Prostitution: Abschaffen!

Foto: Bettina Flitner
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"Wir denken, dass Prostitution eine der schlimmsten Ausdrucksformen der ungleichen Machtverteilung zwischen Männern und Frauen ist. Und dass sie nicht nur Frauen in der Prostitution betrifft oder diejenigen, die die Dienste dieser Frauen kaufen – sondern die gesamte Gesellschaft.“ Mit diesen Worten erklärte Frauenministerin Ulrica Messing 1998 im schwedischen Parlament, warum ihre Partei, die Sozialdemokraten, beabsichtige, ein bis dato weltweit einmaliges Gesetz einzuführen: das „Sexköpslag“ – das Sexkauf-Gesetz. Und sie fuhr fort: „Deshalb schlagen wir vor, den Sexkäufer zu kriminalisieren. Wir sind überzeugt davon, dass dies Einstellungen verändern und letztlich die Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft reduzieren wird.“

Wenig später verabschiedeten die schwedischen Sozialdemokraten (gemeinsam mit Grünen und Linken) das neue Gesetz. Es entkriminalisiert Prostituierte vollständig, erklärt den Kaufakt der Freier jedoch zu einer kriminellen Handlung.

Zu diesem Zeitpunkt war die Mehrheit der SchwedInnen keineswegs vom Verbot des „Sexkaufs“ überzeugt. Nur jeder fünfte schwedische Mann befürwortete damals das „Sexköpslag“ (20 %), und auch bei den Frauen hielt nur knapp die Hälfte (45 %) die Bestrafung der Freier für eine gute Idee. Doch die Ministerin sollte Recht behalten: Das vor 22 Jahren verabschiedete Gesetz veränderte die Einstellungen der Schweden zur Prostitution fundamental.

Als die schwedische Regierung zehn Jahre nach Einführung des „Schwedischen Modells“, wie das Sexkaufverbot schon bald international genannt wurde, die Wirkung des Gesetzes evaluierte, war eine klare Mehrheit der Bevölkerung für das Sexköpslag: 2010 waren zwei von drei Männern (60 %) und vier von fünf Frauen (79 %) vom Gesetz gegen Prostitution überzeugt! Diese Zustimmung steigerte sich bei den Frauen in der darauffolgenden Untersuchung noch einmal: 2014 waren sogar 85 Prozent der Frauen für die Freierbestrafung! Die Meinung der Männer blieb konstant. Insgesamt stehen heute also fast drei von vier SchwedInnen (72 %) hinter dem Gesetz, das den Handel mit der Ware Frau bekämpft, indem es die Nachfrage unter Strafe stellt – und das sie 15 Jahre zuvor noch mehrheitlich abgelehnt hatten.

Das Sexköpslag ist eben nicht nur ein äußerst effizientes Mittel im Kampf gegen Frauenhandel und Zuhälterei, weil es die Nachfrage nach der Ware Frau austrocknet – es veränderte auch das Bewusstsein der Menschen. Vier von fünf Schwedinnen und Schweden (82 %) sind heute überzeugt: „Prostitution ist gefährlich und schädigend für Frauen.“ Dass die Prostitution auch Männern schadet und deren Frauenbild pervertiert, finden inzwischen zwei von drei SchwedInnen (63 %). Mittlerweile befürworten alle Parteien des schwedischen Parlaments das Anti-Prostitutions-Gesetz.

Die Zustimmung zum Sexkaufverbot ist übrigens nicht nur im protestantischen Schweden sehr hoch. Auch im katholischen, als sinnenfroh geltenden Frankreich befürworten heute drei von vier Männern die Freierbestrafung – und acht von zehn Frauen. Frankreich führte das „Gesetz zum Kampf gegen das Prostitutions-System“ im Juni 2016 ein.

Wie die in der letzten EMMA veröffentlichte Allensbach-Umfrage zur Prostitution (www.alice-schwarzer-stiftung.de) gezeigt hat, denkt die deutsche Bevölkerung ganz ähnlich wie die schwedische und die französische. So sind drei von vier befragten Deutschen überzeugt, dass die Mehrheit der Prostituierten „zur Prostitution gezwungen werden“, „Zuhälter oft gewalttätig werden“ und die Frauen „seelisch unter ihrer Tätigkeit leiden“. Zwei von drei gehen davon aus, dass auch die Freier Prostituierte „oft erniedrigend behandeln“ und es „für Polizei und Justiz sehr schwierig ist, Missstände im Rotlichtmilieu zu bekämpfen“. Nur jedeR Siebte (und nur jede zehnte Frau) glaubt, dass „die aktuellen Gesetze ausreichen, um Prostituierte vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen“. So weit, so eindeutig, so alarmierend.

So, wie es ist, kann es also nicht bleiben. Dennoch zögert die (knappe) Mehrheit der Deutschen noch, so wie die Schweden oder Franzosen für eine Bestrafung der Freier zu plädieren. JedeR Zweite lehnt heute eine Bestrafung der Freier ab.

Die Begründungen für diese Ablehnung sind widersprüchlich. So befürchtet die Mehrheit, die Prostitution könne bei einem Verbot „in die Illegalität rutschen“ und dann für Polizei und Behörden noch schwerer kontrollierbar sein. Gleichzeitig aber erklären drei von vier Befragten: „Prostitution spielt sich in der Illegalität ab!“

Sie haben Recht: 90 Prozent der Prostituierten in Deutschland arbeiten unangemeldet – in der Illegalität. Die Zahl der Prostituierten in Deutschland wird heute auf 200.000 bis 400.000 geschätzt. Laut Statistischem Bundesamt angemeldet sind nur 40.000.

Abgesehen davon schützt auch die „Legalität“ die Frauen nicht vor Gewalt und Ausbeutung. Allein für die Wuchermiete für ein Zimmer im Bordell (bis zu 150 Euro – pro Tag!) müssen die Frauen drei bis fünf Freier am Tag „bedienen“ (das macht mindestens 100 im Monat). Schon 2004 – also vor der Ost-Erweiterung der EU – kam eine Studie des Bundesfrauenministeriums zu dem Ergebnis: „Prostituierte sind eine in Bezug auf Gewalt hochgradig gefährdete Gruppe.“ Und: „Die gesundheitliche und psychische Verfassung vieler Prostituierter ist äußerst problematisch.“

Obwohl also die Prostitutions-Realität in Deutschland eine menschenrechtliche Katastrophe ist – und die Menschen das wissen – können sich viele dennoch offenbar nicht vorstellen, dass und wie dagegen angegangen werden könnte.

In Schweden war das mal ganz ähnlich. Selbst die traditionell so feministischen SchwedInnen waren vor zwei Jahrzehnten nicht bereit, mehrheitlich den Weg mitzugehen, den die Politik einschlug: die Ächtung des Freiertums. Bis ihre Regierung sie eines Besseren belehrte. Männer, die Frauen (und Männer) kaufen, sind seither Täter. Sie machen sich mitschuldig an der Zuhälterei und Frauenhandel mit ihren mafiösen Strukturen. Doch seither hat sich das „Schwedische Modell“ im Kampf gegen Menschenhandel und Frauenverachtung als äußerst erfolgreich erwiesen.

Sechs weitere Länder gehen den schwedischen Weg: Norwegen, Island, Kanada, Frankreich, Irland und zuletzt Israel. In Dänemark gilt die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die im Juni 2019 ihr Amt antrat, als überzeugte Verfechterin der Freierbestrafung. Es ist also wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Dänemark dem Beispiel seiner Nachbarländer folgen wird.

Aber wie könnte es in Deutschland weitergehen? Die Allensbach-Leiterin Prof. Renate Köcher stellt fest: „Die große Mehrheit der Befragten verfügt nicht über Informationen, wie sich die Erfahrungen in den Ländern mit Prostitutionsverboten entwickeln“. In der Tat. In den deutschen Medien gibt es, penetrant befeuert von der Pro-Prostitutionslobby, vor allem Desinformation über das „Nordische Modell“. Aber das lässt sich ja ändern. Hier noch einmal die häufigsten Fake News über das „Nordische Modell“ – und die Realität:

NEIN, das Sexkaufverbot geht nicht „gegen die Prostituierten“, sondern gegen die Sexindustrie!

In Schweden gab der Staat schon 1977 eine Untersuchung in Auftrag: Drei Jahre lang wurden Prostituierte begleitet und befragt. Resultat: Eine 800-Seiten-Studie mit über 200 Berichten von Prostituierten. „Prostitution in Schweden“ (1981) ist bis heute weltweit die größte und umfassendste Studie zur Lage von Prostituierten. Die Schilderungen der Frauen zeigen, dass extrem häufig (sexuelle) Gewalterfahrungen hinter dem Einstieg in die Prostitution stehen und die Frauen in der Prostitution selbst noch mehr Gewalt erfahren.

1993 wurden bei einer zweiten großen Untersuchung zur Prostitution zusätzlich auch Freier befragt. Sie erklärten, der Frauenkauf sei ihr gutes und angestammtes Recht, da schließlich jemand ihre sexuellen Bedürfnisse erfüllen müsse. Dass viele Frauen zur Prostitution gezwungen werden, durch organisierte Frauenhändler oder Loverboys, oder sich aus Armut und Not prostituieren, interessierte sie dabei wenig bis gar nicht. Die Studie machte deutlich, dass eine effektive Eindämmung der Prostitution bei den Freiern ansetzen muss. Was das EU-Parlament im Jahr 2014 mit einer Resolution bestätigte: „Prostitution verletzt die Menschenwürde und ist mit der Gleichstellung der Geschlechter nicht vereinbar“, erklärte eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten. Deshalb sollen „die EU-Staaten die Nachfrage nach Prostitution eindämmen, indem sie die Freier bestrafen und nicht die Prostituierten.“

In Frankreich veröffentlichte eine parlamentarische Kommission unter Leitung der Sozialistin Danielle Bousquet und des Konservativen Guy Geoffroy im April 2011 einen Bericht zur „Lage der Prostituierten“. Ein halbes Jahr lang hatte die Kommission bei Prostituierten, SozialarbeiterInnen, Polizei etc. recherchiert. Ergebnis: „Wo die Prostitution legalisiert wurde, ist der Menschenhandel explodiert!“ (Zum Beispiel in Deutschland.) Es stellte sich heraus: 80 Prozent der Prostituierten sind Ausländerinnen, die illegal im Land sind und von Frauenhändlern nach Frankreich gebracht und dort ausgebeutet werden. Die Studie: „Diese Welt ist von besonders schwerer Gewalt geprägt.“ Das 2016 verabschiedete „Gesetz zur Bekämpfung gegen das System Prostitution“ hat das Ziel, diesen Frauen zu helfen und ihnen die Möglichkeit zum Ausstieg zu geben.

NEIN, Frauen in der Prostitution werden nicht kriminalisiert!

Im Gegenteil. Sie werden entkriminalisiert. Frauen, die sich prostituieren, droht in Ländern mit dem Nordischen Modell keinerlei Strafe. Sie können sich jederzeit an die Polizei wenden, wenn ihnen ein Freier Gewalt angetan oder ihnen ihr Geld vorenthalten hat. Das ist seit Langem bekannt. Dennoch behaupten manche deutsche PolitikerInnen noch immer einfach das: „Die Corona-Pandemie führt uns vor Augen, was passiert, wenn man Prostitution verbietet“, erklärt zum Beispiel Heike Troles, frauenpolitische Sprecherin der CDU in NRW, die gerade einen Beschluss gegen das Nordische Modell vorbereitet, das sogenannte „NRW-Modell“. Troles: „Die Prostituierten werden nur in die Illegalität gedrängt. Dadurch ist das Geschäft der Kontrolle durch die Behörden entzogen und eine Ansprache durch Beratungs- und Hilfsorganisationen ist kaum noch möglich.“

An diesen Behauptungen ist einfach alles falsch. Was zur Zeit im Corona-Lockdown passiert, ist das genaue Gegenteil des Nordischen Modells. Im Lockdown werden Prostituierte, die trotz Verbot (gezwungenermaßen) arbeiten, mit hohen Bußgeldern bestraft – weshalb einige auf gefährliche Orte wie Parkplätze ausweichen. Deshalb fordern die BefürworterInnen des Nordischen Modells, Prostituierte jetzt straffrei zu stellen – und nur die Sexkäufer zu bestrafen, die selbst in Zeiten von Corona die Not der Frauen ausnutzen. Gleichzeitig müsste der Staat jetzt ein großangelegtes Ausstiegsprogramm starten. Stattdessen plädieren PolitikerInnen wie Heike Troles dafür, die Prostitution „zeitnah wieder zuzulassen“. Im Ernst? Zwei von drei der von Allensbach Befragten fürchten zu Recht, dass Prostituierte ein hohes Risiko haben, sich mit Corona zu infizieren.

NEIN, die Prostituierten sind bei einem Prostitutionsverbot nicht unauffindbar für die Polizei!

„Wenn die Freier die Prostituierten finden, finden wir sie auch“, erklärt die schwedische Polizei, die mit ihren „Prostitution Units“ (Teams aus Polizei und SozialarbeiterInnen) den Straßenstrich aufsucht und den Annoncen nachgeht, die Frauen bzw. deren Zuhälter schalten. Sozialarbeiterinnen, die vor Einführung des Sexkaufverbots noch befürchtet hatten, die Frauen nicht mehr zu erreichen, erklären heute: Das Gegenteil ist der Fall. Durch die enge und gute Zusammenarbeit mit der Polizei erreichen sie mehr Frauen als vorher und können ihnen so auch helfen.

Wenn Prostitution massenhaft in der Illegalität stattfindet, dann in Deutschland, und zwar auch außerhalb von Corona-Zeiten. Neun von zehn Frauen sind nicht angemeldet (siehe oben) und laufen unter dem Radar der Behörden. Wo sie sich aufhalten, ist Polizei und Ämtern nicht bekannt. Und selbst wenn die Polizei sie in einem Bordell antrifft: Was nützt das? Selbst Pascha-Chef Armin Lobscheid räumt ein, dass die Frauen „nie zugeben würden, dass sie einen Zuhälter haben“. In Schweden sei, behauptet CDU-Sprecherin Troles, „von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen“. Wie bitte? Das „Dunkelfeld“ in Deutschland ist das größte in Europa.

NEIN, die Verfolgung von Zuhältern und Frauenhändlern wird nicht schwieriger, sie wird leichter!

Zum einen wird der „Markt“ für den Frauenhandel in Ländern mit Sexkaufverbot viel kleiner, weil die Nachfrage entschieden geringer ist. Insgesamt schätzt die schwedische Polizei die Zahl der Frauen in der Prostitution in Schweden auf heute 1.000 bis 1.500 (davon sind 80 % Ausländerinnen). Rechnet man diese Zahl auf Deutschland um, wären das hierzulande 9.000 bis 13.500 Prostituierte. Allein die Zahl der offiziell angemeldeten Frauen liegt in Deutschland aber schon dreimal so hoch: bei 40.000. De facto ist die Zahl der Prostituierten jedoch etwa zehnmal höher. „Sowohl die schwedische Polizei als auch Europol erklären, dass die niedrige Zahl von Frauen in der Prostitution in Schweden eine direkte Folge der niedrigen Nachfrage ist“, erläutert der schwedische Sonderbotschafter für Menschenhandel, Per-Anders Sunesson, und fügt hinzu: „Diese Feststellung wird von Abhöraktionen der Polizei bei Menschenhändler-Ringen bestätigt.“ Für Menschenhändler ist Schweden kein attraktiver Markt mehr – im Gegensatz zu Deutschland.

Im Jahr 2018 klagte die schwedische Staatsanwaltschaft 93 Fälle von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung an. Wiederum auf Deutschland umgerechnet hieße das, dass hierzulande – bei 300.000 Prostituierten – jährlich 20.000 bis 30.000 Anklagen gegen Frauenhändler anhängig wären. De facto sind es zwischen 400 und 500! Denn Zuhälterei und Frauenhandel kann die Polizei in Deutschland nur verfolgen, wenn sie die Aussage der Frau(en) hat – die sie nur in den seltensten Fällen bekommt. Denn Frauen, die reden, riskieren ihr Leben oder das ihrer Familien in den Heimatländern. Schweden hat also nicht nur einen wesentlich kleineren „Prostitutionsmarkt“, sondern kann aufgrund der Gesetzeslage Frauenhandel entschieden besser bekämpfen als Deutschland. Denn wenn „Sexkauf“ stattfindet, machen sich dabei alle Beteiligten strafbar – außer der Prostituierten.

Das musste auch die konservative Regierung in Norwegen erkennen, die die 2009 eingeführte Freierbestrafung eigentlich wieder abschaffen wollte. Dazu gab sie 2014 eine Evaluation des Gesetzes in Auftrag. Diese ergab in allen Städten eine enorm hohe Zustimmung der Polizei zum Prostitutionsverbot. Für sie ist die Freierbestrafung ein „entscheidendes Element“ im Kampf gegen den Frauenhandel. Das Gesetz blieb.

NEIN, Prostitution und Frauenhandel sind nicht zu trennen!

Bei „Prostitution, Zwangsprostitution und Menschenhandel“ handle es sich „um drei verschiedene Dinge, die es separat zu betrachten gelte“, behauptet NRW-CDU-Sprecherin Heike Troles.

Noch eine Fake News. Erfahrene Polizisten, die im Rotlichtmilieu ermitteln, erklären das Gegenteil. Über 90 Prozent der Frauen, die sich in Deutschland prostituieren, kommen aus den ärmsten Ländern Europas oder aus Afrika. Manche sind Analphabetinnen, viele können kein Deutsch und wissen nicht einmal, in welcher Stadt sie sich gerade aufhalten (müssen).

„Es sollte klar sein, dass eine Weißrussin aus dem Tschernobyl-Gebiet oder eine Roma aus dem Ghetto in Rumänien sich niemals allein aufmachen kann, um sich in Deutschland zu prostituieren“, erklärt Kommissar a. D. Manfred Paulus. „Die Frauen werden ins Land geschleust. Die Organisierte Kriminalität hat das Gewerbe im Griff.“ Sein Kollege, Oberkriminalrat a. D., in Augsburg zuständig für Organisierte Kriminalität, Helmut Sporer, bestätigt: „Da ist eine Sklaverei unter staatlicher Aufsicht entstanden.“ Manchmal ist der Sklaventreiber auch die eigene Familie, die die Tochter zum Anschaffen nach Deutschland schickt, beaufsichtigt von einem „Cousin“.

Und die Minderheit der deutschen Frauen? Studien belegen, dass Frauen in der Prostitution weit überdurchschnittlich oft Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch sind. Denn gerade sie werden oft Opfer sogenannter Loverboys, die ihnen Liebe vorgaukeln und sie dann für sich anschaffen lassen.

NEIN, die Gewalt gegen Frauen in der Prostitution erhöht sich nicht.

Sämtliche Studien ergeben: Ja, es gibt Gewalt in der Prostitution, natürlich auch in Ländern mit Prostitutionsverbot. Aber die gab es auch schon vorher. Schlussfolgerungen, die die Gewalt gegen Prostituierte der Freierbestrafung zuschreiben, sind manipulativ. Prostitution als solche ist ein System der Gewalt – Gewalt von Freiern, Zuhältern, Frauenhändlern. In Schweden wurde seit Einführung des Sexköpslag, also seit über 20 Jahren, keine einzige Prostituierte ermordet. Im selben Zeitraum hat die Initiative „Sexindustry kills“ in Deutschland 80 ermordete Prostituierte gezählt. Prostituierte in Schweden erklären bei Befragungen, dass ihre Position den Freiern gegenüber stärker geworden ist. Denn es sind die Freier, die sich strafbar machen. Die Frauen hingegen können

NEIN, die Zahl der Vergewaltigungen steigt nicht!

Eine Gesellschaft, die Prostitution als „normal“ akzeptiert, signalisiert damit Männern, sie hätten das Recht, über Frauen und ihren Körper zu verfügen. In ihr ist für Männer eine Sexualität „normal“, bei der die sexuellen Bedürfnisse des Gegenübers keinerlei Rolle spielen. Sie signalisiert, Männer dürften ihre sexuellen Bedürfnisse jederzeit und um jeden Preis befriedigen. Wenn junge Männer mit einem solchen Frauenbild aufwachsen, dürfte die Zahl der sexuellen Übergriffe auf Frauen eher steigen.

Aber in Schweden, so argumentieren manche, sei die Zahl der Vergewaltigungen seit Einführung der Freierbestrafung gestiegen. Das ist falsch. Gestiegen ist die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigung. Und das hängt damit zusammen, dass in Schweden seit vielen Jahren ein Klima herrscht, in dem Frauen ermutigt werden, Vergewaltiger anzuzeigen – und Vergewaltiger auch verurteilt werden.

JA, ein Umdenken ist möglich!

In der Bevölkerung wie in der Politik. Das beweisen die Erfahrungen in Schweden oder Frankreich. Auch die Sklaverei war bis Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich „normal“ und es schien undenkbar, sie abzuschaffen. Heute gibt es zwar in einigen Regionen der Welt noch vereinzelt Sklaverei, doch sie gilt als schwere Menschenrechtsverletzung und ist weltweit geächtet und verboten.

Warum sollte das mit der „White Slavery“ – der „weißen Sklaverei“, wie Prostitution im englischsprachigen Raum genannt wird – nicht auch möglich sein? Immer mehr Länder machen es vor.

Und selbst Deutschland wacht nach einem langen Irrweg endlich auf. Auch hierzulande ist ein Bewusstseinswandel in Bevölkerung und Politik in vollem Gange. Bei der aktuellen Allensbach-Umfrage plädiert heute schon jede dritte Frau für die Freierbestrafung – vor fünf Jahren war es bei einer Forsa-Umfrage (im Auftrag des Stern) nur jede fünfte gewesen. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen hat eine realistische Einschätzung der Misere für die Frauen in der Prostitution. Das zeigt, dass der Schritt zur Forderung der Bestrafung von Freiern nur ein kleiner wäre, anders gesagt: eine Frage der Aufklärung.

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