Warnung vor der Quote

Illustration: Eva Schwingenheuer
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Mitten im Sommerloch war als kleine Randnotiz im Wirtschaftsteil der Zeitungen zu lesen, dass die Deutsche Telekom die Beförderung von Anastassia Lauterbach zur Produkt- und Innovationschefin wieder rückgängig macht. „Kommissarisch“ sei diese im April 2010 erfolgte Berufung gewesen. Ab 1. November übernahm ein Mann. Lauterbach wird künftig für die Beteiligungsgesellschaft T-Ventures zuständig sein. Unter normalen Umständen wäre eine solche Meldung unauffällig. Wäre da nicht der Arbeitgeber Anastassia Lauterbachs.

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Die Deutsche Telekom hatte Mitte März 2010 vollmundig verkündet, bis 2015 etwa 30 Prozent aller Positionen im mittleren und oberen Management mit Frauen zu besetzen. Nicht nur war die Deutsche Telekom damit das erste Dax-30-Unternehmen überhaupt, das die Quote einführte, es war dies ganz allgemein eine für die deutsche Wirtschaft unerhörte Begebenheit. Lauterbachs schneller Aufstieg war ein deutlich gesetztes Zeichen, denn hier ging es um ein wichtiges Ressort aus dem harten, technischen Bereich des Unternehmens und nicht um eine typische Frauendomäne wie Personal oder Kommunikation. Laut einer Untersuchung der Managementberatung Kienbaum (aus dem Jahr 2008) sind Frauen in Spitzenpositionen mit technischer Qualifikation so gut wie nie vertreten.

„Mehr Frauen in Führungspositionen ist kein Diktat einer falsch verstandenen Gleichmacherei. Es ist ein Gebot der gesellschaftlichen Fairness und vor allem eine handfeste Notwendigkeit für unseren Erfolg. Mit mehr Frauen an der Spitze werden wir einfach besser“, ließ sich der Chef der Deutschen Telekom René Obermann zur Einführung der Quote vernehmen. Das hört sich erst einmal toll an, und man will Obermann sofort Beifall zollen, aber die Argumentation ist von vorne bis hinten schief und auch noch in sich verkehrt.

Natürlich ist „mehr Frauen in Führungspositionen“ kein Diktat, denn sonst hätte es hierzulande schon längst einer diktiert. Die Begrifflichkeit der „falsch verstandenen Gleichmacherei“ wertet die ganze Aktion sofort wieder ab, denn ewig grüßt das Unbewusste. Warum konnte Obermann nicht von „Gleichberechtigung“ sprechen? Diese wäre ohne weiteres eine gute Sache und könnte nicht wirklich „falsch verstanden“ werden. Oder doch?

Und von wem wird hier eigentlich etwas „falsch verstanden“? Je länger man diesen Satz anguckt, desto schärfer guckt er zurück. Dann das „Gebot der gesellschaftlichen Fairness“. Klingt gut, aber was soll das heißen? Das Fair Play wurde im Sport erfunden, um Achtung vor dem Gegner zu zeigen. Nur wer ist hier wessen Gegner?

Es kommt aber schlimmer, denn jetzt ist die Quote auch noch eine „handfeste Notwendigkeit für unseren Erfolg“. So schnell kommt man von einem gesellschaftlichen Auftrag zum eigentlichen Kern der Sache: dem Betriebsergebnis. Das ist vollkommen in Ordnung, denn schließlich ist die Telekom ein börsennotiertes Unternehmen und kein Ponyhof. Warum jedoch, so fragt man sich sofort, wenn doch diese „Notwendigkeit“ so „handfest“ ist (Wieso eigentlich handfest? Weshalb nicht zwingend oder dringlich oder sinnfällig?) – warum also fällt der Telekom das jetzt erst ein und nicht schon Jahre vorher? Welche Riesenschlamassel hätte sie sich in der Vergangenheit ersparen können und die Not bereits früher wenden? Und mit welch simplen Mitteln!

Und zu guter Letzt: „Mit mehr Frauen an der Spitze werden wir einfach besser.“ Wäre dieser Satz nicht viel stärker – und glaubwürdiger – wenn Obermann das „einfach“ weggelassen hätte? So klingt es doch, als ob er sich heimlich für seine Idee schämt.

Tut er vermutlich auch, denn jetzt sind wir wieder bei Anastassia Lauterbach angekommen, die ihren beachtlichen Karriereschritt nach nicht einmal sechs Monaten wieder rückwärts gehen muss. Hat man sie vorschnell befördert? War das alles nur ein Mediencoup? Natürlich schaut jetzt jeder ganz genau hin. Aha, die Quotentussi hat’s doch nicht gebracht. Jetzt kommt ein Mann und zeigt mal, wo’s langgeht, höhö. Es ist doch so: Von Technik verstehen Männer einfach mehr. Denen liegt das im Blut. Die war ja ohnehin zu jung / zu blond / zu hübsch.

Dass Frauen in Führungspositionen plötzlich unter spezieller Beobachtung stehen, ist nur ein Grund, warum ich entschieden gegen die Quote in der Wirtschaft bin. Dieser Grund ist jedoch auf denselben Nenner zu bringen wie all die anderen: Die Quote löst das Problem nicht, sondern sie verschärft es. Was aber ist genau das Problem, das die Quote zu lösen versucht? Schauen wir doch, was eine sagt, die es wissen muss, nämlich die zuständige Bundesministerin: „Frauen haben längst die Arbeitswelt erobert. Aber dort, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden, bleiben die Männer immer noch unter sich. Doch Unternehmen können es sich gar nicht mehr leisten, in den Führungsetagen auf die Kompetenz von Frauen zu verzichten. Deswegen freue ich mich, dass ein Unternehmen wie die Telekom hier mit gutem – freiwilligem – Beispiel vorangeht. Eine gesetzlich verordnete Quotenregelung für Frauen in Aufsichtsräten kann nur Ultima Ratio sein. Die nötigen Veränderungen erreichen wir nur mit Unterstützung der Wirtschaft und nicht gegen sie.“

Schön an diesem Statement von Kristina Schröder ist, dass es nicht so viele Freudsche Stolpersteine aufweist wie Obermanns Erklärung. Frau Schröder schämt sich für nichts, sondern freut sich aufrichtig, wenn auch am meisten  darüber, dass „die Wirtschaft“ die Initiative ergriffen hat, wo der Politik seit Jahren nichts einfällt.

Die 33-jährige Frauenministerin hat klar erkannt, dass „Männer immer noch unter sich“ bleiben, „wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden“. Das ist jedoch kein Naturgesetz, sondern selbstverständlich Absicht. Männer haben das Unter-sich-bleiben nicht nur erfunden, sondern in den letzten paar Tausend Jahren erfolgreich praktiziert – vom Jagen in Horden bis zum Gremienbeschluss im Konferenzraum. Frauen haben dabei abwechselnd zugesehen oder weggesehen, aber noch nie mitgespielt. Und so erklärt es sich, dass wir noch immer eine Frauenquote im Topmanagement von um die fünf Prozent haben.

Frauen bekommen zudem im Durchschnitt 20 Prozent weniger Gehalt als ihre Kollegen. Das dürfte wiederum den Telekom-Chef freuen, da sich solche Gehaltseinsparungen – von denen es wegen der Quote bei der Telekom Jahr für Jahr mehr geben wird – positiv aufs Betriebsergebnis auswirken. Nebenbei wird durch Schröders Statement aber auch klar, wer der Feind der Frauen ist. Bei Obermanns Worten vom „Gebot der gesellschaftlichen Fairness“ rätselten wir darüber noch, jetzt wissen wir es: Es ist die Wirtschaft. Und „gegen sie“ erreichen wir gar nichts. Damit sind wir zwar beim Problem angelangt, aber noch nicht in seinem finsteren Kern.

Es gibt da nämlich etwas, das das Vorankommen von Frauen stärker behindert als alles andere. Etwas, das jede Frau, die in einem Unternehmen in leitender Funktion arbeitet, täglich am eigenen Leib erfährt: Es gibt den Klub. „Eine unbekannte Psychodynamik“ hat der seit Jahrzehnten tätige Managementberater und erfolgreiche Autor Reinhard K. Sprenger den Klub genannt,: „eine Kampfgemeinschaft solidarischer Brüder“.

„Das Besondere an unserem Klub“, so Sprenger „ist nämlich, dass wir gar nichts von unserer Mitgliedschaft wissen. Es wurde kein Schwur abgelegt, es gab kein Aufnahmeritual, kein Mitgliedsbuch existiert, keine Mitgliedsnummer, nichts. Unser Mannsein reicht. Darüber hinaus gibt es nur eine Übereinkunft, ein heimliches Einverstandensein: Wir treten nicht mit Frauen in Konkurrenz! Deshalb kämpft der Klub nicht gegen Frauen, er lässt den Wettbewerb einfach ausfallen! In den Augen des Klubs sind Frauen nämlich vor allem eins: anders.“

Freilich ist das ein Tabu, und so schonungslos wie Sprenger hat sich auch noch keiner getraut, es auf den Punkt zu bringen. Wie das Old Boys’ Network funktioniert, wie man sich gegenseitig Posten zuschanzt und auch die größten Flaschen nicht fallen lässt aus dem einfachen Grund, weil sie Männer sind, das alles wurde hinlänglich beschrieben und ist bekannt.

Wie wichtig es deshalb ist, den Vorsprung der Männern von mehreren tausend Jahren im Schnelldurchlauf einzuholen, Frauennetzwerke zu gründen und als Frau in leitender Position anderen Frauen bewusst zu helfen, all dies wird immer wieder vollkommen zu recht diagnostiziert und eingefordert. Die „gläserne Decke“ wurde genau untersucht, das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Mann und Frau am Arbeitsplatz analysiert.

Aber bei all dem sind wir immer davon ausgegangen, dass Männer uns als Mitbewerber wahrnehmen und einfach nur mehr oder weniger schlecht mit uns umgehen können. Tatsächlich glauben wir in kühnen Momenten sogar, dass sie sich heimlich vor uns fürchten, weil sie begriffen haben, dass wir besser sind.

Sprenger stellt hingegen fest: Männer nehmen Frauen nicht als Konkurrentinnen wahr. Schlimmer noch: Die Frau als Konkurrentin eines Mannes ist „ein biologischer Irrtum“ und wird genauso unter „Unfall“ oder „Ausnahme“ verbucht wie ein Kalb mit zwei Köpfen.

Fachmann Sprenger: „Männliche Manager reden keineswegs schlecht über ihre weiblichen Kollegen, sie reden gar nicht über sie. Oft hat man den Eindruck, es gäbe keine einzige Frau im Management. Sollte doch mal eine Frau irrtümlich einem Mann vorgezogen werden, dann verdankt sie es nicht ihrer Leistung, sondern ihrem Anderssein. Deshalb erleiden wir Männer in diesem Fall auch keine Niederlage. Wir beugen uns schlicht einem Irrläufer der Evolution.“

So sieht es also aus. Eine Quote wird das schwerlich richten. Wir müssen viel fundamentaler an das Problem ran. Auch wenn es noch mehr wehtut als ohnehin schon.

Wenn Reinhard Sprenger diese Thesen im Rahmen seiner gut besuchten Veranstaltungen so vorträgt, regen sich die wenigen anwesenden Frauen immer furchtbar auf, so als hätte er das Problem nicht bloß analysiert, sondern schamanenartig heraufbeschworen. Dann steht es hässlich im Raum und will nicht mehr weggehen. Während die Frauen schäumen, schauen die Männer betreten auf ihre Schuhspitzen. Sprenger spricht offen etwas aus, was andere gerne irgendwohin delegieren: nämlich an die Politik, die Wirtschaft, die Gesellschaft – was immer das in diesem Fall sein mag.

Dabei gehört das Thema in die Köpfe der Individuen, also in jedes Büro, an jeden Abendbrottisch, in jedes gesellige Beisammensein. Überall dorthin, wo Männer innerhalb und außerhalb ihres beruflichen Kontexts auf Frauen treffen. Vor allem überall dorthin, wo sie Frauen als ebenbürtig wahrnehmen und nicht als subaltern. Vermutlich bewirkt die eigene Freundin, Ehefrau, Tochter, Vorgesetzte und enge Kollegin noch das meiste im Kopf eines Mannes. Weniger Einfluss dürfte hingegen die Kellnerin, Friseurin, Arzthelferin haben, aber wer weiß? Besser wir lassen nichts unversucht.

Wo Männer umdenken müssen, bedeutet das für uns Frauen ebenfalls Arbeit. Der erste Schritt wäre, das eigene Denken zu überprüfen. Gucken wir heimlich neidisch oder sogar misstrauisch auf Frauen in Führungspositionen? Ertappen wir uns dabei, dass wir denken, dass die Ärmste sicher sonst nichts im Leben hat (Mann, Kinder, Sex)? Oder – wenn sie auffallend attraktiv ist – ganz sicher nicht wegen ihrer Qualifikation auf diesem Posten gelandet ist? Warten wir nur darauf, bis eine erfolgreiche Frau unglücklich ist, einen Fehler macht oder gar scheitert? Sind wir womöglich schadenfroh, wenn sie bei der nächsten Beförderung übergangen wird? Oder ihre Kinder in der Schule immer schlechter werden? Oder ihr der Mann davonläuft? Was musste sie auch eine sogenannte Karriere machen wollen? Das hat sie nun davon.

Solange solche Gedanken in unseren Köpfen unterwegs sind, wird sich gar nichts ändern! Keine Quote kann etwas bewirken, wenn wir nicht zuerst umdenken. Wir alle. Männer und Frauen. Jede Frau, die befördert wird, nachdem ihr Unternehmen die Quote eingeführt hat, steht doch unter dem Generalverdacht, dass dies mit ihrer tatsächlichen Qualifikation oder Leistung gar nicht so viel zu tun hat. Um zu zeigen, dass sie nicht nur das Ergebnis einer prozentualen Pflichterfüllung ist, muss sie nach Antritt ihrer Stelle also noch mehr beweisen, dass sie etwas kann, als sie dies unter normalen Umständen müsste. Sie wird doppelt so kritisch beäugt werden. Einfache Fehler werden unverzeihliche Vergehen.

Das Ergebnis wird sein, dass sie – um nicht zu scheitern – doppelt so gut sein muss als unter normalen Bedingungen. Und dreimal so gut wie jeder Mann. So oder so kann sie eigentlich kaum bestehen. Siehe Anastassia Lauterbach. Wir wissen nicht, ob der Mann, der nun kommt, es besser macht als sie. Aber wir nehmen sie als gescheitert wahr.

Und was genau ist jetzt gewonnen? Es spitzt sich also genau das zu, was Sprenger als das Anderssein der Frauen diagnostiziert hat. Frauen werden mit der Quote nicht gleicher – sie werden noch mehr anders. Und das auch noch mit erhöhter Sichtbarkeit.

Der miserable Frauenanteil im mittleren und im Topmanagement hat seine Ursachen in einem Backlash, dessen Dimensionen wir noch nicht begriffen haben. Frauen werden im Job selten oder gar nicht mehr offen diskriminiert. Längst sind wir nicht mehr diejenigen, die man zum Kaffeekochen schickt. Stattdessen schreiben wir jetzt fleißig Protokoll und bleiben bestenfalls im Mittelfeld hängen bzw. stecken in der Teilzeitfalle oder der Mutterfalle fest.

Mehr und mehr Frauen entschließen sich zudem, ihren Berufsweg eher im seitlich gerichteten Krebsgang zu beschreiten als eine Karriere von unten nach oben zu durchlaufen. Ob ein solcher Entschluss wirklich das eigene Lebensglück steigert, bleibt zu diskutieren. Aber es ist klar, dass hier eine Quote nichts bringt, da eine gehobene Position gar nicht angestrebt wird.

Es bleibt also zu befürchten, dass die Telekom und andere Unternehmen, die es ihr nachtun, nach ein paar Jahren das Fazit ziehen: Wir haben es den Frauen angeboten – und nun wollen sie nicht! Alles hätten sie haben können, und was haben sie daraus gemacht? Nichts! So fragte schon vor Jahren Klaus Bresser, damals Chefredakteur des ZDF: „Seit ich zu den Entscheidern gehöre, gucke ich mich immer um: Wo bleiben die Frauen, die unsere Jobs wollen?“

„Chef wird nur, wer immer da ist“, konstatierte Melanie Amann neulich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und beschrieb, wie zwar mehr und mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen, ihr Arbeitspensum aber nicht steigt, weil derzeit 52 Prozent von ihnen in Teilzeit arbeiten. Das heißt der steigende Frauenanteil in der deutschen Wirtschaft macht keinen Unterschied. Frauen wollen „ein bisschen Arbeit, ein bisschen Familie“, so Amann. Noch immer ist es hierzulande so gut wie unmöglich, ein paar Kinder großzuziehen und gleichzeitig eine nennenswerte Karriere zu machen.

Der gesellschaftliche Kontext bestimmt den individuellen Lebensentwurf von Frauen stärker als deren eigene Wünsche und Sehnsüchte. Was sich die meisten Frauen wünschen, ist „ein bisschen von beidem“. „Alles wollen“, also Kinder und Karriere gilt nicht als legitimer Anspruch, sondern als Maßlosigkeit oder Utopie.

Dabei hat das „Institut für Wirtschaftsforschung“ 2009 festgestellt, dass Mütter auf Vollzeitstellen zufriedener sind als Mütter auf Teilzeitstellen. Deren Frustpotenzial ist deutlich höher, da Teilzeit Unzufriedenheit mit sich bringt. Die Unzufriedenheit wiederum ist das Ergebnis von weniger Gehalt und weniger Verantwortung, weil die interessanten, anspruchsvollen Aufgaben an die Vollzeitkollegen gehen. Eine Managerin, die in Teilzeit ihre Mitarbeiter verantwortungsvoll führt ist offenbar schon deshalb schwer vorstellbar, weil sie viele Stunden des Tages nicht im Unternehmen präsent ist. Aber warum sollte das nicht möglich sein?

„Teilzeit bleibt eine Karrierefalle“, sagt auch Corinna Kleinert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Große und wichtige Projekte gehen an die Vollzeitkräfte und an all diejenigen, die nicht um eine bestimmte Uhrzeit nach Hause müssen. Das sind in der Mehrzahl Männer. Aber Karrieren sind meist ohnehin nicht Teil der weiblichen Lebensplanung. Falls doch, dann machen einem von der Familie über die Freunde bis zum Finanzamt und den Hollywood-Romanzen laufend alle klar, dass man mit einem solchen Lebensziel ganz sicher nicht glücklich wird. Damit sind wir wieder bei einem Frauenbild aus den 1960er Jahren angekommen und leben freiwillig nach Maßgaben, als hätten die letzten paar Jahrzehnte nicht stattgefunden. Wer das nicht glauben mag, der sollte einige Folgen der in den 1960er Jahren in den USA spielenden Serie Mad Men anschauen und sich überlegen, woran ihn das erinnert.

Aber auch unser Bild von der Arbeitswelt ist aus der Mottenkiste der alten Bundesrepublik. „Egal auf welcher Ebene Sie Chef sind, das ist nie ein Halbtagsjob“, vermeldet Christine Stimpel, Headhunter bei Heidrick & Struggles. Aber wer sagt denn, dass sich eine Führungskraft durch Präsenz legitimieren muss? Doch nur die, die durch Dauerpräsenz dies zur Regel machen, also die Herren jenseits der Fünfzig, die auf den gut bezahlten Posten sitzen: die Mitglieder des Klubs. Als ob das Plattsitzen des eigenen Hinterns auf einem Chefsessel schon etwas über Kompetenz, Performance, Führungsqualitäten aussagen würde.

Frauen, die in Teilzeit arbeiten und Ergebnisse abliefern müssen, sind meistens hervorragend organisiert. Mütter sind die besten Multi-Tasker, die man sich vorstellen kann. Sie arbeiten hochkonzentriert und äußerst effizient in einer Art no-nonsense-Modus. Streng genommen haben sie für mehrere Anläufe oder gar fürs Scheitern keine Zeit. Sie müssten nur noch Delegieren lernen, ihren Perfektionismus ablegen und mehr Selbstbewusstsein entwickeln, dann wären die meisten von ihnen ganz hervorragende Führungspersönlichkeiten. Ohne diese wichtigen Zusätze bringt die ganze Effizienz aber nur Bienchen im Fleißkärtchen, die Frauen aber keinen Schritt weiter.

Da hilft es auch nicht, wenn Die Zeit „Die Methode Frau“ ausgerufen hat und verkündet: „Die Arbeitswelt wird weiblicher – das nützt auch den Männern.“ Klar nützt es den Männern, wenn künftig noch mehre schlecht bezahlte Deppen sie bei der täglichen Arbeit unterstützen oder sich dekorativ an ihre Seite stellen. Aufs Betriebsergebnis dürfte sich das positiv auswirken, aufs Betriebsklima auch.

Die Arbeitswelt werden die Frauen mit ihren „eigenen Vorstellungen von einem glücklichen Berufsleben“ herausfordern, verspricht uns Die Zeit. Ich bezweifle das. Die paar Frauen, die das tatsächlich versuchen, werden auf Unverständnis stoßen und erneut und verstärkt wieder nur für ihr Anderssein wahrgenommen werden. So funktioniert nun mal der Klub. Die „Revolution“, die uns das liberale Blatt aus Hamburg verspricht ist, in Wirklichkeit gar keine, sondern die übliche unbefriedigende Gemengelage aus Berufen, die für Frauen wirklich eine Menge Möglichkeiten lassen (z.B. Juristin im Staatsdienst), Teilzeitszenarien und freiwilligem Karriereverzicht, den man sich als Selbstverwirklichung schönredet.

Selbstverständlich darf hier auch die Diagnose nicht fehlen, dass Männer mit ihren Herzinfarkten und Burn-out-Syndromen als Vorbilder für Wirtschaft und Gesellschaft ausgedient haben. Dennoch werden sie weiterhin die Karrieren machen, die großen Gehälter bekommen und die Verantwortung übernehmen. Weswegen Die Zeit zu dem nebulösen Fazit kommt, dass „etwas in Bewegung ist“, das Ergebnis aber „schwer zu prognostizieren“ sei. Also unter „Revolution“ hatte ich mir dann doch etwas anderes vorgestellt.

Und eine Frau in Anzug und Krawatte, die ihren hochschwangeren Bauch entblößt – so das Fotomotiv, mit dem die Zeit für ihren Beitrag wirbt –, wird ganz sicher außer Ablehnung nichts herausfordern. Zumal man sich fragt, warum sie in ihrem Zustand  überhaupt zur Arbeit gekommen ist, ob sie auf ihrem Blackberry die nächste Entbindungsklinik googelt - und ob sie wegen der Umsatzzahlen so strahlt oder vielleicht doch bloß aufgrund hormoneller Überflutung.

Tatsächlich brauchen wir doch etwas ganz anderes: Nämlich andere Lebensentwürfe, die es Frauen erlauben, individuelle Karrieren zu verfolgen, ohne dass sie auf etwas verzichten müssen. Die es ermöglichen, dass eine Frau mit zwei, drei Kindern ohne gesellschaftliche Ächtung Vollzeit arbeiten kann, wenn sie das will. Ein Arbeitsplatzszenario, das kein Stirnrunzeln auslöst, wenn eine Reihe männlicher Vollzeitmitarbeiter eine weibliche Chefin haben, die in Teilzeit arbeitet usw. usw.

Auf große gesellschaftliche Akzeptanz stieß die Telekom mit der Einführung der Frauenquote für Führungspositionen jedenfalls nicht. Nur 27 Prozent der Deutschen finden die Quote sinnvoll und lediglich 39 Prozent der Frauen in Deutschland haben sich dafür ausgesprochen. Mir tun schon jetzt die Frauen leid, die durch die Quote zu ihren Jobs kommen und dann vielleicht nur eine mittelmäßige Performance abliefern, so mittelmäßig wie mancher Karrieremann. Man wird sie sehr genau im Visier haben und schneller feuern als jeden Mann.

Die Autorin, 47, ist Programmleiterin des Campus Verlags in Frankfurt a.M.. Von ihr erschien u.a. das Buch „Mädchen für alles“ (2009).

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