Bombshell: Rächerin Charlize
Charlize Theron war 19 und ganz neu in Hollywood, als ein bekannter Filmregisseur sie zum Vorsprechen zu sich nach Hause einlud. Er öffnete ihr die Tür im Pyjama und mit einem Drink in der Hand. Als er die Hand auf ihr Bein legte, entschuldigte sie sich und flüchtete. „Auf dem Rückweg schlug ich die ganze Zeit aufs Lenkrad ein“, erinnert sie sich. „Ich war wütend auf mich, weil ich nicht das getan hatte, was wir Frauen von uns selbst in solchen Situationen erwarten: Ich hatte ihm nicht gesagt, dass er sich verpissen soll.“
Ein Vierteljahrhundert später haben sich die Zeiten geändert. Harvey Weinstein und eine Menge anderer mächtiger Männer mussten sich verpissen. Einer dieser Männer ist Roger Ailes, Chef des TV-Senders Fox News. Die heute 44-jährige Charlize Theron spielt in ihrem aktuellen Film „Bombshell“ die Frau, die dem notorischen Belästiger endgültig den Todesstoß versetzte.
Im Film ist sie Megyn Kelly, jene TV-Journalistin, die im August 2015 durch ihr entlarvendes Interview mit dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bekannt wurde („Sie bezeichnen Frauen, die Sie nicht mögen, als ‚fette Schweine‘“). Als eine Kollegin den Fox-News-Chef und Trump-Buddy der sexuellen Belästigung beschuldigt, zögert die Karrieristin Kelly zunächst – aber redet schließlich. Die Bombe platzt, Roger Ailes ist erledigt.
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Dass Charlize Theron der echten Megyn Kelly unglaublich ähnlich sieht, liegt nicht nur an ihrer Schauspielkunst, sondern auch an der oscarprämierten Maske. Theron hat sich schon einmal für eine Rolle bis zur Unkenntlichkeit verändert: für „Monster“. Auch damals, 2003, spielte sie eine reale Person: die obdachlose, missbrauchte und gedemütigte Prostituierte Aileen Wuornos. Sie erschoss sechs ihrer Freier – und wurde schließlich mit der Giftspritze hingerichtet. Charlize Theron stellte Wuornos mit verlebtem Gesicht und geschundenem Körper so eindringlich dar, dass sie einen Oscar bekam.
Theron spielt wehrhafte Frauen,
die erlittene Demütigungen rächen
Die missbrauchte Rächerin und die barbiehafte Moderatorin sind nur scheinbar Gegensätze. In Wahrheit zieht sich eine Kontinuität durch die Rollenwahl und das Leben von Charlize Theron. „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ – ein Statement für das Recht auf Abtreibung; „Kaltes Land“ – eine Minenarbeiterin kämpft gegen sexuelle Belästigung; „Mad Max“ und „Atomic Blonde“ – Frauen können prügeln und schießen.
Es ist kein Wunder, dass Charlize Theron immer wieder wehrhafte Frauen spielt, die erlittene Demütigungen rächen. Genau das hat ihre Mutter Gerda getan, als ihre Tochter 15 Jahre alt war. Charlize Theron, die auf einer Farm in der Nähe von Johannesburg aufgewachsen ist, konnte Traktor fahren und Kühe melken. Doch ihr Vater soff und war gewalttätig. Als „hoffnungslos“ und „unberechenbar“ habe sie die Lage empfunden, erzählt Theron. „Man wusste nie, was als nächstes passiert.“
In einer Nacht kam der Vater sturzbetrunken nach Hause, Mutter und Tochter verbarrikadierten sich im Schlafzimmer. Der Vater schoss durch die Tür. Da griff Mutter Gerda zum Gewehr und erschoss ihren Mann – aus Notwehr. Tochter Charlize kennt Männergewalt also nur zu genau aus eigener Erfahrung – und hat erlebt, dass man sich dagegen zur Wehr setzen kann. „Mein Selbstbewusstsein verdanke ich meiner Mutter Gerda“, sagt sie. Gerda Theron, die Retterin und Rächerin, wohnt heute in Los Angeles in der gleichen Straße wie Charlize und ihre beiden Adoptiv-Kinder Jackson (8) und August (5).
Zwar gab es im Leben von Theron Männer-Beziehungen, darunter eine Verlobung mit Sean Penn, als Väter kamen die Herren aber offenbar nicht in Frage. „Ich wollte mich nie kleiner machen, damit sich der Mann besser fühlt“, erklärt Charlize Theron.
Früher habe sie auf die Frage, ob sie Feministin sei, immer ein wenig rumgeeiert. „Ich habe gesagt: Unter diesem Begriff versteht ja jeder etwas anderes und mich mehr oder weniger entschuldigt.“ Diese Zeiten sind vorbei. Heute antwortet Charlize Theron: „I’m proud to say that I am a fucking feminist!“
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