Trans-Gesetz: Widerspruch?

Das Kabinett wird am Mittwoch über das "Selbstbestimmungsgesetz" entscheiden. Haben sie das Gesetz zuende gedacht? - Foto: IMAGO
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Diese Regierung hat es nicht leicht. Ärger in der Welt und im eigenen Land. Auch mit geplanten Gesetzen liegt sie gerne daneben. Oder muss gewaltige Abstriche machen wg. Undurchführbarkeit, wie beim Heizungsgesetz. Das wird auch bei dem geplanten Transgesetz letztendlich der Fall sein. Denn auch da sind drei Kardinalfehler gemacht worden: Erstens ist die Bevölkerung nicht aufgeklärt worden. Zweitens sind die tiefgreifenden juris­tischen Folgen des Gesetzesvorhabens nicht zu Ende gedacht worden. Drittens hört die Regierung einseitig auf Lobbyisten, vor allem innerhalb des grünen Filzes.  

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Bei den lebensfernen Propagandisten der Transideologie – die postuliert, die Existenz zweier biologischer Geschlechter sei keine Realität – marschiert auf der Demo inzwischen sogar eine veritable Ministerin in der ersten Reihe mit: die grüne Frauenministerin Lisa Paus. Was das Ganze nicht besser macht.

Zunächst war die Verabschiedung des sogenannten „Selbstbestimmungsgesetzes“ noch „vor der Sommerpause 2022“ geplant. Dann im Herbst 2022. Dann zu Ende 2022. Ende April 2023 legten Justiz- und Frauenministerin dann einen Referentenentwurf vor. Der sollte noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Nun heißt es, der Entwurf solle am 6. Juli, also noch vor der Sommerpause, im Kabinett beschlossen werden. Ob der Gesetzentwurf dann auch noch in der letzten Sitzungwoche im Bundestag eingebracht werden könnte, ist fraglich. Wenn nicht, ginge danach, ab Anfang September, das Gerangel um das Gesetz in die „parlamentarische Phase“, also in die Ausschüsse. Dort werden dann hoffentlich viele kritische Fragen zu dem fatalen Gesetzentwurf gestellt werden.

 

Lisa Paus (links, unter dem roten Schirm): Ministerin oder Aktivistin? - Foto: Felix Zahn/photothek.net/IMAGO
Lisa Paus (links unter dem roten Schirm): Ministerin oder Aktivistin? - Foto: Felix Zahn/photothek.net/IMAGO

Justizminister Buschmann (FDP) kommt offensichtlich gerade erst darauf, was für ein faules Ei man ihm da ins Nest gelegt hat. Inzwischen haben auch JuristInnen erklärt, dass und warum das geplante Vorhaben gegen die Verfassung verstößt (EMMA 2/23). Die breite Kritik – von MedizinerInnen, Eltern, Feministinnen und von Transsexuellen selbst – brachte das Gesetzesvorhaben schließlich ins Wanken. Die lautstarke Debatte hat sich auf den vorliegenden Gesetzentwurf bereits leicht mäßigend ausgewirkt. 

Justizminister Buschmann scheint inzwischen verstanden zu haben, dass das biologische Geschlecht keine Fiktion ist, sondern Realität. Dennoch versucht der Entwurf nun die Quadratur des Kreises: Einerseits soll der Geschlechtseintrag beliebig änderbar sein, ist also das biologische Geschlecht angeblich irrelevant. Andererseits zählt es manchmal eben doch, zum Beispiel beim Sport, in der Medizin oder im sogenannten Verteidigungsfall.

Was also steht nun in dem jetzigen Gesetzentwurf? Mit einer einfachen Erklärung auf dem Standesamt soll künftig jeder Mensch seinen Geschlechtseintrag ändern können: von männlich zu weiblich und umgekehrt, zwei weitere Möglichkeiten sind „divers“ oder gar kein Geschlechtseintrag. Voraussetzungen? Keine.

„Die Person hat mit ihrer Erklärung zu versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag bzw. die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht“, heißt es in § 2. Nach einer dreimonatigen Frist soll der neue Geschlechtseintrag dann in Kraft treten, können sämtliche Dokumente geändert werden. Nach einem Jahr allerdings kann der neue „Geschlechtswechsel“ wieder rückgängig gemacht werden, das amtliche Geschlecht ist also jährlich immer wieder änderbar.

Jeder Mann kann sich einfach zur Frau erklären - ohne jede Voraussetzung.

Eine Altersgrenze für den Wechsel des Geschlechtseintrags gibt es de facto nicht. Laut Entwurf sollen Eltern für ihre Kinder unter 14 Jahren, sprich: ab Geburt, Vornamen und Geschlechtseintrag ändern können. Wohlgemerkt: Ohne jede medizinische bzw. psychologische Überprüfung.

Ab 14 sollen Jugendliche selbst die Erklärung vor dem Standesamt abgeben können. Sind die Sorgeberechtigten nicht einverstanden, können die Jugendlichen gegen ihre Eltern vor das Familien­gericht ziehen. In welche Richtung die Entscheidung des Gerichtes gehen soll, macht der Entwurf mehr als deutlich: Lehnen die Sorgeberechtigten den „Geschlechtswechsel“ ihrer Tochter bzw. ihres Sohnes ab, „so ersetzt das Familiengericht die Zustimmung“, heißt es im Entwurf. Auch für Kinder und Jugendliche ist nicht einmal eine Beratungspflicht vorgesehen.

"Transsexualität - Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?" (Kiwi) von Alice Schwarzer und Chantal Louis gibt es im EMMA-Shop.
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Gleichzeitig aber enthält der Entwurf gleich mehrere Ausnahmen, bei denen dann eben doch wieder das biologische Geschlecht zählt und nicht der Eintrag im Personenstandsregister. Zum Beispiel beim Sport. Beim Schulsport und bei Sporttests kann die Bewertung „unabhängig vom aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden“, also nach dem biologischen Geschlecht. Bei „Gesundheitsleistungen“ zählt ebenfalls das biologische Geschlecht. Transfrauen, also biolo­gische Männer, können zum Beispiel an der Prostatakrebs-Vorsorgeuntersuchung teilnehmen; Transmänner, die sich die Gebärmutter nicht ­haben entfernen lassen, an der Vorsorgeuntersuchung für Gebärmutterhalskrebs.

Und wie sieht es aus im Strafvollzug? Auch da ein (fauler) Kompromiss in Relation zu den früheren „Eckpunkten“ der beiden MinisterInnen (bei deren Vorstellung Frauenministerin Paus erklärt hatte, beim Thema Schutz von Frauenräumen sehe sie „keinen Erörterungsbedarf“). Bei einem Sexualstraftäter, der sich zur Frau erklärt, können „die Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Strafgefangener seiner Verlegung in ein Frauengefängnis gegebenenfalls entgegenstehen“, heißt es nun im Entwurf. Auch Frauenhäuser sollen von Fall zu Fall „autonom“ entscheiden können, ob sie einen biologischen Mann aufnehmen.

Der bärtige Mann durfte in der Frauensauna bleiben - er erklärte sich zur "Transfrau".

Doch wohlgemerkt: All das sind Kann-Regelungen. Entschieden werden soll immer im Einzelfall – von der jeweiligen Justizvollzugsanstalt, der jeweiligen Schule, dem jeweiligen Frauenhaus.

Frauenumkleiden, Frauenduschen, Frauensaunen? Ebenfalls eine „Einzelfallentscheidung“. Personen sollen „nach einer Änderung des Geschlechtseintrags nicht lediglich unter Berufung auf den Eintrag im Personenstandsregister zum Beispiel den Zugang zu geschlechtsspezifischen ­Toiletten oder Umkleideräumen verlangen“ können, heißt es nun im Referentenentwurf. Will heißen: Ein biologischer Mann mit dem Personenstand „weiblich“ kann aus einer Frauenumkleide oder einer Frauendusche verwiesen werden. Das ist immerhin eine Anerkennung des Problems, eine Lösung ist es nicht. Zumal es gleichzeitig heißt: Die „Zutrittsverweigerung“ dürfe nicht „pauschal auf die Geschlechtsidentität gestützt werden“. Ja, was denn nun? Zudem wälzt man die Entscheidung ab: auf den einzelnen Bademeister, das Fitness-Studio, die Sauna-Betreiberin. Und natürlich auf die ­betroffenen Frauen.

Wie das ablaufen kann, zeigt der Fall, der sich Ende Mai im Wiener Tröpferlbad zugetragen hat. In der Frauensauna des Bades war ein Mann mit schwarzem Vollbart und Penis aufgetaucht. Die Besucherinnen holten den Bademeister, der den Mann der Sauna verwies – bis dieser erklärte, eine „Transfrau“ zu sein. Ach so. Der Mensch mit Bart und Penis durfte bleiben. Warum? Das „im Personal­dokument angeführte Geschlecht ist maßgeblich“, erklärte ein Bäder-Sprecher. Dieser Mann in der Frauensauna entpuppte sich schließlich als Provokateur: Bijan Tavassoli, Mitglied der Linken in Hamburg, hatte offenbar vorführen wollen, wie leicht es künftig für Männer sein wird, in Frauenräume vorzudringen.

In einem Fall allerdings sieht der Gesetzentwurf eine so deutliche Missbrauchsgefahr, dass er ein klares, generelles Verbot ausspricht: Im „Verteidigungsfall“ dürfen Männer sich nicht plötzlich zur „Frau“ erklären, um nicht eingezogen zu werden.

Angeblich gibt es keine Missbrauchsgefahr - außer im Verteidigungsfall. Dann doch.

Reaktionen auf den Gesetzentwurf? Ärger von allen Seiten. Transaktivisten protestieren, weil das biologische Geschlecht, das sie für irrelevant erklären, in manchen Fällen nun eben doch wieder zum Kriterium gemacht wird – bzw. gemacht werden kann. Die besonders fanatische „Deutsche Gesellschaft für Trans- und Intergeschlechtlichkeit“ (DGTI) möchte diese Ausnahmen ganz gestrichen haben. Dabei wird sie, wenig überraschend, vom Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, unterstützt.

Lehmann gab nach Vorstellung des Gesetzentwurfs eine eigene kritische Stellungnahme ab, was für ein gewisses Erstaunen sorgte, da er den Entwurf ja selbst mitverhandelt hatte. Aber offenbar sind die Streitpunkte zwischen dem liberalen Justizministerium und dem grünen Frauenministerium, bei dem der Queer-Beauftragte ange­siedelt ist, immer noch nicht ganz ausgeräumt. Lehmann möchte, ganz wie die DGTI, auch die dreimonatige Frist vor Inkrafttreten des „Geschlechtswechsels“ gestrichen wissen, die besonders Jugendliche vor Kurzschluss-Entscheidungen schützen soll.

Im Spiegel durfte der mit einem Etat von 70 Millionen ausgestattete Queer-Beauftragte drei Seiten lang erläutern, warum Geschlecht „nicht nur zwischen den Beinen stattfindet, sondern auch zwischen den Ohren“ und dabei die „empfundene Geschlechtlichkeit“ eins zu eins gleichsetzen mit dem biologischen Geschlecht. 

Beratungspflicht für Jugendliche? Findet der Queer-Beauftragte überflüssig.

Gleichzeitig ist er sehr forsch in seinen Forderungen. Eine Beratungspflicht für Kinder und Jugendliche? Nicht nötig, findet Lehmann. „Wir trauen Jugendlichen in anderen Bereichen schon weitreichende Entscheidungen zu.“ Biologische Männer in Frauenräumen? Kein Problem, findet Lehmann. „Aus anderen Ländern, die Selbstbestimmungsgesetze haben, ist nicht bekannt, dass es damit irgendwelche Probleme gäbe.“

Im Ernst? Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon stürzte gerade über eine „Transfrau“ im Frauengefängnis, die als Mann ein verurteilter Vergewaltiger war. Ebenso die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero von der linken Partei Podemos, die ihr Transgesetz gegen den sozialistischen Koalitionspartner durchdrückte. Nach ihrer desaströsen Wahlniederlage im Mai wird Montero bei den Neuwahlen Ende Juli nicht mehr aufgestellt werden. Macht das Lehmann und seine Ministerin so gar nicht nervös?

Und immer noch tut der deutsche Queer-Beauftragte geflissentlich so, als würde das geplante Gesetz „für die Mehrheit der Gesellschaft nichts ändern“. Im Ernst?

Die Opposition sieht das anders. „Wir sind der Auffassung, dass das Geschlecht – sei es in biologischer oder sozialer Hinsicht – eine Realität ist. Eine voraussetzungslose, jährliche Änderungsmöglichkeit des Geschlechtseintrags und des Vornamens lehnen wir deshalb ab“, erklärte jüngst die CDU/CSU-Fraktion. Für die Union ist das geplante Gesetz „Teil einer fragwürdigen Iden­titätspolitik der Ampel“. Sie fordert: eine Beratungspflicht für Erwachsene, die Beibehaltung der Gutachtenpflicht für Jugendliche und die Zuständigkeit der Gerichte für beide.

"Auf das Verfassungsgericht können sich die Autoren des Gesetzes gerade nicht berufen."

Massive Kritik am Gesetzentwurf kommt auch von Eltern-Initiativen, TherapeutInnen, von Transsexuellen selbst (was die  Medien gern verschweigen) und Feministinnen. So zieht zum ­Beispiel die Juristin Gunda Schumann von der Initiative LAZ reloaded in ihrer Analyse den Schluss: „Der komplette Wegfall von ‚Hürden‘ für eine Änderung des Geschlechtseintrags“ sei „aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht hinnehmbar“. Und sie verweist auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, das verlangt, „dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen“. Ausdrücklich gestatte Karlsruhe dem Gesetzgeber, „einen auf objektivierte Kriterien gestützten Nachweis zu verlangen, um beliebige Personenstandswechsel auszuschließen“. Fazit: „Auf das Bundesverfassungsgericht können sich die AutorInnen des Gesetzentwurfs gerade nicht berufen.“

Ein zentraler Punkt für die KritikerInnen des Gesetzesvorhabens ist die Gefahr, dass gerade Jugendliche in der Pubertät – und hier vor allem Mädchen – durch den juristischen Personenstandswechsel dazu verleitet, wenn nicht gar gedrängt werden, ihrem Körper auch mit Hormonen und dem Messer zu Leibe zu rücken – und das wäre dann irreversibel. Diese Gefahr bestreiten Befürworter des Transgesetzes wie Lehmann. Das eine, die personenstandsrechtliche Änderung des Geschlechts, habe nichts mit dem anderen, der medikamentösen und chirurgischen Änderung des Geschlechts, zu tun.

Die Behauptung, dass das „Selbstbestimmungsgesetz“ nichts mit medizinischen Maßnahmen zu tun habe, widerlegt auch die Eltern­initiative Trans Teens Sorge berechtigt (TTSB). „Die stark vereinfachte Möglichkeit, Namen und Personenstand zu ändern, signalisiert leichtgläubigen jungen Menschen unrealistischerweise, dass es ebenso einfach und zügig möglich ist, das physische Geschlecht zu wechseln“, wissen die Eltern. Die sich für „trans“ haltenden Jugend­lichen, die inzwischen in überwältigender Mehrheit Mädchen sind, bekämen „oft keine anderen Behandlungsoptionen angeboten“ warnen sie.

"Die Annahme, junge Menschen verzichteten auf medizinische Maßnahmen, ist ein Irrtum."

Auch Transsexuelle selbst kritisieren die Leichtfertigkeit, mit der das geplante Gesetz schon Jugendlichen den „Geschlechtswechsel“ erlauben will: „Ins­besondere hinsichtlich der geplanten Regelungen für Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr haben wir ernsthafte Bedenken“, erklärt die Vereinigung Transsexuelle Menschen (VTSM).

Schärfer formuliert es die – selbst transsexuelle – Sexualtherapeutin Dr. Renate Försterling. „Nach meiner langjährigen Erfahrung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in meiner Genderpraxis ist die Annahme, junge Menschen würden reflektiert auf medizinische Maßnahmen zur körperlichen Angleichung verzichten, ein Irrtum“, schreibt Försterling. „Natürlich wollen die meisten der geschlechtsdysphorischen Jugend­lichen auch operative geschlechtsangleichende Maßnahmen. Überall in Deutschland wurden und werden Operationskapazitäten speziell für solche Operationen geschaffen.“ Fazit: „Diejenigen, die die rechtliche Trennung in dieses Gesetz geschrieben haben, haben entweder keine Ahnung von Entwicklungspsychologie oder sie stehlen sich mit der Formulierung einer rechtlichen Trennung bewusst aus der Verantwortung zu Gunsten politischer Ziele, bei denen die Interessen der ­Kinder und Jugendlichen keine angemessene Berücksichtigung finden.“

Es gibt übrigens auch Frauenverbände, die sich pro „Selbstbestimmungsgesetz“ aussprechen. Zum Beispiel der Deutsche Frauenrat oder die Frauenhauskoordinierung. Da fällt allerdings auf, dass just diese Verbände vom Bundesfrauenministerium finanziell mit siebenstelligen Summen gefördert werden – also von jenem Hause abhängig sind, aus dem der Gesetzentwurf kommt.   

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