Offener Brief an Sven Lehmann

Stefanie Moers, Mutter einer 18-Jährigen, schreibt an den Queerbeauftragten Sven Lehmann. - Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Köhler
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Sehr geehrter Herr Lehmann,

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ich beziehe mich auf die Diskussion, die Frau Schwarzer dankenswerterweise medial angestoßen hat. Ich kann wieder einmal nur bewundern, was für ein Gespür Frau Schwarzer nach wie vor für gesellschaftlich relevante Themen hat. Sie spricht vielen Eltern aus der Seele und ganz sicher nicht „von außen“.

Als Mutter einer 18-jährigen Tochter kann ich ihre Thesen nur voll und ganz unterstützen. Dabei möchte ich betonen, dass ich politisch klar links stehe und seit vielen Jahren SPD-Mitglied bin. Mir liegen Diversität, Toleranz und die Akzeptanz für alle Arten von Anderssein mein Leben lang am Herzen und ich freue mich für jeden, der den für sich richtigen Lebensweg erkennt und sich traut, ihn einzuschlagen, um glücklich zu werden.

Aber was die sexuelle Neigung angeht, werden unsere Teenager tatsächlich inzwischen extrem verwirrt. Ich war sehr überrascht, als meine Tochter mir erzählt hat, mit welcher Leichtigkeit sich Mitschüler:innen von ihr in der Oberstufe inzwischen als pansexuell (ich musste erst einmal googlen, was das heißt), bisexuell, homosexuell und auch mehrere Schülerinnen als transsexuell bezeichnen. Bei dieser Gemengelage - wo den Kindern täglich auf Instagram & Co. vorgelebt wird, dass Anderssein mehr Klicks bringt und Aufmerksamkeit erzeugt - fragt sich das durchschnittlich heterosexuelle Kind inzwischen, ob mit ihm alles in Ordnung ist, ob es „anders“ ist.

Was die sexuelle Neigung angeht, werden unsere Teenager extrem verwirrt.

Eine Schülerin war mit einem Jungen zusammen, der sie küssen und auch weiter gehen wollte. Als ihr die Küsse keinen Spaß machten, sorgte sie sich ernsthaft, ob sie vielleicht „asexuell“ sei.

Diese ganzen Buchstaben LGBTQIA+ und nächstes Jahr vielleicht noch ein paar Buchstaben mehr bringen diese unsicheren und pubertierenden Kinder durcheinander. Wenn Küsse und sexuelle Berührungen keinen Spaß machen, könnte es einfach daran liegen, dass man den Richtigen noch nicht gefunden hat. Aber auf diese Idee kommen die Teenager gar nicht mehr.

Da wird bei der kompletten Informationsüberflutung unfassbar viel Unsicherheit erzeugt, die einer pubertierenden Entwicklung zuwiderläuft. Diese Kinder finden sich nicht, sie verlieren sich. Und sie brauchen sehr viel Begleitung und Unterstützung.

Deshalb ist es unerlässlich bei allen Plänen, die so tief in die persönliche und psychische Entwicklung des Kindes eingreifen, die Eltern niemals außen vor zu lassen. Die allermeisten Eltern lieben ihre Kinder, wollen das Beste für sie und kennen ihre Kinder besser als jeder Therapeut oder Lehrer. Das wird meiner Meinung nach in der heutigen Zeit auch immer mehr übersehen. Eltern sind nicht das Problem, sie sind immer noch in 90 Prozent aller Fälle die Lösung.

Die Unsicherheit ist groß. Die Kinder finden sich nicht, sie verlieren sich

Heute wahrscheinlich mehr als früher, weil es weniger Tabuthemen gibt, und wir wirklich über alles einfach und leicht mit unseren Kindern reden können. Als langjährige Medienkompetenztrainerin flehen mich die Eltern inzwischen an, ihre Kinder wieder zu erden, damit sie nicht mehr denken, es ginge im Leben nur um Schönheit, Anderssein und Villen mit Infinity Pool. Lassen Sie es in Ihrer Funktion als Queerbeauftragter der Bundesregierung deshalb bitte nicht zu, dass schon 14-Jährige in ihrer völlig unsicheren Lebenssituation, die noch dazu medial fehlgeleitet werden, solch tiefgreifende Entscheidungen ohne die Eltern treffen können.

Wir leben zum Glück in aufgeklärten Zeiten, die alle Möglichkeiten bieten. Dafür haben gerade meine und die vorherige Generation viel gekämpft. Wer sich also in seiner Haut unwohl fühlt, soll alle Unterstützung erhalten können, die er oder sie braucht. Das steht außer Frage. Aber wie so oft heutzutage gilt: Bitte vergessen Sie die Mehrheit nicht, die nicht diese außergewöhnlichen Lebensherausforderungen hat. Machen Sie bitte nicht nur Gesetze im Blick auf die, wie Frau Schwarzer zurecht schreibt, „extrem kleine Gruppe“ der Trans-Menschen, sondern denken Sie auch an die psychische und körperliche Gesundheit der durchschnittlichen Mehrheit und setzen Sie sich dafür ein.

Mit freundlichen Grüßen aus Pulheim
Stefanie Moers

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