Ein Jahr Trump - und jetzt?

Trump im Weißen Haus, aus dem er Hillary verjagte. Foto: Imago/Zuma Press
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Hillary Clinton, neulich auf Buchtournee mit „What Happened,“ ihre Analyse des Wahlkampfes von 2016, bemerkt zum Thema Donald Trump, er hätte sich als „noch schlechter“ entpuppt, als sie befürchtet hatte. In der Tat, eine Blamage folgt bei Trump der nächsten. In Umfragen liegt er auf Rekordtief. Aber: Hillarys Zahlen liegen noch tiefer. Und das hat reichlich wenig mit ihrer von Linken kritisierten Hang zu militaristischer Interventionspolitik zu tun.

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Der Hillary-Hass schlägt noch immer hohe Wellen

Ihr Buch ist zwar Nummer 1 auf der Bestsellerliste, bietet aber noch einmal die Gelegenheit, ein Jahr nach der Wahl die unverkennbar amerikanische Verquickung von Frauenfeindlichkeit mit Hass auf Liberale laut ertönen zu lassen. Es ist wohl kein Zufall, dass auf Nummer 2 ein „Geschichtsbuch“ von dem rechtslastigen – und der mehrfachen sexuellen Belästigung beschuldigten – Fernsehautor Bill O’Reilly kommt.

Michelle Obama versucht, Hillary mit den Worten beizustehen: „Jede Frau, die gegen Hillary Clinton gestimmt hat, hat gegen sich selbst gestimmt. Mir zeigt das, dass ihr euch selbst nicht akzeptiert.“

Im Nu erschallt ein Schwall von Gegenstimmen, vor allem von konservativen Weißen. Michelle Obama würde „Millionen von Frauen“ gegenüber nur elitäre „Herablassung“ zeigen; ihre Worte seien „beleidigend“, eine „Verhöhnung“. Sie sei eh ein Mannweib, mit der keine Frau sich identifizieren möchte. Die Trump-Wählerinnen hätten nicht zuletzt eben nicht für vier weitere Jahre der „gescheiterten Erbschaft deines Ehemannes“ stimmen wollen.

Nur ein anonymer Kommentator zur Debatte um Michelle Obamas Worte merkt an, es sei ja tatsächlich merkwürdig, dass Konservative zu Trump halten, denn er sei nicht nur kein Christ, sondern auch kein eigentlicher Traditionalist oder Konservativer – außer eben in dem Sinne, dass er dafür sei, dass weiße Männer wieder die Oberhand gewinnen über Frauen wie über Nicht-Weiße. Und damit sind wir beim Kern der Sache: Amerikas Erbsünde, der schwelende Rassismus, dem nicht einfach beizukommen ist, und der auf komplizierte Weise sowohl mit der Sexualpolitik als auch Kritik an einem nicht wirklich verstandenen, globalisierenden, neoliberalistischen Finanzkapitalismus verwoben ist.

Trumps Hauptmotivation ist fraglos zügelloser Opportunismus und Selbstbereicherung. Auch die Republikaner im Kongress haben schon längst die Maske abgelegt. Wo es früher angeblich um Moral ging (besonders Sexualmoral, unter anderem um die angebliche Abscheu vor Verhütung, Abtreibung und schwullesbischen Rechten) geht es nun ganz offen um massive Umverteilung von Reichtum. Das wird wieder mal klar im neuen Steuerprogramm. Aber das Aufdecken der Fakten in der liberalen Presse hilft scheinbar wenig gegen die gezielte Verwirrungsarbeit, tägliche Lügerei und Verzerrungen in den rechten Medien.

Besorgte BeobachterInnen prognostizieren, dass die Republikaner 2018 noch mehr, statt weniger, Plätze im Kongress gewinnen könnten. Wie kann das sein? Wie ist es möglich, dass es Trumps Anhängern völlig egal ist, was der Mann sagt; in welche Richtung er auch immer schwenkt, sie folgen ihm; was er auch sagt, sie verteidigen ihn glühend. Und, noch erstaunlicher: Warum schadet die endlose Kette von Blamagen der gesamten republikanischen „Marke“ nicht?

Die US-Historikerin Laura Briggs hat vor kurzem ein Buch vorgelegt, in dem sie darlegt, wie es vor allem die jahrzehntelange Stigmatisierung von afro-amerikanischen und lateinamerikanischen, oft alleinerziehenden und ärmeren Frauen war, die den Abbau des Wohlfahrtsstaates für alle erreicht hat, inklusive der Zerstörung der Errungenschaften der Gerechtigkeitsbewegungen der 1970er Jahre. Das Buch heißt „How All Politics Became Reproductive Politics“ (Wie die gesamte Politik zur Reproduktionspolitik wurde). Das ist schwer zu übersetzen, aber wichtig zu verstehen. Denn es geht hier um die engen Zusammenhänge zwischen der immer weiter wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, der Verunsicherung der Mittelklasse – auch gerade der weißen – mit der neoliberalen Privatisierung von ­Care-Arbeit für Kinder, Alte und Kranke. Daran leiden fast alle im Land, außer den Superreichen, das führt zu tagtäglichem, zermürbendem Stress und Unmut.

Sexismus und Rassismus lenken die Wut gegen die Reichen um

Auf den Punkt gebracht: Dieses zugleich rassistische und sexistische Argumentationsmuster, abertausendmal wiederholt, lenkt die Wut um, die eigentlich gegen die Reichen, die noch mehr haben wollen, als sie sowieso schon haben, gerichtet werden sollte. Es ist ein uraltes Schema, das immer wieder wirksam ist: Trost und Kompensation für die Weißen, die ihren Status längst verloren haben.

Es ist dieser tägliche Frust, das schier endlos mobilisierbare Ressentiment, das abrufbar bleibt und sich ausdrückt in einer immer wieder neu kombinierbaren Mischung aus Antifeminismus, Rassismus und Hass auf die angebliche Hochnäsigkeit der Liberalen. „Sie halten euch für ein Pack von Deppen … sie halten euch für Trottel“, sagt Steve Bannon, ehemaliger Chefberater Trumps und jetzt wieder bei der rechtsextremen Breitbart News, auf einer Veranstaltung in ­Alabama. Sein Favorit – ein Pistole-­schwenkender, Schwullesbenhassender, die Zehn-Gebote-Vertretender Richter Roy Moore – gewann in den Vorwahlen gegen den von Trump eh nur widerstrebend unterstützten Establishment-Republikaner. Das wurde von manchen missverstanden als erneute Niederlage für Trump. Aber es ist schlimmer. Bannon demonstrierte mit diesem Erfolg, wie er und seine zahlreichen Mitstreiter auch in Zukunft noch rechtsrabiatere Anti-Establishment-Außenseiter als Trump lancieren kann.

Wie es weiter gehen wird mit Trump? Keiner weiß, was kommen wird. Besser wird es wahrscheinlich nicht ­werden.

Dagmar Herzog ist Professorin für Geschichte am Graduate Center der City University of New York.

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Unter Männern

Männer im Bundestag. In der Mitte der CDU-Abgeordnete Jens Spahn.
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Ein Jahr ist das jetzt her und sie hassen Hillary noch immer. „Halt die Fresse, Alte!“ oder „Verpiss dich endlich!“ liest man in Amazon-„Rezensionen“, die da auf die Seite von Clintons Wahl-­Memoiren „What Happened“ gekotzt wurden. Auch die Presse mag von der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin nichts mehr hören, drückt sich aber kultivierter aus.

Peter Winkler von der Neue Zürcher Zeitung nerven an „What happened“ die „Schuldzuweisungen einer Geschlagenen“. Stefan Kornelius (Süddeutsche) psychologisiert: „Am Ende ist sie auch an ihrer Persönlichkeit gescheitert.“ Und Stephan-Götz Richter vom Cicero urteilt über „die Uneinsichtige“: „In ihren Memoiren lehnt Hillary Clinton jede Verantwortung für die Niederlage gegen Donald Trump ab. (Sie) bleibt ihrer langjährigen, diva­haften Linie treu: Schuld sind immer die anderen.“ Nun finden sich zwar bereits beim flüchtigen Blättern Dutzende selbstzerfleischende Zitate („Ich Depp!“, „Meine Verantwortung“, „Meine Fehler verbrennen mich von innen“ usw.), aber vielleicht hat das englischsprachige Original den Cicero-Rezensenten auch einfach überfordert.

Ein Jahr ist das jetzt alles her – dieser hässlichste, ärgerlichste, bizarrste und traurigste US-Präsidentschaftswahlkampf aller Zeiten; diese Horrornacht, in der das orange-goldene Zeitalter Trumps begann und in der mir noch einmal so richtig klar wurde, wie fremd ich mich manchmal auch hierzulande fühle – als Mann. Denn bis heute habe ich zwar viele Geschlechtsgenossen getroffen, die Trumps Triumph schockierte. Aber so gut wie keinen, der bedauert hätte, dass Hillary verloren hat. Jedenfalls nicht so sehr wie ich.

Mit Donald Trump siegte das Sinnbild entfesselter, privilegierter, dauererigierter Männlichkeit. Ein Typus, der mich ankotzt, seit ich einigermaßen denken kann. Mit ihm siegte mein Sportlehrer von früher, der den Mädchen immer seine „Hilfestellung“ aufdrängte. Mit ihm gewann auch mein ehemaliger Mathelehrer, der im Unterricht von seinen Bordellbesuchen in Amsterdam, von den „Negerinnen im Schaufenster“ schwärmte. Oder der Vorgesetzte, der nach dem kritischen Konferenzbeitrag einer jungen Kollegin sagte: „Und nun werden wir mal wieder ernst!“ Oderoderoder.

Im schlimmsten Fall signalisiert ein „Präsident Trump“ (irgendwie lese ich das lieber in An- und Abführung) den größten Sieg im Krieg gegen die Frauen, der weltweit auf so vielen Ebenen tobt. Im günstigsten Fall bringt er jeden Mann dazu, sich endlich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen.

Es tut mir leid, aber ich muss noch einmal zurückkommen auf diese bittere Wahl, denn es wird, ein Jahr danach, immer wichtiger, dass sie nicht ein zweites Mal verloren geht. Geschichte wird von den Siegern ­geschrieben, heißt es, und die schreiben sie garantiert um. Denn natürlich hat Hillary Clinton die Wahl nicht verloren, weil sie „die falsche Kandidatin“ war. Es ist ja ohnehin niemals „die Richtige“, wenn es wirklich um etwas geht. Nicht bei der ameri­kanischen Präsidentschaft, nicht beim Vorstandsvorsitz, nicht für die Regie bei ­einem großen Film oder bei der Frage, wem man, besser: wem Mann das Kapital für ein Start-Up anvertraut, eine Chefredaktion oder den Chefarztjob.
Immer stört etwas an den Kandidatinnen: Zu laut oder zu leise, zu schlau oder zu doof, zu alt oder zu jung, zu unscheinbar oder zu schön, zu ehrgeizig oder zu weich, zu lustig oder zu öde, oder eben einfach: zu Frau.

Hillary Clinton hat die Wahl ihres ­Lebens am letzten Oktoberwochenende 2016 verloren. Zehn Tage vor der Abstimmung drängte plötzlich der längst abgeschlossene „E-Mail-Skandal“, der eigentlich nie einer war, wieder in die Schlagzeilen. FBI-Chef James B. Comey, ein Republikaner, hatte „mögliche neue Erkenntnisse“ angekündigt, die sich ein paar Tage später in Luft auflösen sollten. Aber da war es bereits zu spät.

Der amerikanische Starstatistiker Nate Silver kommt in einer Feinanalyse sämtlicher Umfragedaten zu dem Schluss, dass Comeys Attacke Hillary Clinton in Wechselwählerstaaten wie Pennsylvania, Wisconsin oder Michigan letztlich zwischen zwei und vier Prozentpunkte gekostet haben. Mindestens drei große Bundesstaaten mehr hätte Clinton also ohne den Comey-Skandal gewonnen und damit auch die Präsidentschaft. Nein, das ist keine Verschwörungstheorie. Das kann man nachlesen und nachrechnen. Hillary Clinton, die sich traut, in „What Happened“ darauf hinzuweisen, ist keine „schlechte Verliererin“, wie ihre Rezensenten schreiben, sondern eine Betrogene.

Sensationell, wie dieses perfide Manöver so schnell vergessen werden konnte, denn da passte einfach alles: Eine FBI-Einheit, in der, ganz zufällig, ehemalige Mitarbeiter des Trump-Wahlkämpfers Rudy Giuliani ihre Dienste leisteten, wollte ausgerechnet auf dem Laptop von Anthony Weiner, des notorischen Penisfotoversenders und Ex-Ehemanns von Clintons engster Mitarbeiterin und Freundin Huma Abedin, neue, belastende Mails gefunden haben. Im Rahmen einer Untersuchung wegen „Sextings mit einer 15-Jährigen“. Es gelang, die Kandidatin in der wichtigsten Phase des Wahlkampfes in eine „Breaking News“-Spirale zu verwickeln, in der pausenlos die Worte „Anthony Weiner“, „sexting“, „15-year old“ und „Clinton“ über die Monitore liefen, bis auch der letzten weißen Wechselwählerin, die eigentlich für Hillary stimmen wollte, Zweifel kamen.

Niemand sprach mehr über Donald J. Trump, den bekennenden „Pussy“grabscher, der als Veranstalter von „Miss Teen“-Wahlen regelmäßig in die Umkleidekabinen platzte, seine erste Ehefrau (laut deren Autobiografie) vergewaltigt hatte, die Brüste seiner Tochter lobte, live im Fernsehen mit seiner Penisgröße prahlte, TV-Moderatorinnen beschimpfte, sie hätten wohl ihre Tage, oder Hinweise auf (nicht existierende) Pornos einer ehemaligen Miss Universe twitterte.

Damit kommt man also durch. Und hier? Der „Präsident Trump“ geht den NachrichtensprecherInnen inzwischen so leicht von den Lippen wie der Übergang zum Wetter. Die Normalisierung des moralischen, geistigen und sehr realen Ausnahmezustandes, der die Präsidentschaft dieses fleischigen Vollidioten prägt, scheint gelungen. Aber die wichtige Frage bleibt: Wie viel Trump steckt eigentlich in diesem Land? Unter uns Männern? Wenn man sich so umhört und umschaut, spürt man überraschend viel von der Wut, die auch einen Trump ins Amt gespült hat – die Wut auf die Frau. „Der Faschismus ist vom Feminismus noch übertroffen worden mit seinem Menschenhass der diesmal auf Männer abzielt statt auf Juden“, schreibt da ohne Sinn und Komma ein „omegawood“ auf einer „Männerseite gegen feministische Hetze“. Und der Omegaholzkopf warnt: „Diesmal ist alles verdeckt und kommt still angeschlichen.“ Man könnte ganze Bibliotheken mit solchen fiebrigen Ausgeburten scheinunterdrückter Männlichkeit füllen. Das Internet wirkt wie ein Schutzraum und ein Brandbeschleuniger zugleich, schließlich müssen sich die Verfolgten ja irgendwie wehren, gegen die Frauen. „Man sollte dich köpfen!“ hatte einer dieser Wehrhaften, Internetname „Andreas Blodau“, der Grünenpolitikerin Renate Künast vor einiger Zeit ganz zwanglos auf Facebook vorgeschlagen. Eine „überzogene Kritik“ nannte das ein Staatsanwalt aus Berlin, der wegen einer solchen Lappalie kein ­Ermittlungsverfahren einleiten mochte.

Als sich vor den vergangenen Bundestagswahlen keine Grünenfrau fand, die als mögliche Spitzenkandidatin gegen Katrin Göring-Eckardt antreten mochte, hatte das auch mit der Unlust auf die Wutmännerjauche zu tun, die sich regelmäßig über politisch exponierte Frauen ergießt. Töten oder Ficken, andere Verwendungsmöglichkeiten für Frauen scheinen in der Wahnwelt beängstigend vieler Männer nicht vorgesehen. Es gibt wahrscheinlich keine Politikerin mit Facebook- oder Twitter-Account, der nicht schon mal ein echt eichendeutscher Mann eine Gruppenvergewaltigung nahegelegt hat.

Diese Denke ist auch in ihrer milderen Variante unerträglich. Im Spätsommer ­berichtete die Hamburger Bild-Zeitung über ein 17-jähriges Mädchen, das via Ebay einen Babysitter-Job suchte. Wenige Stunden, nachdem ihre Anzeige erschien, lagen bereits 37 ungelenk formulierte ­Angebote vor. Nicht eines davon ohne ­sexuellen Hintergrund.

Gerade wenn ich so etwas lese, frage ich mich, wann wir bitte endlich damit aufhören dürfen, die Welt auf Werbeplakaten mit den Augen von Donald Trump zu ­sehen: Halbnackte junge Mädchen, die für Fitnessstudios werben („Mit der Figur brauche ich kein Abitur“); Frauen­ärsche oder Brüste als Deko – die Körper ohne Kopf, denn den brauchen Frauen ja nicht. Außer für imaginierte Blowjobs ­natürlich.

Die Besessenheit, mit der auf Werbeplakaten Gegenstände in Frauenmünder hineingeschoben werden, hat beinahe schon etwas Tragikomisches. Vor allem, wenn man sich vorstellt, dass da wirklich mal Männer vor solchen Bildern stehen und sagen: Ja, das da ist es! Und am Abend reißen sie Witze über Donald Trump, weil der mal wieder einen Ländernamen vergisst.

Es ist kein Zufall, dass sich ausgerechnet eine liberale Medienfantasie wie Christian Lindner so vehement gegen das Verbot sexistischer Werbung ausgesprochen hat. Im Namen der „Freiheit“. Denn die wird ja bedroht, wenn wir aufhören, unsere Stadtlandschaften mit Frauen in demütigenden Posen „erotisch“ aufzuladen.

Ja, eine Prise Trump steckt auch in dem FDP-Mann, der als modern gilt, weil er sein Smartphone richtig herum halten kann, und der natürlich auch mitbekommen hat, dass sein Publikum immer dann besonders laut jubelt, wenn er Worte wie „Frauenquote“ ausspricht, als würde er dabei auf ein benutztes Tampon beißen. Es sind gerade die Smarten wie Lindner, die sich Welten entfernt wähnen von einem Primitivling wie Trump und doch im tiefsten Inneren gern auch mal so ticken wie der. Gerade dann, wenn ­ihnen die Weiber in die Quere kommen.

Claus Kleber zum Beispiel, Heute Journal-­Moderator, der neulich von ­Maria Furtwängler wissen wollte, ob sie „demnächst auch noch Benjamin Blümchen gendermainstreamen“ wolle. Törööö! Dabei hatte Furtwängler nur auf eine Studie verwiesen, nach der im deutschen Kinderfernsehen auf vier männ­liche gerade mal eine weibliche Haupt­figur kommt. Kann man sich ja mal fragen, ob das auch so bleiben muss, aber Kleber, als „Vater von zwei Töchtern“ sozusagen als Emanzipator geadelt, kriegte sich nicht mehr ein.

Und so lernte der ZDF-Zuschauer auch noch, dass Frauen „lieber Männerstimmen hören“ und „Hollywood“ ja wissen müsste, was es tut, wenn es Frauen im Kino eher Nebenrollen spielen lässt. „Die wollen schließlich Geld verdienen.“ Eine Woche nach diesen Kleberigkeiten kam übrigens „Girls Trip“ in die US-Kinos, eine Komödie mit vier schwarzen HauptdarstellerINNEN, die mit 132 Millionen Dollar sieben Mal mehr einspielte, als sie gekostet hat.

Eigentlich dachte ich ja immer, es gäbe noch furchtbar viel zu tun im Kampf um die Gleichberechtigung. Im ganz Großen wie im vermeintlich Kleinen, etwa bei der Hausarbeit. Dass beim immer noch vorherrschenden Familienmodell aus der ­Nazizeit Mutti weniger für Geld arbeitet und dafür lieber für umsonst, also putzt, kocht und die Kinder hütet, während Papi verdient, das mag ja noch unter „Aufgabenverteilung“ fallen. Aber dass die Frau auch dann 30 Prozent mehr im Haushalt macht, wenn beide gleich viel im Job ­arbeiten, entlarvt den deutschen Mann.

„Der sieht das einfach nicht“, habe ich mal von einer erfolgreichen Unternehmensberaterin gehört, die abends „noch schnell den ­Abwasch“ macht, während ihr Mann auf der Couch sein Smart­phone studiert. Er würde ja gern auch mal die Spül- oder Waschmaschine bedienen, aber er, der so eindrucksvolle Filme mit seiner hochkomplexen neuen Kamera­drohne dreht, „kapiert einfach nicht, wie das geht“. Vielleicht ein Trost – der neue US-Präsident kann das auch nicht.

Zwei von drei deutschen Männern denken laut einer Umfrage, dass es nun auch mal gut sei mit der Emanzipation, mit Quotenregeln, Anti-Sexismus und diesem ganzen Scheiß. Schließlich sei die Gleichstellung längst erreicht. Von 676 Vorstandsmitgliedern der 160 an der Frank­furter Börse gehandelten Unternehmen sind nur 46 Frauen, also nicht mal sieben Prozent. Frauen haben aber nicht nur immer noch eher wenig zu ­sagen, wo es was zu sagen gibt, sie bekommen auch weniger Geld für ihre Arbeit. ­Minus 27 Prozent in der Summe ihres Lebens, hat die Online-­Jobbörse „Stepstone“ gerade erst in einer großen Studie herausbekommen. Sechs Prozent weniger bei exakt gleicher Tätigkeit, steht im Gleichstellungsbericht des Bundesfamilienministeriums.

Frauen „dränge“ es nun mal in die ­Berufe, die schlechter bezahlt werden, heißt es immer wieder. Mir hat noch niemand erklären können, warum ein Müllmann, der voll geschissene Windeln in seinem Laster herumfährt, 1.000 Euro mehr im Monat „verdient“ als die Kita-Erzieherin, die am Tag zehn von diesen Windeln in die Tonne wirft. Aber, so ZDF-Moderator Claus-Benjamin Kleber-Blümchen, der übrigens angeblich doppelt so viel kassiert wie seine Kollegin Marietta Slomka: „Im Leben bekommt man nicht, was man verdient, man bekommt, was man aushandelt!“ Aushandeln, das macht Herr Kleber natürlich mit dem Herrn Intendanten persönlich. Ganz unter Männern spricht sich über sowas eben leichter.

Ein Jahr ist das jetzt her, dass Donald Trumps Siegergesicht über die Bildschirme flackerte. Seitdem lassen wir uns das ­Märchen gefallen, Hillary Clinton hätte die Wahl verloren, weil sie die Kandidatin war, „die keiner will“ (Die Zeit). „Eine Frau mit zu viel Verstand“ (Süddeutsche), die „versucht, menschlich zu wirken“ (Stern), „vorgibt, eine Frau zu sein“ (Süddeutsche), aber „an ihrer größten Schwäche“ scheitert: „Ihrem eigenen Ehrgeiz“ (Cicero).

Wir lassen uns solchen Dreck einreden, der gegen alle weiblichen Ambitionen gerichtet ist, und auch, dass wir keine Quoten brauchen, weil das Geschlecht etwa beim Führen eines Unternehmens nun wirklich keine Rolle mehr spielen sollte. So lange es weiter männlich bleibt. Wir lassen zu, dass Frauenkörper nicht den Frauen ­gehören, sondern jenen, die sie ausstellen, benutzen und bewerten dürfen, weil sie die Macht dazu ­haben. Wir erlauben widerliche Pöbeleien im Netz, selbst Morddrohungen, weil wir nicht kapieren, dass da ein Kampf tobt, der unseren Frauen, unseren Freundinnen, Kolleginnen, Müttern und Töchtern generell den Mund verbieten will. Und Hillary Clinton sowieso.
Wir stehen da wie die Trump-el.

Fred Grimm

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