Ist das dein Ernst, Amnesty?

Screenshots aus dem Clip von Amnesty International.
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„Women have the right to chose what to wear. It’s simple“. So lautet der Claim des neuen Kampagnen-Clips von Amnesty International. „Frauen haben das Recht zu wählen, was sie anziehen. Es ist ganz einfach.“ Ganz so einfach scheint es dann eben doch nicht zu sein. Denn so geht es weiter: „Aber warum bestehen dann so viele Regierungen darauf, Frauen vorzuschreiben, was sie anziehen sollen und was nicht?“

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Wer meint, die Menschenrechtsorganisation benenne nun Länder wie Saudi-Arabien, Afghanistan oder den Iran, irrt. Vielmehr sehen wir jetzt eine Frau mit schwarzem Gesichtsschleier mit Augenschlitz - und Amnesty beklagt das „Verbot der Vollverschleierung in Frankreich und der Schweiz“.

Sodann zeigt der Clip die „Mädchen von der Revolutionsstraße“, die im Iran todesmutig dafür kämpfen, sich nicht verschleiern zu müssen. Und Amnesty fordert: „Governments stop telling women what to wear!“

Auf Twitter hagelt es jetzt Proteste: „Hijab, jilbab, niqab... are not clothes. They are islamist flags“, erklärt Userin SJR Jaouen. („Hijab, Jilbab, Nikab… sind keine Kleidung. Sie sind die Flagge der Islamisten.“) „I am very disapointed of you amnesty. You are not fighting for freedom but for women submission“, klagt Andrea A. („Ich bin sehr enttäuscht von dir, Amnesty. Du kämpfst nicht für die Freiheit, sondern für die Unterdrückung von Frauen.“)

Und Majid Oukacha schreibt: „La propagande moyenâgeuse d'Amnesty International, qui se plaint qu'en France les femmes ne puissent pas porter de burqas, est surréaliste.“ (Die „mittelalterliche Propaganda“ von Amnesty, „die sich darüber beklagt, dass Frauen in Frankreich keine Burka tragen dürfen, ist surreal.“)

Der ganz und gar reale Hintergrund der Aktion: Amnesty International geht nicht zum ersten Mal auf Kuschelkurs mit dem Scharia-Islam. Bereits 2010 hatte die damalige Leiterin der „Gender Unit“ von Amnesty, Gita Sahgal, schwere Vorwürfe gegen ihre eigene Organisation erhoben. Damals hatte AI für ihre Kampagne für die Schließung von Guantanamo ausgerechnet Moazzam Begg als Aushängeschild ausgewählt, einen bekennenden Anhänger der Taliban. „Mit Englands größtem Unterstützer der Taliban gemeinsam auf der Bühne zu stehen, ist ein großer Fehler“, erklärte Gita Sahgal. Kurz darauf wurde sie wegen „unüberbrückbarer Differenzen“ entlassen.

In Algerien wurden gleich drei ai-Mitglieder von ihren Posten entbunden, weil sie ebenfalls darüber geklagt hatten, dass die Menschenrechts-Organisation die Menschenrechtsverletzungen durch Islamisten nicht ernst nehme. In dem Land hatte der in den 1990er Jahren von den „Gotteskriegern“ angezettelte Bürgerkrieg über 200.000 Menschen das Leben gekostet.

Und jetzt also der Kampagnen-Clip, in dem islamistische Regime mit ihrem Verschleierungszwang in einem Atemzug angeklagt werden mit Demokratien, die mit ihren Verboten der demonstrativen Vollverschleierung den Kampf gegen den frauenfeindlichen Fundamentalismus aufgenommen haben. Gut, dass so viele Menschen diesen perfiden Trick durchschauen.

In der aktuellen Zeit schreibt Alice Schwarzer über genau dieses Probelm: Die Verwechslung von Islam, dem Glauben, und Islamismus, der Ideologie – und die für die Islamisten zentrale Funktion der Verschleierung.

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Skandal: Amnesty und die Fundis

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Sie war die Erste. Aber sie ist nicht die Einzige geblieben. Was Gita Sahgal im Februar 2010 mit ihrem Protest gegen amnesty international losgetreten hat, ist nichts weniger als ein Grundsatzstreit über die Frage: Wie halten es die Menschenrechts-Organisationen mit den Frauenrechten?

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Es war am 7. Februar 2010, als die Sunday Times einen aufsehenerregenden Artikel druckte: Darin erhob Gita Sahgal, Leiterin der „Gender Unit“ von amnesty international, schwere Vorwürfe gegen ihre eigene Organisation.

Die hatte als Aushängeschild ihrer Kampagne für die Schließung von Guantanamo den Ex-Häftling Moazzam Begg ausgewählt. Der in England aufgewachsene Pakistaner hatte sich in Al Quaida-Traingscamps ausbilden lassen, die Taliban hatte er als „das Beste“ bezeichnet, „was Afghanistan in den letzten 20 Jahren passiert ist“. Jetzt sitzt Begg als Sprecher seiner Organisation „Cageprisoners“ im Rahmen der ai-Kampagne auf den Podien der Welt.

Monatelang hatte die studierte Orientalistin Sahgal, die in Indien gegen Häusliche Gewalt gekämpft und in London Dokumentarfilme über Zwangsheirat gemacht hatte, in ihrer Organisation gegen den Islamisten als Protagonisten mobil gemacht. Ohne Erfolg.

Schließlich machte sie den Skandal öffentlich. „Mit Englands größtem Unterstützer der Taliban gemeinsam auf der Bühne zu stehen, ist ein großer Fehler“, schrieb sie. „Es war richtig, sich seine Erfahrungen als ehemaliger Häftling anzuhören. Aber es ist absolut falsch, ihn als Partner zu präsentieren.“ Das schade der Integrität von amnesty und, noch mehr: „Es schadet den Menschenrechten.“ Gita Sahgal wurde gefeuert. Begründung: „unüberbrückbare Differenzen“.

Es scheint, als würde die 1961 gegründete Organisation von ihrer eigenen Geschichte eingeholt. Rund 40 Jahre galten bei ai nur jene als „politisch Verfolgte“, die von Staats wegen verhaftet, gefoltert und hingerichtet wurden. Erst Irene Khan, die 2003 als erste Frau ai-Generalsekretärin wurde, rückte die „private“ Gewalt gegen Frauen in den Fokus. „Wo bleibt der politische Wille, der Gewalt gegen Frauen Einhalt zu gebieten?“, fragte die Muslimin und Tochter einer mit 15 zwangsverheirateten Mutter. Und postulierte: „Gewalt gegen Frauen ist niemals entschuldbar.“ Unter ihrer Ägide startete amnesty die „Stop Violence Against Women“-Kampagne. Leiterin: Gita Sahgal.

Ende 2009 verließ Khan die Organisation. Ihr Nachfolger Salil Shetty findet offenbar, dass Frauenhass doch entschuldbar ist. „Wir können nicht zu sortieren beginnen, welche politischen Häftlinge wir unterstützen und welche nicht“, erklärte er.

Der Fall Begg ist nicht der einzige: Wie der Guardian berichtet, sind drei Gründungsmitglieder von ai-Algerien von ihren Posten entbunden worden, weil sie ebenfalls darüber geklagt hatten, dass die Menschenrechts-Organisation die Menschenrechtsverletzungen durch Islamisten nicht ernst nehme. „Bei amnesty gibt es eine Opfer-Hierarchie: Fundamentalisten sind als staatlich Verfolgte privilegierte Opfer, während deren Opfer, überwiegend Frauen, in den ai-Berichten überhaupt nicht auftauchen“, kritisiert die algerische Feministin Marieme Helie Lucas.

In den USA kämpft gerade eine weitere Algerierin den gleichen Kampf: Karima Bennoune, Rechtsprofessorin und Mitglied im Kuratorium des Centre for Constitutional Rights (CCR), kann es nicht fassen, dass ihre Organisation die kostenlose Rechtsvertretung für Anwar al-Awlaki übernommen hat, den Islamisten, der zum Mord an Salman Rushdie und Molly Norris aufgerufen hat.

Die Cartoonistin aus Seattle hatte, aus Solidarität mit den von Islamisten bedrohten Machern der TV-Serie „Southpark“, zu einem „Everybody Draw Mohammed Day“ aufgerufen. Auf Anraten des FBI lebt sie jetzt im Untergrund. amnesty international, CCR und andere Menschenrechts-Organisationen müssen sich fragen lassen, ob die universellen Menschenrechte bei ihnen tatsächlich für alle Menschen gelten.
 

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