Männer sollten Feministen sein!

Schauspieler Benedict Cumberbatch: So sieht ein Feminist aus.
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Warum Männer Feministen sein sollten? Ganz klar: Weil Feministen besseren Sex haben. Anti-Feministen sind schlecht im Bett. Porno-Süchtige auch. So, haben wir jetzt Ihre Aufmerksamkeit? Gut! Erzählen Sie das also ruhig weiter. Am besten allen Männern, die Sie kennen. Es ist nämlich kein Witz, sondern die Wahrheit. Und es sollte auch nicht der einzige Grund für Männer sein, mit Inbrunst zu verkünden: Ich bin Feminist!

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Neuerdings ist das ja richtig in Mode. Selbst bei der ehrwürdigen UNO: Da nahm im September 2014 Emma Watson alias Hermine aus Harry Potter die Männer in die Pflicht. Als „Botschafter des Wandels“, bzw. in cool und knapp: #HeforShe. Er für Sie. Gleichberechtigung geht nicht ohne Männer, klar. Selbst wenn es im Jahr 2015 noch Menschen gibt, die „Feministinnen sind Männerhasserinnen!“ für ein originelles Statement halten. 

Jenau, dieser Feminismus
will doch nur
die Frauen
bevorteilen

Was nervt: Frauen wirken in dieser Männer-für-Feminismus-Debatte oft wie die Bittstellerinnen vom Dienst. Liebe Männer, ihr habt uns Jahrhunderte lang eingesperrt, verdroschen und vergewaltigt, ihr habt uns Bildung und das Wahlrecht verweigert, uns an den Herd gekettet und euch dann auch noch übers Essen beschwert – aber jetzt, im 21. Jahrhundert, wäre es echt voll nett, wenn ihr euch auf unsere Seite stellen würdet. Ja? 

Damit erreichen wir doch genau die Netten, die ohnehin schon neben uns sitzen und finden: „Es gibt noch so viel zu tun in Sachen Gleichberechtigung!“ Aber was ist mit dieser breiten Masse an Typen, die abends an der Theke ins Herrengedeck brummen: „Janz jenau, dieser Feminismus will doch nur die Frauen bevorteilen!“ 

Darum finde ich, es kann gar nicht deutlich genug gesagt werden: Männer sollten aus rein egoistischen Motiven ­Feminist sein!

Kommen wir also zurück zum Sex. Wenn die bewegten Frauen nicht so vehement für Geburtenkontrolle gekämpft hätten, hätte ja niemand so entspannt Sex, wie Mann das heute gewohnt ist. Aber das nur am Rande. Es gibt darüber hinaus auch niemanden, der den Männern besser als die Feministinnen erklärt, wie sie es einer Frau richtig besorgen. Leider haben manche Männer – apropos „sex-negative Emanze“ – das schon in den 1970er Jahren nicht geschnallt: Es waren nicht nur die Feministinnen, die das Wissen über die weibliche Sexualität und die weibliche Lust aus der Sexualforschung in die weite Welt getragen haben. Es waren auch die Feministinnen, die sich selbst zum Forschungsgegenstand gemacht und ihre Ergebnisse frauenfreundlicherweise für die Nachwelt notiert haben. Stichwort: Klitoris. Zum Beispiel. Wenn es jetzt nicht klingelt ... tja! Dann eben weiter: Rein-Raus-Fertig.

Kommen wir also zur Pornografie. Einige Männer weigern sich, Feminist zu sein, weil der Feminismus ihnen angeblich die Pornos klauen will (und damit, so geht die Argumentation i.d.R. weiter, den schönen schmutzigen Sex). Diese Männer haben komischerweise keine Bedenken, dass Pornos ihnen den Spaß im Bett verhageln. Dabei ist das sogar wissenschaftlich belegt: Wer regelmäßig Pornos guckt, kriegt nicht nur schlechter einen hoch, weil die Bilder, die erregen, immer krasser sein müssen; nein, er inhaliert sozusagen auch noch reihenweise Sexpraktiken, die Frauen abturnen. Und im echten Leben … tja.

Kommen wir zum Flirten: 
Feminismus ist besser als Tinder

Auch kein Geheimnis: Gleichberechtige Beziehungen halten länger. Unter anderem, weil Frauen bessere Laune haben, wenn ihr Kerl mit anpackt. Gut Gelaunte sind nicht nur good company, sie sind auch attraktiver. Wenn ein Feminist eine Feministin dated, sinkt also die Wahrscheinlichkeit, dass eineR von beiden genervt abhaut.

Kommen wir zur Familie: Feministen haben das Privileg, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Die Elternzeit gerecht zu teilen, hat außerdem Einfluss auf die Laune von Frauen, damit auf die Beziehung und damit auf den Sex. Komisch, dass das noch immer nicht alle Männer begriffen haben. Zwar gehen mittlerweile 30 Prozent der deutschen Väter in Elternzeit; davon nehmen allerdings 80 Prozent nur das ­gesetzliche Minimum von zwei Monaten.

Kommen wir zum Flirten: Feminismus ist besser als Tinder! Frauen erkennen einen Feministen vielleicht nicht auf drei Kilometer Abstand – und auch nicht auf drei Meter quer durch die Bar. Aber nach den ersten Dates ahnen sie, wen sie da vor sich haben. Diese Vorahnung entscheidet darüber, ob der Typ tindermäßig rausgewischt wird aus dem Leben oder rein. „Frauen stehen auf Arschlöcher“ ist ein Spruch, den mit Sicherheit ein Arschloch erfunden hat. Die Wahrheit sieht so aus: Frauen stehen so lange auf Arschlöcher, bis sie mal eins richtig am Hals hatten. Danach können die Arschlöcher mit noch so schönen Fotos auf Dating-Apps für sich werben – nette Männer haben die besseren Chancen.

Aber kommen wir zu den harten, zu den männlichen Themen: Geld! Wirtschaft! Karriere! Feminist sein heißt, den eigenen Job zu sichern. Ja, Sie hören richtig! Von gleichberechtigten Strukturen in der Erwerbsarbeit profitieren Männer über alle Maße. Wirtschaftswissenschaftler mahnen schon lange, dass gerade in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen – die Motoren des Wohlstands also – dem grassierenden Fachkräftemangel ohne die Frauen nicht mehr beizukommen ist. Das betrifft den Bereich Forschung und Innovation genauso wie auch das ganz alltägliche Geschäft. Wenn gute Arbeitskräfte fehlen, sinkt die Produkti­vität eines Unternehmens. Damit sinkt der Umsatz. Damit schwinden langfristig Arbeitsplätze. Auch die von Männern.

Hinzu kommt: Diverse Teams mit einem ausgeglichenen Arbeitsklima arbeiten besser. Plus: Frauen sind zahlungskräftige Kundinnen. Das ist heute anders als vor 50 Jahren. Da hatte der Mann die Hoheit über die Finanzen – und damit auch über die Anschaffungen. Nun geben die Frauen sowohl Geld für alltägliche Dinge als auch für Statussymbole aus. Und diese Kundinnen wollen Produkte, die ihren Bedürfnissen entsprechen – egal ob es sich um einen Mixer, ein Auto oder eine hochpreisige Armbanduhr handelt. Und wer weiß am besten, wie die aussehen? Richtig: Die liebe Kollegin. Und der Feminist. Außerdem: Wollen Männer sich wirklich über die Hälfte ihres Lebens den Stress geben, als Alleinverdiener die ganze Familie zu ernähren? 

Nun das finale Argument: Feministen leben länger. Aus dem einfachen Grund, dass sie bewusster mit ihrem Körper umgehen. Es war der Feminismus, der das Thema Männergesundheit auf die Agenda gesetzt hat. Der die Risiken thematisiert hat, unter denen Männer tendenziell öfter leiden als Frauen: Alkoholsucht, Nikotinsucht, die daraus resultierenden Herzkrankheiten zum Beispiel. Auch typische „Frauenkrankheiten“ wurden bei Männern lange ignoriert, wie Depressionen. Weil die Symptome (u.a. Aggressionen) oft andere waren als bei Frauen (u.a. Niedergeschlagenheit). Hinzu kommt, dass Männer erstmalig ermutigt worden sind, überhaupt über ihre seelischen wie körperlichen Schwächen zu sprechen. Von Feministinnen.

Feministen leben länger, weil sie bewusster mit ihrem Körper umgehen

Männer müssen dank Feministinnen auch die Verantwortung für Krieg und Frieden nicht mehr alleine schultern. Es gibt Verteidigungsministerinnen. Und Soldatinnen an der Front. Gleichzeitig ist die Frauenbewegung die friedlichste soziale Bewegung, die es jemals gegeben hat. Es waren die Feministinnen, die über alle nationalstaatlichen Grenzen hinweg immer schon für Frieden gekämpft haben. Und dieses Anliegen zu unterstützen, ist nicht nur ­ehrenhaft. Sondern auch lebenserhaltend.

Aber kommen wir zurück zum Herrengedeck an der Theke. Die Menschen munkeln, dass Männer da heute des öfteren Frauengespräche führen: Über diese Zerrissenheit zwischen der Forderung, das starke Geschlecht sein zu müssen – und gleichzeitig der sanfte Frauenflüsterer. Über Frauen, die zwar in der Theorie mehr Unterstützung von ihren Männern fordern, aber in der Realität immer nur blockieren. Über die Komplexe, die Werbeplakate mit muskulösen, unerreichbaren Männerkörpern auslösen. Ruhig Blut, Jungs: Wir kennen ambivalente Gefühle. Feminismus hilft beim Auseinanderklamüsern. Das macht zufriedener. Zufriedene Menschen sind glücklicher. Glücklichsein wirkt attraktiv. Attraktive Menschen haben mehr Sex. Und hier schließt sich der Kreis.

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