Sophie Hunger jetzt auf Tour

Sophie Hunger geht ab dem 6.9. auf Deutschlandtour
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Können Sie es verstehen, wenn Menschen in ihrer eigenen Nische bleiben und politisch wenig Mut zeigen?
Ja, schon, ich glaube, es ist eine echte Überforderung, zu denken, man müsse zu jeder Zeit alles im Blick haben. Jeder Einzelne kann nicht immer für alle anderen sieben Milliarden ein potenzieller Empathiehafen sein. Wir hassen ja in der Regel schon unseren Nachbarn gnadenlos. In der Schweiz ist es so, dass die Welschen die Deutschschweizer nicht mögen, in der Deutschschweiz mögen die Basler die Züricher nicht, in Zürich mögen die aus dem Wiedikon die aus dem Zürichberg nicht und so weiter. Ich mag ihn immerhin lieber als die Idee, ständig etwas machen zu müssen, das für alle sein soll. Theater für alle! So ein Quatsch, was soll das sein? Ich will auch keinen Fußball für alle.

Vielleicht hat es die Demokratie deshalb so schwer, weil sie eben für alle da ist.
Meine Idealvorstellung einer Demokratie wäre, dass sie mich in Ruhe lässt, ich meinen eigenen Leidenschaften, Problemen und Schmerzen nachgehen kann und sie mich nur dann auffordert, politisch zu sein, wenn es einen Bereich betrifft, in dem man selbst ein tieferes Wissen mitbringt. Das ist der ultimative Trick einer guten Demokratie: Dass man sich nur dann zu Wort meldet, wenn man etwas zu sagen hat. Wenn man sicher ist, dass man sich besser einbringen kann als die Nachbarn. Bei den anderen Themen kann man dann zuhören und denen folgen, die in diesem Bereich Spezialisten sind.

An diesem Idealbild ist die Schweiz mit ihren Volksabstimmungen recht nah dran.
Sagen wir so, es ist ein interessantes Demokratiemodell. Wir Schweizer müssen halt regelmäßig für die Demokratie was tun, es gibt alle vier Monate eine Abstimmung, da bekommt man dann mit der Post ein Büchlein, in dem beide Seiten ihre Positionen darstellen – und unten rechts steht dann noch, was die Regierung denkt. Wobei ich es so mache, und das ist vielleicht ein bisschen lasch, dass ich bei den Themen, zu denen ich keine maximal individuelle Meinung entwickeln kann, einfach das wähle, was die Regierung vertritt.

Das klingt nicht gerade sehr rebellisch.
Aber wir haben die ja gewählt, auserkoren, ans Steuer gesetzt. Die Regierung arbeitet den ganzen Tag an diesen Themen, die Verantwortlichen reden sich stundenlang wund in kühlen Zimmern an Mahagoni-Tischen, vom Vielparteien-­System zermürbt. Sie werden mit jeder Legislatur ein dunklerer Schatten ihrer selbst, Tausende von Seiten mit Worten in Helvetica Schrift lesend, vom Volk missbilligt, machtlos. Ich finde, man sollte ihnen daher schon ein wenig ­Vertrauen entgegenbringen.

Angenommen, Sie dürften eine Volks­abstimmung in Gang setzen, um welches Thema würde es gehen?
Frauenfragen.

Ihre Forderung?
Die Quote. Überall, als Zwang. Dazu ein extremer Ausbau von Kinderkrippen, Nachmittagsbetreuungen und so weiter. Gleichberechtigung, Gleichstellung. Das bedeutet es würde auch um Männerfragen gehen, darum, dass Männer längeren Elternschaftsurlaub bekommen und so weiter. In der Schweiz bekommt ein Mann ein bis maximal zwei Tage frei, wenn er Vater wird.

Sie haben sich für Ihr neues Album in Produktions- und Aufnahmetechnik weitergebildet. Steht dahinter der Wunsch, in dieser männerdominierten Musikwelt unabhängiger zu sein? Vielleicht sogar eine Vorbildfunktion zu übernehmen?
Ich habe nicht bewusst deshalb an diesen Workshops teilgenommen, aber wenn jetzt ein 16 Jahre altes Mädchen mit Gitarre zu mir kommen und fragen würde, ob ich ihr einen Rat geben könnte, dann würde ich sagen: erstens, übertreibe, zweitens, lerne so viel du lernen kannst über alle technischen Aspekte, denn du wirst doppelt so gut sein müssen wie die andern.

War es das für Sie auch: doppelt so schwer?
Nein, bei mir lief es sehr natürlich, sehr schnell. Das hat mich zunächst naiv und blind gemacht, man geht ja gerne von sich selbst aus und denkt, dass es sich für alle anderen gleich oder zumindest ähnlich anfühlt. Ich habe dann aber erkannt, dass meine Situation eine Ausnahme ist und für die meisten Frauen die Kacke noch am Dampfen. Obama als afroamerikanischer Präsident hat keineswegs dazu geführt, dass der Rassismus in den USA überwunden wurde. Auch 13 Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel bedeuten nicht, dass Frauen bei der Frage politischer Macht nun sakrosankt gleichberechtigt sind. Gelöst ist das Problem erst dann, wenn die Gleichstellung für die Allgemeinheit gilt – nicht für einzelne prominente Persönlichkeiten. Gleichstellung ist bisher vor allem tonnenweise Make-Up.

Warum lief es bei Ihnen denn so glatt?
Daran hatte meine Mutter einen großen Anteil, glaube ich. Das ist interessant, die Journalisten fragen immer nach meinem Vater und nach meinem Großvater.

Ihr Vater Philippe Welti ist ein hochrangiger Schweizer Diplomat, Ihr Großvater Arthur Welti war Schauspieler und einer der Radiopioniere der Schweiz.
Beides spannende Männer, klar, aber der eigentliche Knaller in der Familie ist meine Mutter Myrtha Welti-Hunger. Also, wenn jemand Macht besaß, dann sie. Sie war Generalsekretärin der Schweizerischen Volkspartei, Aufsichtsrätin in vielen Institutionen und Hochschulen – meine Mutter war die große Nummer in der Familie. Aber es sind die Väter, nach denen man gefragt wird. Sophie Hunger, die Tochter von …

Da hat es auch nichts genützt, dass Sie den Namen der Familie Ihrer Mutter übernommen haben.
Nein. Für mich war prägend, was für ein Frauenbild meine Mutter mir vorlebte. Sie war nie eine Frau, die zu Hause auf die Kinder gewartet hat, deren Hauptaufgabe es war, der Familie mütterliche Wärme zu geben. Darunter haben wir Kinder manchmal auch etwas gelitten. Vor mir stand dafür eine Frau, die Chef war. Die Verantwortung getragen und Kriege geführt hat. Dass meine Mutter in dieser Hinsicht nicht normal war, das habe ich erst sehr viel später gemerkt. Sie ist Jahrgang 1945, war in der berglerisch geprägten Familie das erste Mädchen, das studieren durfte. Und als 1971 das Wahlrecht für Frauen in der Schweiz eingeführt wurde, war sie schon Ende 20. Sie ist also schon Teil einer anderen Generation, hat ihr Leben aber sehr kompromisslos gelebt, unterstützt von meinem Vater (überlegt). Wobei, „unterstützt“ ist das komplett falsche Wort.

Warum?
Das klingt so, als wäre es eine Gnade: Er hat auch im Haushalt mitgeholfen. (lacht) Nein, ich glaube, er fand das attraktiv und richtig. Er fand, meine Mutter war der Hammer. Und das ist es ja nun mal: Es braucht die Männer für die Gleichberechtigung, aber nicht als kulante Unterstützer, sondern als Männer, die erkennen, dass das Leben viel besser ist, wenn Frauen Macht und Erfolg haben. Deshalb ist der Begriff Feminismus manchmal nicht hilfreich – so richtig der Gedanke dahinter ist – weil es ein bisschen sexistisch ist, weil es die Männer im Wort ausschließt. Der Begriff klingt wie eine Bedrohung, so wie „vegetarischer Donnerstag“ für den Metzgermeister oder Solarenergie für Ölbaro­nessen. Das Thema Gleichberechtigung ist aber keine Bedrohung, im Gegenteil, man weiß, dass egalitäre Gesellschaften erfolgreicher und glücklicher sind, der einzelne weniger Ohnmacht empfindet, die Männer leiden ja auch im Patriarchat.

Sie haben das, was Sie technisch neu gelernt haben, direkt für das neue Album angewandt: Die neuen Songs sind deutlich elektronischer.
Ja, ich habe gemerkt, dass ich nach dem letzten Album „Supermoon“ technisch an meine Grenze gelangt war. Stücke an der Gitarre oder am Klavier zu schreiben – da dachte ich mir bei jeder Idee, das hätte ich schon mal so oder so ähnlich gemacht. Ich denke auch, es muss Brüche geben, damit das Feuer wieder zu lodern beginnt und nicht erlischt. Als ich dann aus den USA zurückkam, wollte ich die neuen Techniken anwenden und entschied, dieses Album ganz am Computer zu schreiben.

Sie leben seit einiger Zeit in Berlin, haben der Stadt das Stück „Electropolis“ gewidmet.
Es ist ein wahres Klischee: Der Klang der Stadt ist elektronisch, die Techno- und Electro-Szenen bestehen noch, man wird von ihnen umzingelt – und irgendwann packen sie einen. Das korrespondierte ganz gut mit meinem neuen technischen Wissen. Und auch mit meinem gesteigerten Interesse für Physik.

Woher rührt das?
Wenn man sich mit der Aufnahme von Schall beschäftigt, dann lernt man viel über Frequenzen, Luftwiderstand und solche Dinge. Auch interessiert mich das, was die Physiker im CERN in Genf machen, dort gibt es den Hadron Collider, den stärksten, größten Teilchenbeschleuniger der Welt. Mit dessen Hilfe wurden zum Beispiel die Higgs-Boson nachgewiesen. Ich mag es, die Welt rein physikalisch zu betrachten – nicht emotional. Oder zu erkennen, dass Emotionen physikalische Phänomene sind. Das half mir in einer Zeit, in der ein Lebensentwurf zu Bruch gegangen ist, man fühlt sich dann, als würde man in seine Einzelteile zerlegt, um aus diesen vielen Molekülen wieder ein neues Gesamtwerk zu kneten. Darum, minimal originell, auch „Molecules“ als Titel des neuen Albums.

Sie haben auf dem Vorgängeralbum „Supermoon“ den Mond entzaubert und darauf hingewiesen, dass es sich um einen Steinbrocken handelt, der früher Teil dieser Erde war. Den Mond entmystifizieren, Gefühle physikalisch betrachten – sind Sie eher Realistin als Romantikerin?
(überlegt) Mich interessiert, eine neue Sprache zu finden.

Weil die üblichen Begriffe wie Liebe und Sehnsucht so abgenutzt sind?
Schon, ja. Wir Künstler arbeiten ja immer auf der Ebene von Gefühlen. Wir möchten welche herstellen, lassen uns selbst davon leiten. Diesem Dauergefühligen möchte ich etwas entgegenstellen, damit eine Spannung entsteht. Die große Frage, mit der sich die Leute im CERN befassen, lautet ja: Aus was bestehen wir im Kern? Aus was besteht das Universum, bestehen Zeit und Raum? Die Begriffe, die wir bislang dafür finden, sind ja eher Versuche, damit umzugehen, dass wir es eben nicht verstehen. Im CERN versucht man zu verstehen – und zwar indem die Physiker Materie in maximaler Geschwindigkeit auseinanderziehen. Und sie kommen der Sache näher, es gibt die Vermutung, dass es neben den vier Grundkräften der Physik, die wir schon kennen, noch weitere Kräfte gibt. Die bekommen also schon viel raus. Werfen dabei aber immer neue Fragen auf. Ja. Das ist Forschung. Und das finde ich interessant. Ich bin schon neugierig, ich will wissen, was das alles hier soll! Ich möchte das aber nicht anhand des Resultats beantworten. Ich möchte meine Erkenntnisse aber nicht über den sichtbaren Gesamteindruck gewinnen.

Weil diese Erkenntnisse zwingend banal sind?
Es werden halt Begriffe benutzt, die ich wirklich hasse. Zum Beispiel heißt es immer wieder, Künstler seien dann gut, wenn sie authentisch sind. Ich glaube, wenn es so etwas wie Authentizität überhaupt gibt, dann finde ich sie schrecklich. Aufgabe der Kunst ist es, das Nichtauthentische zu suchen, also das Leben in den Schatten zu stellen, sich über das Leben zu erheben. Kunst muss maßlos sein, nicht authentisch. Sie geht weg von dem, was da ist. Sie erfindet eine Welt, die besser ist als das fade wirkliche Leben. Und das kann dann natürlich nicht authentisch sein.

Kann überhaupt etwas in dieser Welt authentisch sein?
Ein Gebirge, das seit drei Milliarden Jahren daliegt?

Die Natur generell?
Ich glaube, sobald etwas organisch wird, gibt es den Willen, etwas darzustellen. Das kann man bei Tieren beobachten, die durch ihr Verhalten Einfluss nehmen können.

Wenn ein Pfau ein Rad schlägt oder zwei Hirsche mit ihren Geweihen kämpfen …
… dann ist das eine Darstellung – und natürlich auch eine Inszenierung.

Ist das Streben oder Ausüben von Macht authentisch?
Schwierig, denn es braucht ja auch welche, über die man seine Macht ausübt. Die muss man gewinnen, und schon stellt man wieder etwas dar. Ganz vereinfacht gesagt, wenn Sie alleine auf dem Mond sind, dann sind Sie machtlos. Weil niemand anderes da ist.

Müssen Künstler Machtstreben mitbringen?
Schon, ja. Wenn man sich vornimmt, das Leben zu übertreffen, dann schwingt da auch Aggressivität mit. Und auch eine Überheblichkeit. Man will andere mitziehen, andere kontrollieren. Das hat etwas mit Macht zu tun.

In der aktuellen weltpolitischen Situation spielt Macht wieder eine große Rolle, Autoritäten gewinnen Wahlen, ändern die Gesellschaft, bringen Nationalismus zurück ins Spiel. Überrascht Sie diese Entwicklung?
Nicht unbedingt, weil hier ein alter Mechanismus offensichtlich wird, der viel älter ist als die modernen Demokratien. Eine Idee, die für viele noch immer ein grundsätzliches Herrschaftsrecht beschreibt. „Schutz gegen Gehorsam“ – das ist der Grundgedanke. Da ist also ein Bauer, der sagt sich: Da haben wir einen König, der verlangt von mir dies und das, das finde ich zwar nicht alles gut, aber dafür sorgt er eben dafür, dass niemand meine Hühner klaut. Diese autoritären Typen kennen diesen Mechanismus, bedienen ihn. Sie sagen sehr offen: Wenn ihr mich wählt, dann mache ich zwar, was ich will, sorge aber dafür, dass die Fabriken wieder laufen, ihr ein dickes Steak auf dem Teller habt und keine schwärzlichen Östlinge auftauchen. Das ist eine Lüge. Aber eine sehr alte Lüge.

Sind die Schweizer weniger verfänglich für diese Lüge, weil sie als Eidgenossen generell Skepsis gegenüber Autoritäten entwickeln?
Wir stehen eher auf der Seite des Naturrechts, da sind wir dann schnell bei Wilhelm Tell: Es gibt natürlich eine Obrigkeitsstruktur, aber wenn es zum Äußersten kommt, dann darf man sich die Armbrust nehmen und den Typen abknallen.

Das Interview führte André Boße. Es erschien zuerst in Galore.

Sophie Hunger Live im September/Oktober in München, Köln und Berlin,
www.sophiehunger.com

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Janelle Monáe, die Vielseitige

Foto: Imago/ZUMA Press
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Beim „Women’s March“ am Tag nach der Amtseinführung von Präsident Donald Trump stand Janelle Monáe in Washington auf der Bühne. „Schützt euch vor Typen, die andere drangsalieren“, ermahnte sie die rund 500.000 Frauen, die am 21. Januar aus allen Teilen der Vereinigten Staaten in die Hauptstadt gekommen waren. „Wenn ihr anfangt zu zweifeln oder wenn ihr aufgeben wolltet, ruft euch immer wieder ins ­Gedächtnis, Freiheit über Angst zu stellen!“

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Von Hollywoods Kult der chronischen Selbstbespiegelung hält sich Janelle Monáe fern. „Meine Message soll nicht durch Privates verdrängt werden“, sagt die 31-Jährige, die trotz sechs Grammy-­Nominierungen, Modelverträgen und einer überraschenden Filmkarriere weiter zu den geheimnisvollsten Frauen der amerikanischen Unterhaltungsbranche gehört. Ihre Message? „Ich nutze meine Berühmtheit, um afroamerikanischen Frauen eine Stimme zu geben!“ Das erklärt Monáe bei einem Treffen mit EMMA im Hotel „Four Seasons Beverly Hills“ mit großer Entschiedenheit.

Mit Michelle Obama nahm die Sängerin den Titel „This Is For My Girls“ auf und verhalf afroamerikanischen Sängerinnen wie Erykah Badu oder Solange Knowles mit ihrem Label „Wondaland Arts Society“ zu einem größeren Publikum. Wondalands Zusammenschluss mit dem Unternehmen Epic Records machte Monáe vor zwei Jahren auch hinter den Kulissen zu einer der einflussreichsten Frauen der männerdominierten Hip-Hop-Branche.

Janelle Monáe versteht sich als „Womanist“, in der Tradition von Alice Walker. Sie hatte den Begriff Anfang der 80er Jahre geprägt. „Eine Womanist ist eine Frau, die andere Frauen liebt, sexuell und/oder nicht-sexuell. Sie schätzt die Kultur und emotionale Flexibilität von Frauen. Sie setzt sich für das Überleben und die Ganzheit aller ein, männlich wie weiblich. Sie liebt Temperament, sie liebt den Kampf, sie liebt sich selbst.“

„Wenn ich in einen Raum komme, sehen mich die Leute als schwarze Frau. Beides ist nicht voneinander zu trennen“, erklärt Monáe. Daher, sagt sie, teilten weiße und schwarze Feministinnen unterschiedliche Erfahrungen. „Eine weiße Frau verdient weniger als ein Mann. Eine schwarze Frau verdient wiederum weniger als eine weiße Frau“, bringt die 31-Jährige es auf den Punkt.

Die Erfahrungen ihrer Mutter, die als Putzfrau in Kansas City, einer Industriestadt im Mittleren Westen, arbeitete, erzählt Monáe in ihrem Song „Ghetto Woman“. Das stolze Stück über die abschätzige Darstellung schwarzer Frauen in den amerikanischen Medien wird, wie die übrigen Titel des im Sommer 2013 veröffentlichten ­Albums „The Electric Lady“, als Soundtrack weiblicher Selbstbehauptung gefeiert.

Die Rolle der afroamerikanischen Mathematikerin Mary Jackson, die Monáe jetzt in Theodore Melfis oscarnominierter Filmbiografie „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ spielt, fügt sich nahtlos in ihr Anliegen. Die vor elf Jahren verstorbene Jackson arbeitete während des Kalten Krieges als so genannter „menschlicher Computer“ bei der amerikanischen Weltraumbehörde NASA Die Rassentrennung in den Vereinigten Staaten wurde rein juristisch erst im Jahr 1964 beendet. Der hochqualifizierten Mathematikerin schlugen bei der wissenschaftlichen Vorbereitung der Apollo-Missionen täglich Sexismus und Rassismus entgegen. „Wie Mary Jackson versuche ich, mich für Gerechtigkeit einzusetzen“, sagt Monáe. „Wir können unser Geschlecht und unsere Hautfarbe nicht ändern. Das wollen wir auch gar nicht. Aber wir verlangen gleiche Rechte!“

Nach Hollywoods jahrzehntelangem Faible für Plots mit meist weißen, männlichen Hauptdarstellern setzt Monáe nun auf die „Academy of Motion Picture Arts & Sciences“. Die Filmakademie, die jedes Jahr die Oscars vergibt, hatte im Sommer erklärt, etwa 700 neue Mitglieder, unter ihnen ungewohnt viele Frauen, AfroamerikanerInnen und Latinos, aufnehmen zu wollen. „Ich habe das Gefühl, dass Hollywood sich gerade wandelt“, hofft Monáe.

Als Medium für ihre Message entdeckte sie Hollywood eher spät. Nach der High School in Kansas City zog Monáe nach New York, um Schauspiel an der American Musical and Dramatic Academy zu studieren. Schon ein paar Monate später gab die Science-Fiction-Anhängerin auf. „Ich wollte eigene Musicals schreiben und keine Rolle spielen, die schon tausende Male gespielt wurde“, erinnert sie sich. Dem Umzug nach Atlanta folgte die Aufnahme der CD „Janelle Monáe: The Audition“, mit der sie durch Universitätsstädte tingelte.

Im Jahr 2005 gelang der damals 20-Jährigen der Durchbruch, als Big Boi, eine Hälfte des Hip-Hop-Duos OutKast, bei einem der Auftritte auf ihre klare, starke Stimme aufmerksam wurde. Spätestens seit ihrer Zusammenarbeit mit Sean „Puff Daddy“ Combs, Prince und Stevie Wonder gehört Monáe zu den bekanntesten R&B-MusikerInnen der Vereinigten Staaten. Für die Dreharbeiten zu „Hidden Figures“ und „Moonlight“, Barry Jenkins’ Drama über einen homosexuellen Schwarzen, zog es die Sängerin im vergangenen Jahr schließlich erstmals vor die Filmkamera. Monáe: „Ich sehe mich als Geschichtenerzählerin. Ob ich die Geschichte mit Musik oder Film erzähle, spielt keine Rolle.“ Ihre schwarzweißen Outfits, eigentlich eine Hommage an die Putzfrauen-Montur ihrer Mutter und die Soldatenuniform ihres Vaters, sind längst ein Statement geworden. Wie auch die schwarzen Locken. Das Glätteisen bleibt bei ihr in der Schublade – allen Modetrends zum Trotz.

Christiane Heil

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