Margaret Atwood: Darum schreibe ich!

© Aaron P. Bernstein/ Reuters
Artikel teilen

1984 hat Margaret Atwood ihren berühmtesten Roman, „Der Report der Magd“, wohl nicht zufällig in Berlin geschrieben. Am 15. Oktober erhält sie nun in Frankfurt den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“. Es trifft keine Geringe, sondern eine der großen Erzählerinnen der Gegenwartsliteratur und politische Visionärin. Ihre „Essbare Frau“ (1969 in den USA erschienen, aber erst 1985 auf Deutsch) war ein feministisches Kultbuch. Und „Der Report der Magd“ (1985/87) ist der hellsichtige Albtraum eines totalitären Staates im Namen einer Religion. Sie hat das damals eigentlich noch nicht wissen können. Nämlich, dass nicht zuletzt die fundamentalistischen Christen Trump an die Macht bringen würden (80 Prozent aller weißen Evangelikalen haben ihn gewählt). Und sie konnte auch noch nicht wissen, dass fundamentalistische Muslime im Namen des Islams weite Teile der islamischen Welt unterwerfen und die westliche Welt terrorisieren würden. Aber sie muss es schon gespürt haben. Das Gefühl für Unfreiheit, dessen äußerster Ausdruck der totalitäre Staat ist, ist bei Margaret Atwood, 77, nicht zufällig besonders ausgeprägt. Sie wuchs als Kind maximal frei auf. In der Wildnis von Ostkanada, wo ihr Vater, ein Insektenkundler, forschte. Es gab keine gesellschaftliche Reglementierung, kein Ein-Mädchen-tut-das-nicht, keine Schule (bis sie zwölf war). Diesen unbedingten Freiheitswillen hat Atwood sich bis heute bewahrt. „Der Report der Magd“ ist ihr berühmtestes Buch und ein Weltbestseller. Nach der Wahl von Trump schnellte es wieder in die Bestsellerlisten, ganz wie „1984“ von Orwell. Die Realität holt die Fiktion ein. Volker Schlöndorff hatte das Buch schon 1990 verfilmt. Jetzt realisierte die Regisseurin Reed Morano auf der Basis des Romans mit MGM eine Serie für die US-Internetplattform Hulu. In der Hauptrolle der rebellischen Magd Offred: Elisabeth Moss (die großartige Kommissarin in Jane Campions TV-Serie „Top of the Lake“). Atwood hat an dem Drehbuch mitgearbeitet. Hier erzählt sie, warum.

Margaret Atwood 1990 in Berlin. © imago
Margaret Atwood 1990 in Berlin. © imago

Der Roman, den ich im Frühling 1984 zu schreiben begann, trug zunächst noch nicht den Titel „Der Report der Magd“. Ich schrieb mit der Hand, meist auf gelbe Notizblöcke. Dann übertrug ich meine beinahe unleserlichen Kritzeleien mit Hilfe einer mechanischen Schreibmaschine mit deutscher Tastatur, die ich gemietet hatte. Die Tastatur war deutsch, weil ich in West-Berlin lebte, das damals noch von der Berliner Mauer umgeben war: Das Sowjetische Reich war unerschüttert und es sollte noch weitere fünf Jahre bis zu seinem Fall dauern.

Während meiner Besuche in verschiedenen Ländern, die hinter dem Eisernen Vorhang lagen – in der Tschechoslowakei und in Ostdeutschland – erlebte ich das Gefühl, bespitzelt zu werden: die Vorsicht, das Verstummen, den Themenwechsel; die Anspielungen, mit denen die Menschen Informationen übermittelten. All das hatte Einfluss auf das, was ich gerade schrieb.

Da ich 1939 geboren bin und im Zweiten Weltkrieg zu Bewusstsein gelangte, wusste ich, dass eine bestehende Ordnung über Nacht verschwinden kann. Ein Wandel konnte so unerwartet schnell einschlagen wie ein Blitz. „Hier bei uns kann das nicht passieren“ – darauf konnte man sich nicht verlassen: Alles kann überall passieren, unter gewissen Umständen.

Ich hatte seit meinen Highschool-Jahren in den 1950ern reichlich Science Fiction, Spekulative Fiction, Utopien und Dystopien gelesen, aber selbst noch nie ein solches Buch geschrieben. Würde ich dazu in der Lage sein?

Den ganzen Artikel in der EMMA September/Oktober 2017 lesen - Ausgabe bestellen

"The Handmaid's Tale - der Report der Magd" wurde mit fünf Emmys ausgezeichnet, einer ging an Hauptdarstellerin Elisabeth Moss. Die zehnteilige Serie läuft ab 4. Oktober auf Entertain TV (dem Fernsehangebot der Deutschen Telekom).

Ausgabe bestellen
Anzeige
'
 
Zur Startseite