„Versklavung der Frau!“

© H&M
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Möglicherweise ist den Machern der schwedischen Modekette H&M noch gar nicht klar, dass sie demnächst Ärger mit ihren Kundinnen bekommen könnten. Also mit denen, die so gar nicht begeistert sind über den H&M-Werbeclip, der „alle Regeln bricht“ (O-Ton, H&M).

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In diesem Werbevideo für die Recycling-Jeanskollektion „Close the Loop“ steht eines der Models lässig mit Kopftuch im Eingang eines Cafés. „Sei schick!“ rät eine sonore Männerstimme aus dem Off. Für H&M steht das Kopftuch in einer Reihe mit Regelbrüchen wie: „Trage nach sechs braune Schuhe!“ „Trage Gelb, wenn du blond bist!“ Oder: Sei so unangepasst wie der Punk-Legende Iggy Pop – und trage einfach mal „gar keine Unterwäsche“! 

Das Kopftuch ist für viele Frauen das Symbol der Unterdrückung

Das britische Kopftuch-Model Mariah Idrissi ist in dem Clip mit einer Länge von 1.30 Minuten nur zwei Sekunden zu sehen – aber das hat vielen gereicht. Denn nicht alle sehen darin „ein Fest religiöser Freiheit“ wie der Guardian. „Das islamische Kopftuch ist das Gegenteil von Freiheit“, erklärt die deutsche Muslimin Lale Agkün. „Der Hidschab ist in den Augen der orthodoxen Muslime kein Mode-Accessoire, sondern eine religiöse Pflicht“.

Aber die Modefirma in Schweden scheint noch nicht mitbekommen zu haben, dass in vielen Ländern das Kopftuch für Frauen kein Regelbruch ist, sondern ein Must, auf dessen Verstoß die Todesstrafe stehen kann. In solchen Ländern kämpfen Frauen einen erbitterten Kampf gegen den Kopftuchzwang. Das Kopftuch ist für sie das Symbol ihrer Unterdrückung.

Man nehme nur die tausenden Iranerinnen, die unter dem Hashtag „My Stealthy Freedom“ – Meine heimliche Freiheit – seit über einem Jahr Fotos auf Facebook posten, für die sie heimlich ihr Kopftuch lüften. Das ist ihr Regelbruch. Wie hip diese Frauen wohl die neue H&M-Kampagne finden?

„Und was kommt als nächstes? Die Burka? Mich hat H&M soeben als Kunden verloren“, verkündet ein Kommentar unter einem extrem wohlwollenden Interview mit dem Kopftuch-Model Mariah Idrissi auf SpiegelOnline. „Aufklärung? War gestern. Ich kaufe nicht mehr bei H&M. Und selbstverständlich respektiere ich nicht das Symbol für die Unterdrückung der Frau“, so ein Zweiter. Und: „Aus dem Artikel geht auch die politisch-gesellschaftliche Botschaft hervor, die mit einem Kopftuch verbunden ist“. Welche Botschaft also überbringt Mariah Idrissi?

Hätte H&M auch eine schrift-
gläubige Christin engagiert?

Die 23-jährige Britin mit Eltern aus Pakistan und Marokko ist streng gläubig. „Es ist eine Pflicht – für Männer wie Frauen – sich zu bedecken. Während Männer nur bestimmte Teile ihres Körpers bedecken sollten, reicht das Gebot für Frauen sehr viel weiter“, erklärt sie im Interview mit Spiegel Online. Und über ihren Job als muslimisches Model sagt sie: „Der gesamte Körper muss bedeckt sein, bis auf Gesicht und Hände. Auch der Nacken darf nicht zu sehen sein. Bei den Füßen gehen die Meinung auseinander, da kommt es auf die persönliche Einstellung an. Ich zeige sie nicht.“ Muslimische Frauen sollten sich auch von den Laufstegen dieser Welt fernhalten. Es sei denn, es handele sich um „reine Frauenveranstaltungen“.

Hätte H&M auch eine schriftgläubige Christin engagiert, die die Geschlechtertrennung und die komplette Verhüllung von Frauen aus religiösen Gründen fordert – hätte der Spiegel sich dann mit dem gleichen Eifer erkundigt wie nach dem „Bedarf für muslimische Mode“ und dem neuen „Markt, den H&M entdeckt hat“? Gewiss nicht. Denn (noch) ist der Markt für fundamentalistische Christinnen négligeable – der für fundamentalistische Musliminnen hingegen ein Millionengeschäft. Und das ist es, was zählt für H&M.

Ob es bei H&M demnächst auch Hidschabs zu kaufen gäbe, dazu möchte sich der Konzern mit 3.500 Geschäften in 57 Ländern bisher nicht äußern. Eine Sprecherin erklärte, H&M beziehe nie „religiös oder politisch Stellung“. Es gehe bei der Werbekampagne auch vielmehr „um den Bruch mit vermeintlichen Moderegeln.“

Der erste Bruch von H&M-Käuferinnen könnte sein, dass billige Klamotten nicht alles sind, sondern dass auch noch etwas anderes zählt. Und das durchaus auch für die Millionen Musliminnen in der Welt, die noch nie ein Kopftuch getragen haben. Und die wissen, warum.

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Ist die Kopftuch-Mutter repräsentativ?

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In der Tat, die Beschimpfungen drei Wochen nach Erscheinen des Heftes – und nach einem Posting über „Altehrwürdige Eltern mit Kopftuch-Cover“ auf dem Blog Politically Incorrect, sind erschreckend. Da schreiben „braune Wirrköpfe" (Lewicki): „Ihr Verbrecher gehört alle an die Wand gestellt! Der Islam gehört euch in euren Schädel geschlagen!“ oder „Euch Arschlöcher sollte man allesamt aus Deutschland mit dieser Kalifa Al Merkel nach Syrien ausfliegen.“ Die Telefonzentrale von Gruner & Jahr wird via Telefon mit arabischer Musik zugedröhnt und Chefredakteurin Lewicki wird als „Schande für das deutsche Volk“ beschimpft, die man „vergasen“ sollte.

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Das sind mehr als "braune Wirrköpfe",
das sind echte Rassisten!

Das klingt übel. Sehr übel. Und das sind mehr als „Wirrköpfe“, das sind echte Rassisten. Und dass das widerlich ist, ist selbstverständlich.

Nicht selbstverständlich aber ist, dass eine „muslimische Mutter“ so aussieht, wie Eltern sich das vorstellt. Eine große Studie des Innenministeriums hat vor Jahr und Tag ergeben, dass 70 Prozent aller Musliminnen in Deutschland KEIN Kopftuch tragen. Und dass sogar jede zweite Muslimin, die sich selbst als „streng religiös“ einstuft, noch nie ein Kopftuch getragen hat.

Muslimin = Kopftuchträgerin, diese Gleichung ist also keineswegs Realität – sondern ein Klischee. Ein Klischee, zu dessen Verbreitung die Medien eifrig beitragen.

Verschärfend hinzu kommt: Die sympathische junge Mutter auf dem Eltern-Cover trägt nicht irgendein Kopftuch, sie trägt das islamistische Kopftuch: Das Kopftuch, das jedes einzelne Haar sorgfältig verbirgt und zu dem ein körperverhüllendes Gewand gehört. Die Botschaft dieses Kopftuchs lautet: Die Frau an sich ist sündig. Sie muss ihre „Reize“ (wie Haare und Haut) penibel verhüllen – sonst werden Männer zu Tieren und stürzen sich auf sie.

Was übermittelt eine Mutter mit islamistischem Kopftuch?

Dieses Kopftuch ist also weniger ein religöses Gebot und eher eine ideologische Botschaft. Es ist nicht islamisch, sondern islamistisch. Der politisierte Islam hat nach dem Wieder-Aufbruch 1979 einen Siegeszug durch die Welt angetreten – bis hin nach Hamburg, wo man solche Titelbilder macht. Für diesen Islamismus steht die Scharia über dem Gesetz und die Frau unter dem Mann. 

Ob also die sich so inszenierende Mutter auch „das Beste für ihr Kind“ ist, wie das Eltern-Cover verheißt, ist zu bezweifeln. Denn eigentlich ist es wünschenswert, dass dieses Kind, diese Tochter, so frei und unbeschwert aufwächst, wie ihre deutschen Freundinnen – und nicht von klein an ein Frauenbild präsentiert bekommt, nach dem die Frau Sünde ist und sich zu verhüllen und unterzuordnen hat. 

Oder?

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