Unternehmen in die Pflicht nehmen!
Die Näherin in Bangladesch, die 85 Cent pro Stunde verdient, das sechsjährige Mädchen, das in einer Mine in Indien Steine klopft, die verpestete Luft, die vergifteten Flüsse. Kann das Lieferkettengesetz daran wirklich etwas ändern?
Es ist ein Anfang. Erstmals bringt der deutsche Gesetzgeber eine menschenrechts- und umweltbezogene Unternehmensverantwortung für globale Lieferketten auf den Weg. Wie bereits von den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte gefordert, müssen Unternehmen dafür Sorge tragen, dass es in ihren Lieferketten nicht zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden kommt. Bei Verstößen kann das Bundesamt empfindliche Bußgelder verhängen.
Was genau ist eine Lieferkette?
Der Begriff bezieht sich auf alle Handlungen eines Unternehmens und seiner Zulieferer im In- und Ausland, die für die Herstellung von Produkten und die Erbringung von Dienstleistungen notwendig sind. Sie reicht von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden.
Was ändert sich für die Menschen ganz am Anfang dieser Kette?
ArbeiterInnen aus Entwicklungsländern können bei in Deutschland ansässigen Unternehmen Beschwerde erheben, wenn ihre Menschenrechte verletzt wurden. Auch Gewerkschaften und NGOs sollen bei Menschenrechtsverletzungen im Ausland vor deutschen Gerichten die Ansprüche der Geschädigten einklagen können. Bisher konnten das nur die Geschädigten persönlich, denen jedoch oft die Mittel fehlen, um von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.
Dennoch gibt es Kritik am Gesetzesentwurf…
Die unternehmerische Sorgfaltspflicht erstreckt sich im ersten Schritt nur auf die unmittelbaren Vertragspartner der Unternehmen. Die befinden sich oft in Europa. In der Lieferkette weiter entfernte Zulieferer, beispielsweise die Lieferanten für Rohstoffe, werden nur erfasst, wenn die Unternehmen von Missständen hören. Aber gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern sind Schutzstandards oft geringer oder werden nicht durchgesetzt. Die Sorgfaltspflicht hätte also direkt auf die gesamte Lieferkette erstreckt werden müssen. Auch beim Umweltschutz hätte der Entwurf großzügiger sein können.
Wie steht Deutschland im europäischen Vergleich da?
Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die überhaupt eine solche Gesetzesinitiative ergriffen haben. Der deutsche Referentenentwurf gehört zudem zu den schärferen: Nur Frankreich hat neben den Menschenrechten auch den Umweltschutz umfassend geschützt; die Niederlande, Großbritannien und die Schweiz konzentrieren sich hingegen auf Kinder- und Zwangsarbeit.
Ja, kann denn noch nachgebessert werden?
In der Tat. Zunächst haben Bundestag und Bundesrat bis Ende dieser Legislaturperiode die Chance, nachzubessern. Auch die EU kann nachbessern. Sie plant, noch in diesem Jahr ein eigenes Lieferkettengesetz vorzulegen, das EUweit gelten wird und sich auf alle Unternehmen erstreckt, die ihre Produkte oder Dienstleistungen auf dem europäischen Markt anbieten wollen.
Als Verbraucherin kann man kaum die gesamte Wertschöpfungskette überblicken. Wo fange ich an?
Eine gute Orientierung sind Label wie Fairtrade, EZA, dwp, El Puente, der grüne Knopf oder GEPA. Es hilft auch, sich konkrete Branchen näher anzuschauen. Vom Umweltbundesamt, Deutschlands zentraler Umweltbehörde, gibt es einen Einkaufsratgeber.
Von Verbraucherin zu Verbraucherin: Welche Produkte würden Sie niemals kaufen?
Ich kaufe zum Beispiel zum Erhalt des Regenwaldes keine Produkte, die nichtzertifiziertes Palmöl enthalten. Allgemein achte ich auf Fairtrade.