlegenheit quasi naturgegeben auf der Unterlegenheit der Frauen fußt. Und die nervös werden, wenn die Natur nicht so will, wie sie es gern hätten.

Der Mann ist also, wieder einmal, in der Krise. Und diese Krise wird in einer Art medialer Ritualisierung zugleich benannt und gebannt. Immer wieder tönt das Mantra von der Schwäche der Männer, der Übermacht der Frauen, der Abwertung des Feminismus und, vor allem, der Beschwörung einer natürlichen Ungleichheit der Geschlechter, basierend auf den ausschweifend inszenierten „Erkenntnissen“ der Hirn- und Hormonforschung.

Das beginnt schon bei der Krise selbst. ‚Was ist mit den Männern los?‘, ‚Männer – Die Herren der Erschöpfung‘, ‚Das schwache Geschlecht – Der Mann ist in der Krise‘, ‚Das zerbrechliche Geschlecht‘, ‚Wohin geht der Mann?‘, ‚Das Y-Chromosom oder: Warum gibt es eigentlich Männer?‘, ‚Wann wird der Mann wieder Mann?‘, ‚Das schwache Gemächt‘ – so lauten die Titel, unter denen das Geschlechterdrama verhandelt wird.

Deutlich wird: Der Mann ist in der Krise – nicht etwa die Frau bzw. das Verhältnis der Geschlechter. Das mag verwundern, sind es doch ohne Zweifel nach wie vor und ganz altmodisch die Frauen, die gratis oder unterbezahlt arbeiten, weniger gesellschaftliche Machtpositionen einnehmen, in der Pornographie und der Kultur voyeuristisch verhöhnt und in den Bordellen verbraucht werden.

Die Gewalttätigkeit von Männern, ihr enormer Bedarf an Bildern gedemütigter Frauen oder ihre Bereitschaft zur Vergewaltigung hingegen scheinen für die Medien nicht Ausdruck der Krise des Mannes zu sein. Hier geht es ausschließlich um den Mann als Opfer. Nicht als Opfer von Krieg und Terror, Arbeitslosigkeit und Sozialabbau, Rassismus und Ausbeutung – das gibt es ja auch! Nein, als Opfer von Frauen: Müttern, Ehefrauen, Kolleginnen – kurzum dem Feminismus schlechthin. „Männerfeindlichkeit ist zum kulturellen Mainstream geworden“, wird da behauptet und geklagt: „Wir sind unter die Räder gekommen in der Geschlechterdebatte. Wir müssen endlich aufwachen und uns nicht mehr von den Frauen stoßen lassen.“ (so das Schweizer Magazin).

Diese Verschiebung des Täters zum Opfer ist so allgegenwärtig, dass sie fraglos als Wahrheit akzeptiert wird. Motto: Definiere das Problem so, dass es deinen Interessen dient – das ist der erste Schritt gelungener Propaganda.

Eine Zuspitzung erfährt diese These bei den schlechten Schulleistungen der deutschen Knaben. Dass Mädchen in den ersten Jahrzehnten der Chancengleichheit und halbwegs gleichberechtigten Integration in das Schulwesen ihre Chance so gründlich genutzt haben, dass sie jetzt eindeutig als die Erfolgreicheren dastehen, empört die Nation. ‚Arme Jungs – das benachteiligte Geschlecht‘, titelt der Focus, ‚Schlaue Mädchen – Dumme Jungen‘ der Spiegel.

Nun ist es ja ohne Frage bedenklich, wenn der männliche Nachwuchs sich den zivilisations- und wirtschaftsfördernden Kulturtechniken des Lesens, Analysierens und Argumentierens entzieht und stattdessen Computerspiele, Rumhängen und Mädchen-Drangsalieren präferiert. Doch woran liegt das? An der „Pathologisierung der Jungen“, ihrer „alltäglichen Abwertung“, behaupten Sozialwissenschaftler wie Ralf Dollweber und Ulf Preuss-Lausitz. Letzterer zitiert auch die amerikanische Pädagogin Christina Hoff Sommers, die einen „missgeleiteten Feminismus“ am Werk sieht, der einen „Krieg gegen die Jungen“ angezettelt und ihre Männlichkeit abgewertet habe.

Und Sommers Kollege Michael Gurian beklagt, das weibliche Verhalten werde an den Schulen als Norm gesetzt. Der Bewegungsdrang der Jungen hingegen werde „vorschnell als Disziplinlosigkeit geahndet, ihr manchmal raubeiniges Verhalten zu rasch als bedrohlich eingestuft, ihre erwa­chende Sexualität dämonisiert“ mit dem „Resultat verunsicherter und deformierter männlicher Psychen“.

Das vorwiegend weibliche Personal in der Erziehung tut ein Übriges, den Jungen den Spaß an der Schule zu verderben. Kurzum: Mehr Männlichkeit ist angesagt, mehr Toleranz gegenüber den zumeist wohl eher sexistischen (als sexuellen) Raubeinigkeiten der jungen Charmeure wird als Lösung geboten. Eisern beschwiegen wird hingegen die naheliegende Fragestellung, ob nicht der extreme Zwang zu einer Männlichkeit, die sich auf jeden Fall von der Weiblichkeit abheben muss, die Jungen zur Verweigerung an den Schulen führt.

Getreu der Logik, was Mädchen ist, kann nicht Junge sein, und umgekehrt, wird durch den Lernerfolg der Mädchen dieses Terrain als weiblich markiert, gilt also als „unmännlich“ und verliert damit an Anziehungskraft für Jungen. Welch ein Hohn für eine Kulturnation, die über Jahrhunderte dem männlichen Genius huldigte und nur widerstrebend Frauen den Zugang zur Bildung erlaubte! Welch eine Ignoranz angesichts der seit Jahrtausenden tradierten und ausschließlich Männern vorbehaltenen Kunst der Rhetorik, auf die kein tonangebender Mann des Abendlandes verzichten durfte.

Als Bildung noch Ausweis überlegener Männlichkeit war, standen der angeblich typisch männliche Bewegungsdrang und die Raubeinigkeiten pubertierender Bengel dem Bildungserfolg jedenfalls nicht im Wege. Und auch nicht die Hirnhälften und Hormone. Plötzlich verbietet ihre einseitige Hirnhälften-Tätigkeit den Knaben das Erlernen des Lesens und Kom­binierens, während umgekehrt Testosteronschübe im weiblichen Zyklus das mathematische Verständnis der ansonsten zu räumlichen Denkleistungen minderbegabten Elevinnen anfeuern. Diese „Erblast aus der Urzeit“ (Spiegel) zeigt sich in der Moderne bekanntermaßen vor allem beim Einparken, weswegen sie von früheren Hirnforschern wahrscheinlich übersehen wurde.

Ausnahmen? Natürlich gibt es Mädchen, die auf Bäume klettern und Jungs, die mit Puppen spielen. Die Wissenschaft hat nunmehr festgestellt, was der Volksmund schon immer wusste: Alles abnorme Launen der Natur, oder, wie es der erfolgreiche Psychologe Simon Baron-Cohen (‚Vom ersten Tag an anders. Das weibliche und das männliche Gehirn‘) nennt: eine „medizinische Anomalie“. Seine Forschungsergebnisse beinhalten weiterhin die aufregende Erkenntnis, Männer seien eher zum Systematisieren, Frauen zum Einfühlen begabt. Beweis: Kastrierte Nagetiere zeigten „verstärkt weibliches Sexualverhalten“. (Was immer das sein mag.) Die Medien jedenfalls sind dankbare Abnehmer von solcherlei eingängigen Beschreibungen des kleinen Unterschieds und enthalten sich großzügig kritischer Nachfragen.

Doch Begriffe wie Geschichte und Kritik kommen in den Erfolgsmeldungen der Hirnhälftenakrobatiker und Hormontheologen so wenig vor wie Gesellschaft und Kultur. Natürlich fehlt selten der obligatorische Hieb gegen das „feministische Kriegsgeschrei“, den „überbordenden Feminismus“ und die „ideologieverdächtige Genderforschung“, die überholten Ideen wie der „Gleichheitsrevolution“, Kultur- und Erziehungseinflüssen anhängen.

Doch wo einerseits der Geschlechterunterschied bis in die kleinsten Verästelungen registriert wird, bleibt andererseits der Blick auf die Gesellschaft eigentümlich geschlechterblind. Die Verwendung einer geschlechtergerechten, und damit präzise unterscheidenden Sprache, scheint den Unterschiedsfanatikern lässlich. Besonders auffällig ist das bei Fotos mit Bildunterschriften, die das Geschlecht der dargestellten Personen nicht benennen. Dass es zum Beispiel männliche Jugendliche waren, die in den Vororten von Paris randalierten, wird zwar gezeigt, aber nicht gesagt, und damit auch nicht befragt.

Grundsätzlich unterbleiben geschlechterpolitische Analysen in allen Themenfeldern, sofern nicht das Geschlechterverhältnis selbst verhandelt wird. In dieser augenfälligen Ignoranz gegenüber den realen Unterschieden im Leben der Geschlechter, die sich in allen gesellschaftlichen Bereichen ausdrücken, liegt das eigentlich Bemerkenswerte an der permanenten Inszenierung von Hormonen und Hirnen. Vor diesem Hintergrund, und mit dem Rückgriff auf Tradition, Kultur und Glaube, kann ein FAZ-Redakteur, Volker Zastrow, die gesamte Frauen- und Gleichstellungspolitik diffamieren, ohne ein einziges Mal auf deren gesellschaftliche Bedeutung zu sprechen zu kommen.

Da wird verschwörungstheoretisch Frauenpolitik als Lesben-Lobby-Politik denunziert. Da wird die Hausfrau und Mutter, die von der Frauenpolitik „abgeschafft“ werden solle, als „urgewaltiger Topos in Kunst, Literatur und Religion, der im Innersten der meisten Menschen beim Gedanken an die eigene Mutter widerhallt“ beschworen. Und das nüchterne Verwaltungsprinzip des Gender Mainstreaming wird willentlich falsch übersetzt, um es schauerlich als „politische Geschlechtsumwandlung“, also klammheimliche Kastrationsandrohung, zu entlarven.

An so etwas wird deutlich, dass es vor allem die Sorge um die unhinterfragte Dominanz des männlichen Egos ist, dass die Zastrows dieser Welt zu so gehässigen Elaboraten animiert. Bemerkenswert allerdings, dass so ein Journalist die Auseinandersetzungen um die Konstruktion von Gender überhaupt zur Kenntnis nimmt. Dass tut auch der Vatikan, der sich zurzeit mit großer theologischer Ernsthaftigkeit, aber mit geringem intellektuellen Gewinn, ebenfalls der feministischen Herausforderung stellt. So predigte der jetzige Papst im Vorfeld der Papstwahl – damals noch als Kardinal Ratzinger und Präfekt der Glaubenskongregation – die „Gottgegebenheit“ der patriarchalen katholischen Bibelauslegung in Auseinandersetzung mit Theorien der Geschlechterkonstruktion. Ratzingers Diktum ist eindeutig: Die „Diktatur des Relativismus“, die er in der Infragestellung einer vermeintlich natürlichen und göttlichen Geschlechterordnung sieht, wird zum modernen Feindbild der Gläubigen erklärt.

Die polnische Bischofskonferenz hat diesen Kampfbegriff im Februar 2006 in einer Resolution gegen eine Homophobie-kritische Stellungnahme des EU-Parlaments bereits aufgegriffen. Die EU solle von Tätigkeiten absehen, die „den Stempel der Diktatur des Relativismus tragen“ und „die anthropologische Wahrheit“ verletzen, die „in der Natur des Menschen wurzelt, der als Mann und Frau geschaffen wurde“. Denn das untergrabe „nicht nur die tiefsten Fundamente des richtigen Funktionierens der EU, sondern sogar das menschliche Leben selbst“. Glaube und Natur, alte und neue Traditionsbewahrer gehen Hand in Hand, was ihre Verteidigung des Unhinterfragbaren angeht.

Doch so viel intellektueller Aufwand ist eher die Ausnahme, die Meldung auf „Vermischtes“ und die flott gestrickte Trendstory die Regel. Dabei gehört eine Menge historischer, kultureller und sozialer Ignoranz dazu, den neuen Naturfreunden ihre biederen und selbstreferentiellen Erkenntnisse abzunehmen. Doch der enorme Einsatz an Forschungsmitteln in den so genannten Lebenswissenschaften und die endlose Begeisterung der Medien daran produzieren mit Macht eine Wahrheit von der biologischen Determiniertheit der Geschlechter, der zu widersprechen geradezu ketzerisch anmutet.

Verschärfend hinzu kommt der penetrante Verzicht auf die Reflektion der jeweiligen Forschungsperspektiven. Dass Wahrheiten konstruiert „werden“ und nicht „sind“, dass jede Forschung eine gesellschaftsgebundene Perspektive einnimmt und dass Machtinteressen die Wissensproduktion einer Gesellschaft bestimmen, all das wird konsequent ausgeblendet.

Die angeblich ideologiefrei daherkommenden Biowissenschaften fundieren so ein ideologisches Programm, das die Emanzipationsbestrebungen von Frauen zum Aufstand wider die Natur stempelt. Auch das ist alles andere als neu, aber hoch modern ist der Apparat, den sich die Gesellschaft für diese Renaturalisierung der Geschlechterverhältnisse leistet. Die Frage nach Macht, Hierarchie, Verantwortung und Veränderung verschwindet hinter den endlos produzierten und von den Medien reproduzierten Hormoncocktails und Hirnströmen.

Zusammen mit einem rituellen Antifeminismus und der Umdeutung des Mannes vom Täter zum Opfer eines zur „herrschenden Ideologie“ gewordenen Feminismus (Magazin) scheint die mediale Aufbereitung der modernen Geschlechterverhältnisse als Versuch, die gesellschaftspolitische Herausforderung eines aufgeklärten Feminismus mit einer neuen Beschwörungsformel von der Ungleichheit der Geschlechter zu bannen. Doch es fragt sich, trotz des Dauerrauschens dieser Beschwörungsformeln, ob Frauen und Männer sich wirklich ein Y für ein X vormachen lassen. Oder ob sie nicht ganz einfach schöne und kluge Kinder wollen – unabhängig vom biologischen Geschlecht.

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