Islamismus: Der Überfall

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Vor ihr steht eine Frau, "hellrotes Haar und höchstens 1,60 groß", erinnert sich später die Layouterin. Hinter der Besucherin folgen noch zwei weitere Frauen, eine davon mit auffallender Frisur: "Wie ein riesiger Mopp, die mittelblonden Haare standen rundum ungefähr sechs Zentimeter vom Kopf ab." Die Rothaarige murmelt was von "Wir kommen wegen eines Artikels..." - und schon sind alle drei mittendrin. Dann geht alles sehr schnell. Während die drei sich Affenmasken aus Papier vors Gesicht ziehen, stürmt hinter ihnen ein weiteres Dutzend herein, alle maskiert.

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Emma hatte die neuen Räume erst wenige Wochen zuvor bezogen und monatelang renoviert: Die Wände sind weiß getüncht und eine Wandscheibe sonnengelb lackiert. Stühle und Tische waren neu und, vor allem, auch die Computeranlage (allein die hat über hunderttausend Mark gekostet). Erstmals war gerade eine Emma-Ausgabe von der ersten bis zur letzten Seite auf Layout-Computern gemacht und per ISDN-Leitung zur Druckerei geschickt worden. Von Umzug und Neuanfang sind die Emmas noch immer rechtschaffen erschöpft...

Zunächst denkt Isis Fries, das ganze sei ein Scherz und als Geburtstagsüberraschung für eine Emma-Frau geplant. Sie lacht und sagt: Ihr kommt umsonst, es ist niemand da, ich bin allein hier. - Genau das scheint dem Rollkommando klar zu sein. Sie müssen den Eingang von Emma vorher beobachtet haben. Mit der Layouterin halten sie sich gar nicht erst auf. Wortlos und sehr schnell verteilen sie sich in allen Räumen. Sie leeren blaue Müllsäcke mit Mist auf alle Schreibtische, schneiden das Telefonkabel durch, verkleben das Eingangsschloss mit Uhu-Sofort-Kleber und sprühen alle Computertastaturen, Bildschirme, Drucker und Kopierer kaputt.

"Sie taten alles sehr gezielt und ganz ruhig. Miteinander sprachen sie kein Wort, die Aktion scheint aber gut geplant gewesen zu sein, und ich hatte den Eindruck, dass sie die Räume kennen", erinnert sich Isis. Auch zu ihr sagen die Vandalinnen nichts. Erst als sie versucht, zum Telefon zu greifen, halten sie sie fest: "So geht das nicht..."

So, wie der Spuk angefangen hat, hört er auch wieder auf. Innerhalb von fünf Minuten haben die Frauen ihr Werk getan. Sie verlassen die Emma so rasch wie sie gekommen sind. Erst als sie draußen sind, wird Isis langsam klar, was geschehen ist. Die Wände sind nicht mehr weiß und sonnengelb, sondern mit schwarzen und roten Spray Sprüchen bedeckt: "Emma, es reicht!" "Schluss mit dem Rassismus." "Emma selektiert." Und: "Euthanasie ist Gewalt." - Vor allem letzteres musste endlich mal gesagt werden, gerade bei Emma ... Als Barbara Frank und Alice Schwarzer eine Viertelstunde später eintreffen, ist die Polizei schon da. Ein Beamter und eine Beamtin sichern Spuren. Und auch die Presse ist vor Ort: offensichtlich alarmiert von den Attentäterinnen selbst. Isis Fries steht inmitten des Unrats (Öko-Mist, der bald das ganze Haus verpestet) und kann es nicht fassen. Der einzige Satz, den sie immer wieder tonlos stammelt, ist: "Die sahen aus wie wir ..."

Später beschreibt sie die Täterinnen der Polizei genau: Sie trugen Jeans, Jacken und Turnschuhe, einige auffallend "derbes Schuhwerk". Einer Sache ist Isis sich ganz sicher: "Alle waren kleiner als ich, und ich bin nur 1,67."

Inzwischen sind weitere Zeuginnen zur Stelle. Ein Ehepaar aus der Nachbarschaft, das alles aus dem Fenster beobachtet hat; und zwei junge Männer, die den Überfall aus nächster Nähe gesehen hatten und alles "recht komisch" fanden. Sie sprechen nur von "den Typen". Die Nachbarn hatten etwas bemerkt: Während des gesamten Überfalls saß drei Meter vom Emma-Eingang entfernt eine Frau im Rollstuhl und beobachtete alles.

"Sie war etwa Mitte zwanzig, trug einen roten Anorak und eine große Metallbrille mit Schwarz. Ihre Haare hatte sie sehr schick kurz geschnitten." Als die Vandalinnen Emma wieder verließen, nahmen sie die Rollstuhlfahrerin, die offensichtlich zu ihnen gehörte, wieder mit.

Das Rollkommando zog so gesittet ab, wie es gekommen war, erinnert sich Susanne Haupt von der "Kornstube" gegenüber. Sie hatte die ganze Zeit aus dem Fenster geschaut und alles beobachtet, aber nicht begriffen: "Ich dachte, da macht ein Frauenbetrieb einen Ausflug zur Emma-Besichtigung." Auch diese Zeugin beschrieb die Täterinnen als jung und "alternativ".

Inzwischen ist der Kripobeamte eingetroffen. Er scheint überrascht. "Das sieht ja ganz professionell aus." Dann sichert er das Bekennerinnen-Flugblatt, wg. Fingerabdrücken.

Auf dem zurückgelassenen Bekennerinnen-Flugblatt heißt es unter anderem: 

"Emma greift das Lebensrecht behinderter Menschen an. Das ‚Magazin von Frauen für Menschen' bejubelt Euthanasie-Propagandist Peter Singer. (...) Uns erschreckt nicht, dass sich Emma für Tiere einsetzt. Uns entsetzt aber, dass sie damit ein anderes Thema diskutierbar macht: das der (tödlichen) Selektion von menschlichem Leben in ‚wertes' und ‚unwertes'. (...) So verwandelt sich Singers Ethik für Tierschützer in eine Ethik für Euthanasie-Täter. Unter dem Mantel des Tierschutzes wird menschliches Leben wieder in ‚wertes' und ‚unwertes' eingeteilt eine Argumentation, die in einer Gesellschaft, die auf Leistungsfähigkeit und Verwertbarkeit aufbaut, auf fruchtbaren Boden fällt.

Emma meint, es müsse wieder ‚diskutabel' werden, ein schwerstbehindertes Neugeborenes zu töten, wenn die Angehörigen es wollen. Zur Rechtfertigung scheut Filter sich nicht, das weibliche Selbstbestimmungsrecht anzuführen. ‚Wenn aber eine Frau das Recht auf eine selbstbestimmte Mutterschaft hat, hat sie dann nicht auch das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie - statt 20 Jahre für ein gesundes Kind - lebenslänglich für ein behindertes Kind verantwortlich sein möchte.' Sie benutzt den Gedanken der Selbstbestimmung entpolitisiert und individualisiert. Selbstbestimmung ist für sie so auch das Recht auf ein bestimmtes Kind eine ‚Qualitätskontrolle'. (...) Die Aufwertung Peter Singers und seiner Thesen in der letzten Ausgabe von Emma sind kein einmaliger Ausrutscher einer einzelnen Redakteurin. 

Emma scheint zu wissen, was sie will. Das hat sie bereits mit dem einfühlenden Artikel über die ‚Böhsen Onkelz' und dem zum Teil offenen Rassismus des ‚Fundamentalismus-Dossiers' im letzten Jahr gezeigt. Und im Namen des Tierrechts (Jan. 94) relativierte Emma den Holocaust. (...) Mit der Begründung, 'deutsche Denktabus' aufbrechen zu wollen und sich einer geforderten ‚political correctness' zu verweigern, hat Emma eine Rechtswende vollzogen, die vor offen menschenverachtenden Positionen nicht halt macht. Was Emma ihren Leserinnen als Feminismus, als mutigen Akt gegen die Männergesellschaft  und kritischen Journalismus verkauft, ist bloße Anpassung an den gesellschaftlichen ‚mainstream'."

Gezeichnet und in Versalien mit Hand geschrieben: FRAUEN LESBEN GRUPPEN AUS KÖLN + ANDERSWO.

Inzwischen versammeln sich Neugierige und Mitleidige vor der Emma-Tür. Ein Nachbar aus dem Haus steckt den Kopf rein und sagt: "Das hab ich alles schon mal im Kino gesehen. Und zwar genauso. Der Film hieß ‚Allein unter Frauen' und ist von Sönke Wortmann. Da überfällt eine Frauengruppe einen Porno-Laden auf exakt dieselbe Weise: sie tragen Affenmasken, sprühen alles mit Parolen voll, kippen Mist in den Laden und hinterlassen ein Flugblatt." Einen Porno-Laden ...

Und eine Frau, die ein paar Straßen weiter wohnt, reicht einen Fliederstrauß rein: "Ich weiß gar nicht, was bei euch passiert ist. Aber es sieht so schrecklich aus. Ich will euch nur irgendwie trösten. Den Flieder habe ich gerade aus meiner Vase geholt. Kann ich euch putzen helfen...?" In der Tat, Trost haben wir nötig. Der ersten Lähmung folgt langsam die Erkenntnis: Das ganze kostet uns mindestens 100.000 DM (Inzwischen ist der reine Sachschaden auf "nur" 50.000 DM gesunken, plus etliche Tage Arbeitsstop).

Die "Affenfrauen", wie sie später in der Presse genannt werden, haben noch einen langen Abend vor sich: Sie informieren nicht nur gleich selbst die Presse, sondern verschicken ihr Flugblatt umgehend an zahlreiche von ihnen als "gleichgesinnt" eingestufte Adressen, mit dem Appell, Emma zu boykottieren: "Kauft Emma nicht mehr und teilt dies der Zeitschrift mit! Kündigt eure Abos!" Und um ganz sicher zu gehen, formulieren sie einen Kündigungs-Coupon gleich mit: "An die Emma Redaktion, Alteburger Str. 2, 50678 Köln. Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich aufgrund der menschenverachtenden Positionen, die Emma verbreitet, die Zeitung in Zukunft boykottiere. Hiermit kündige ich mein Abonnement zum nächstmöglichen Termin. Datum/Unterschrift."

Die Zerstörung der Arbeitsgeräte von Emma und der Räume genügt den "Frauen Lesben Gruppen" nicht. Sie wollen alles tun zur Vernichtung der Existenzgrundlage von Emma. In einem scheinheiligen PS zu dem Boykottaufruf schildern die Täterinnen mit entlarvender Detailkenntnis selbst ihre Tat: "Soeben erreichte uns die Nachricht, dass einige zornige FrauenLesben mit Affenmasken der Emma-Redaktion einen Überraschungsbesuch abstatteten. Verschiedene Substanzen wie Sprühfarbe, Kompost, Sekundenkleber verzierten in Blitzesschnelle die Computer, Telefone, Tastaturen, Druckmaschinen etc."

Die Äffinnen hinterließen außerdem einige Sprüche an Wänden, Schaufenstern und Türen. Ihr sprecht uns aus dem Herzen, herzlichen Glückwunsch! Es wurde mal Zeit, Emma hat das schon lange verdient!" Diesmal zeichnen die Äffinnen mit "FrauenLesbenzusammenhänge aus Köln und anderen NRWStädten". Zwei Leserinnen kündigen prompt, eine aus Dortmund und eine aus Frankfurt.

Und aus dem Frankfurter FFGZ (Feministisches Frauengesundheitszentrum) schleudert es uns sechs Tage nach dem Überfall entgegen: "Eure sexistische, rassistische und menschenverachtende Einstellungen halten uns schon lange davon ab. Euer SCHMIERBLATT zu kaufen." Doch, ja, da steht wirklich "Schmierblatt", in Versalien, ganz wie bei den Nazis. Und das "Feministische Archiv" Marburg kündigt noch am selben Tag stramm "mit sofortiger Wirkung das Abo", denn: "Wir solidarisieren uns mit dem Boykottaufruf der Frauen mit Behinderung". - Einen Boykottaufruf von Behinderten selbst hat es bis dahin übrigens noch nie gegeben.

So aufschlussreich, wie es für uns ist, wer wie reagierte, so aufschlussreich oder noch aufschlussreicher ist es, wer nicht reagierte. So sind die solidarischen Briefe an Emma ausschließlich von Individuen, es ist kein einziger Brief einer Gruppe dabei: keine Frauengruppe, keine linke Gruppe, keine Behinderten-Gruppe (in deren Namen ja gehandelt wurde). Dieses Schweigen zeigt Emma wieder mal, was sie schon lange weiß, aber selten in solcher Krassheit vorgeführt bekommt: Wie allein wir sind wären da nicht die Leserinnen und Leser. Einen politisch adäquaten, organisierten feministischen Kontext scheint es für ein Unterfangen wie Emma in Deutschland nicht (mehr?) zu geben.

DIE REAKTIONEN

Die Nachricht geht noch am selben Abend über die Ticker der Deutschen Presseagentur und der Associated Press. Noch in der Nacht beginnen die Radio und Fernsehsender die News zu verbreiten. Sie tun dies in sachlichem Ton, zunächst.

Als die Emmas gegen neun Uhr morgens die Redaktionsräume betreten, klingeln alle Telefone und rappeln beide Fax-Anschlüsse. Die Presseanfragen und Solidaritätsbekundungen überwältigen uns. Sechs Frauen sind nur mit dem Telefon beschäftigt und zwei jagen die Presseerklärung von Emma per Fax raus: "Vandalismus bei Emma". Darin heißt es unter anderem:

"Es ist das erste mal in ihrer 17jährigen Geschichte, dass Emma, die immer meinungsfreudig war (und bleiben wird!) und oft verbal angegriffen wurde, auch tätlich attackiert wird. Es überrascht Emma nicht, dass dies ausgerechnet Frauen taten: Eines der Probleme von Frauen ist eben ihr Selbsthass und ihre übereifrige Anbiederung an ihre Vordenker. Auch ist es vermutlich kein Zufall, dass Intoleranz gerade in Deutschland solche Formen annimmt.

Zu den angegriffenen Artikeln: Das Gespräch mit den "Böhsen Onkelz" war Teil eines Emma-Dossiers über alte und neue rechte Männerbünde. Bandleader Stephan Weidner hatte in diesem Gespräch zum ersten mal Gelegenheit, seine Selbstkritik in bezug auf frühere Texte differenziert darzulegen. Es ging Emma dabei darum, nicht alle Jugendlichen in denselben rechten Topf zu werfen und damit abzustempeln und auszugrenzen, sondern zu differenzieren zwischen rechten Ideologen und schlagbereiten Tätern einerseits und großmäuligen verblendeten Jugendlichen andererseits.

In dem Emma-Dossier über Fundamentalismus ging es unter anderem um die Verharmlosung des Frauen und Intellektuellenfeindlichen Fundamentalismus durch selbsternannte "Anti-Rassisten". Während in Ländern wie Iran, Ägypten und Algerien immer mehr Menschen vertrieben oder ermordet werden, kann sich der Fundamentalismus mit dem Wohlwollen eines Teils der "MultiKultiSzene", der Wirtschaft und der Politiker auch in Deutschland ungehindert verbreiten und Zwangsverschleierung, Entrechtung von Frauen und den Gottesstaat propagieren.

In dem Artikel über Peter Singer ging es um das Diskussionsverbot, dem der international anerkannte Philosoph (und selbst Kind emigrierter österreichischer Juden) ausgerechnet in Deutschland seit Jahren ausgesetzt ist. Der Rowohlt-Verlag, der 1993 zum ersten mal eine Schrift von Singer auf Deutsch veröffentlichen wollte, schreckte nach Gewaltandrohungen aus derselben Szene davor zurück. Diese Szene argumentiert vorwiegend im Namen des "Feminismus", des "Antirassismus" und der "Krüppelbewegung" (die sich hoffentlich bald von solchen Taten distanzieren wird).

In dem Emma-Artikel geht es zentral um die ethische Frage, ob Ärzte weiterhin im rechtsfreien Raum handeln und ohne Kriterien oder Gesetze entscheiden sollen, welche schwerstbehinderten Neugeborenen sie nicht am Leben lassen und welche sie mit Hilfe moderner Apparatemedizin am Leben halten - oder ob wir anfangen, darüber zu reden. Im Zusammenhang mit der Frühdiagnostik bei Schwangeren auf Behinderung des Fötus stellte Emma unter anderem die Frage: Ist es nicht das Recht der Schwangeren, zu bestimmen, ob sie austrägt oder nicht? Daraus macht das Bekennerinnen-Flugblatt die Behauptung, bei Emma sei es "wieder diskutabel, ein schwerstbehindertes Neugeborenes zu töten".

Die Flugblätter und Artikel, die im Herbst in einer konzertiert wirkenden Aktion ebenso in "wissenschaftlichen" Publikationen wie in Szeneblättern gegen die Fundamentalismus-Kritik von Emma erschienen waren, sind im selben Geiste verfasst. Sie arbeiten mit falschen Tatsachenbehauptungen und demagogischen Unterstellungen. Das zurückgelassene Bekennerinnen-Schreiben war die Kopie eines Flugblattes, das Emma seit Wochen in identischem und ähnlichem Wortlaut mehrfach vorliegt und von diversen Gruppen unterzeichnet wurde. Emma erstattete Anzeige.

Die Vandalinnen hinterließen nicht nur einen Sachschaden in sechsstelliger Höhe, sondern nahmen neben Heften auch eine Handkasse mit. Die Polizei, die zahlreiche Spuren sichern konnte, ist zuversichtlich, die Täterinnen zu fassen. Emma wird sich selbstverständlich auch in Zukunft das Recht auf freies Denken und Diskussion nehmen."

Am Tag darauf ist in den katholisch dominierten Bundesländern Feiertag: Christi Himmelfahrt Vatertag. Die Tageszeitungen berichten zwischen dem 13. und 14. Mai. Die meisten übernehmen die Agentur-Meldungen (nicht zuletzt wegen des Feiertags, an dem auch die Emma-Redaktion nicht zu erreichen war), fast alle knapp und nur manchmal mit einem hämischen Unterton (wie bei der Titelzeile "Vandalismus unter Emanzen" in der Stuttgarter Zeitung).

Nur drei Zeitungen kommentieren das Ereignis: darunter die "Kölner Stadtrevue" und "Neues Deutschland". Dabei schießt ein gewisser Holger Becker in der ehemaligen SED-Zeitung "Neues Deutschland" in Sachen Häme den Vogel ab. Er nimmt das Ereignis zum Anlass, breit darüber zu schwadronieren, wie "unerträglich" er schon immer Schwarzer und Emma fand und bescheinigte Opfern wie Täterinnen Kopflosigkeit.

Nicht schlecht auch das linke Kölner Szeneblatt "Stadtrevue", das seit dem ersten Tag seines Bestehens die Emma-Häme kultiviert. Es vergleicht die Gewalttat des Lesben-Kommandos mit den aktionistischen Provokationen der Künstlerinnen-Gruppe Guerilla-Girls (Wissen, Kriterien und Unterscheidungsvermögen  zählten noch nie zu der Stärke des Szeneblattes) und feixt: "Big Sister is watching you, Emma."

Die Wochenblätter finden, bis auf einen Zweizeiler bei Focus, die Sache der Rede nicht wert. Der Frauenüberfall auf Emma ein Politikum? Der Versuch der Zerstörung der Arbeitsinstrumente und Aufruf zum Boykott eine Bedrohung von Meinungsfreiheit und Pressefreiheit? I wo. Zank unter Weibern, womöglich sogar unter Lesben. Da kommt klammheimliche Freude auf und herrscht solidarisches Schweigen.

DIE HINTERGRÜNDE

Die ermittelnde Kriminalpolizei ist sich ganz sicher: "Die Vandalinnen sind der ‚linksextremen Lesbenszene' zuzurechnen. Sie hätten auch Gewalt inkauf genommen - darum sind sie ja zu so vielen gekommen: Um eventuellen Widerstand zu überrumpeln oder zu brechen." Das ganze war also sehr viel mehr als ein böser Scherz. Emma ist nicht nur tagelang an der Weiterarbeit gehindert worden und hat mit einem Schaden von mindestens 50.000 DM fertig zu werden (Noch weigert sich die Versicherung, zu zahlen: Wir sind zwar gegen Vandalismus versichert, aber, so das Argument: Laut Kleingedrucktem nur im Zusammenhang mit "Diebstahl", nicht im Zusammenhang mit "Raub"). Emma sollte "eins in die Schnauze kriegen", so richtig.

Was muss alles passieren, bis Menschen das anderen Menschen antun gar Frauen anderen Frauen? Welcher psychologische Prozess muss der Tat vorausgehen? Die Opfer müssen entwertet werden und die Täter(innen) aufgewertet; Sie müssen sicher sein, dass sie recht haben; dass Emma "nur recht geschieht!", wie es in einem der Flugblätter heißt. Und in der Tat, die Geschichte des Überfalls hat eine Vorgeschichte. Die Tat wurde sozusagen seit dem Sommer vorbereitet - und die Schreibtisch-Täterinnen haben Namen.

Als Grund für den Überfall führen die Vandalinnen drei Artikel an.

Erstens das Emma-Gespräch mit dem Bandleader der Böhsen Onkelz. Zweitens Emmas Reaktion auf die uns undifferenziert und demagogisch scheinende Hetze gegen den Ethiker Singer, der von manchen Leuten als Feindbild aufgebaut wird, worauf Emma bewusst provokant mit "Freund Singer" titelte (Doch auch die Hochzeit der Polemik gegen Singer ist Jahre her, selbst in der taz wurde Singer rehabilitiert, und der deutsche Harald Fischer Verlag konnte unbehelligt das heiß umstrittene Gemeinschaftswerk von Peter Singer und Helga Kuhse veröffentlichen: "Muss dieses Kind am Leben bleiben?"). Was also sind die wahren Gründe des Überfalls?

Es handelt sich wohl um ein Konglomerat von politischen und psychologischen Gründen. Der Hauptgrund für den Überfall aber ist eindeutig und nachweisbar der dritte angegebene Artikel: Emmas Dossier gegen den islamischen Fundamentalismus in der Juli/August-Ausgabe letzten Jahres. Damals ging es offen los:

Einige Wochen zuvor erschien ein offener Brief an Emma, initiiert von der Münsteraner "Schlangenbrut", einer "Streitschrift für feministisch und religiös interessierte Frauen", und unterschrieben von: Hamburger Frauenzeitung, Zeitschrift Clio (FFGZ Berlin), Weibsbilder (Köln), Die Philosophin (Tübingen, Zürich), Hydra (Berlin), FRAZ (Frauenzeitung, Zürich), FAMA (feministisch-theologische Zeitschrift, Basel), Arbeitskreis feministische Theologie (Luzern), Meta M. (Frauen informieren Frauen, Wuppertal), Schlangenbrut (Münster). In diesem Brief wird Emma des "Rassismus pur" bezichtigt und der Instrumentalisierung "weiblicher Opfer rassistischer Gewalt" Grund: das Fundamentalismus-Dossier.

Am 1.10.93 erscheint Heft 35 der "beiträge zur feministischen Theorie und Praxis", herausgegeben von dem Verein "Sozialwissenschaftliche Forschung & Praxis", Redaktionssitz Köln. Zwei Beiträge in dem Heft gehen auf den Fundamentalismusschwerpunkt von Emma ein.

Der eine ist von Arzu Toker, und hat den Titel "Eurozentristisches Feindbild oder Kritik am Islam". Der zweite ist von Dr. Renate Kreile, von Beruf Lehrerin, und titelt: "Emma und die ‚deutschen Frauen': an's Vaterland, an's teure, schließt euch an..." (frei nach Schiller). Arzu Toker, selbst Kurdin, stellt ihrem Artikel kommentarlos ein Zitat der "Reichsfrauenführerin" Gertrud Scholz-Kling voran: "Wir deutschen Frauen haben uns stolz und freudig unter das Gesetz des Nationalsozialismus gestellt."

Was in "beiträge" über Emma suggeriert werden soll, ist eindeutig: Emma befindet sich in der direkten Tradition der Nazi-Frauen. Entsprechend polemisch ist der Ton der Artikel, er ist auch von eindeutiger Parteilichkeit. Und er ist auch politisch eindeutig. So erklärt u.a. Kreile den Schleierzwang im heutigen Algerien zum "Zeichen des Widerstandes gegen koloniale Unterdrückung".

Die Texte arbeiten beide mit falschen Fakten und Unterstellungen. Toker geht her und behauptet, sie habe Emma gebeten, nicht zu schreiben, dass sie Kurdin ist. Die Tatsache, dass dies nun in Emma "verraten" worden sei, bringe sie in Lebensgefahr ("Wie gedenkt Frau Schwarzer, mir Schutz zu gewähren?"). - Eine gelinde gesagt überraschende Darstellung, denn schließlich hatte Toker, die selbst Mitautorin in dem kritisierten Fundamentalismus-Dossier gewesen war, ihren "Offenen Brief" in Emma "an meine Schwestern" ja gerade in ihrer Eigenschaft als betroffene Ausländerin geschrieben; und ist sie in derselben Eigenschaft u.a. im Rundfunkrat des WDR oder moderiert ganze Schwerpunktabende als Kurdin in Arte (siehe dazu auch Emma die Januar/Feburar-Ausgabe von Emma in diesem Jahr).

Am 15.10.93 schreibt die Emma-Redaktion an die beiträge-Redaktion: "In ‚beiträge' sind zwei Texte über Emma erschienen, deren polemischer bis demagogischer Ton bemerkenswert ist. Damit nicht genug werden darin ungeheuerliche und haltlose Unterstellungen gegen Emma verbreitet. Nicht nur für eine Publikation, die den Anspruch hat, ‚wissenschaftlich' zu sein, wäre es selbstverständlich gewesen: l. den Wahrheitsgehalt dieser durch die ‚beiträge' verbreiteten Behauptungen zu überprüfen, 2. Emma vorab über die beabsichtigte Publikation zu informieren, 3. Emma in derselben Nummer Gelegenheit zur Stellungnahme zu so derart rufmörderischen Behauptungen zu geben.

Dies alles ist nicht geschehen. Wir fragen die ‚beiträge'-Redaktion darum: Warum nicht? Und wir fragen, wie die ‚beiträge' den - nicht wieder gutzumachenden - Schaden wenigstens lindern wollen." "beiträge" antwortet nicht. Emma muss noch zweimal schreiben und erhält erst dann ohne jede weitere Stellungnahme eine Antwort. Nämlich: das lapidare Angebot, doch einfach selbst in "beiträge" zu schreiben. Uns also sozusagen zu rechtfertigen. Wir verzichten.

Dem folgen die Kölner "Weibsbilder", die unter dem Titel "Wir klagen an!" tönen: "Wir, im Exil lebende Frauen, Immigrantinnen, schwarze Frauen und Jüdinnen, sind entsetzt und voller Wut über die letzte Ausgabe der sogenannten Frauenzeitung Emma (das) eine offene rassistische Hetze sondergleich betreibt". Unterzeichnet war das wirre, vermutlich im Namen anderer redende Pamphlet von "Elisa/Köln, Iranischer Frauenverein e.V., agisra e.V. und Tahanang-Asiana, asiatische Frauen und Familie, Köln."

Die "Weibsbilder", vor einigen Jahren als pragmatische Frauenzeitschrift für Kölnerinnen gegründet, scheinen inzwischen ganz in der Hand strammer "Anti-Rassistinnen" zu sein. Wie solche Unterwanderungen und Manipulationen so vor sich gehen, wissen wir dank der Ex-Redakteurin Nadja Wlaschanek von der Münchner Frauenzeitung recht genau. Sie schrieb am 14.2.94 Emma, wie zum Beispiel in ihrer Redaktion alle Differenzierungen und anderen Meinungen unterdrückt und ihr ProEmma-Text vor Druck "heimlich aus der Zeitung herausgenommen" wurde.

Wlaschanek: "Dieser Krieg, den hier Feministinnen gegen euch anzetteln, ist einfach pervers. Ich begreife nicht, warum Frauen/Lesben fast zwanghaft ihr eigenes Fortkommen immer wieder so behindern müssen. Mir ist es ganz ähnlich ergangen wie euch. Ich wurde bombardiert mit Anschuldigungen, rassistisch und faschistisch zu sein. Verraten und verkauft wieder mal. Für eine beschissene Männerpolitik, die Frauenrechte und Frauenwürde mit Füßen tritt." (siehe auch ihr Brief in der Mai/Juni-Ausgabe von Emma).

Von Anfang an mischen auch Männer mit. Genauer gesagt: Grüne. Bereits am 6. Juli 93 meldet sich erstmals MediaWatch bei Emma, eine angeblich medienkritische Einrichtung der steuerfinanzierten grünen Parteistiftung "Böll-Stiftung" (in deren Vorstand unter anderem Lukas Beckmann sitzt, der wg. Alice Schwarzers Kelly/Bastian-Buch mit ihr in heftigen Clinch ging - so schließt sich der Kreis).

Es folgt eine monatelange Korrespondenz zwischen Emma und MediaWatch, in der es darum geht, ob Emma und speziell Alice Schwarzer an einer kritischen Veranstaltung über die Emma-Berichterstattung zum Fundamentalismus teilnimmt. Emma sagt zunächst spontan zu, denn fundierte Kritik finden wir immer gut. Dann aber wird langsam klar, woher der Wind weht. Die sogenannte "wissenschaftliche Analyse" von Dr. Karin Hörner, auf der die MediaWatch-Kritik beruht, ist nichts als eine ganz und gar unfundierte Polemik. Am 15.10.93 teilen wir MediaWatch mit, dass wir unter diesen Umständen nicht an der Teilnahme interessiert sind, weil wir "vor dem Hintergrund der Publikationsflut gerade auch in Ihrem politischen Spektrum davon ausgehen, dass an einer kritisch-solidarischen Auseinandersetzung kein Interesse besteht."

Das hindert MediaWatch nicht, in den kommenden Wochen und Monaten einfach weiterhin zu erzählen, Alice Schwarzer nähme an der Veranstaltung teil und noch am 12.1.94 die Presse mit dieser Behauptung einzuladen. Die angeblich kritische Veranstaltung ist dann in der Tat nichts anderes als ein Emma-Tribunal unter Gleichgesinnten.

Kurz darauf informiert uns Klemens Ludwig (Autor des Buches "Augenzeugen lügen nicht - Journalistenberichte: Anspruch und Wirklichkeit") darüber, dass er das erste Jahrbuch von MediaWatch hätte herausgeben sollen. Aufgrund der Kampagne gegen Emma aber, "von der ich mich in aller Form distanziere", sei er nicht mehr bereit, mit MediaWatch zu arbeiten. Ludwig kritisiert die Polemik von Hörner "unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit" und das "sogenannte  Streitgespräch"  als "Anti-Emma-Tribunal". Das Dossier über den Fundamentalismus war in seinen Augen "grundsätzlich berechtigt, ja vielleicht sogar notwendig".

Ganz klar: Emma, die seit einigen Jahren und zunehmend erfolgreich daran erinnert, dass es nicht nur Fremdenhass gibt, sondern auch Frauenhass, soll moralisch und politisch diskreditiert werden. Dass dabei so grob manipulativ, so dumpf unhistorisch und so enthemmt demagogisch vorgegangen wird das liegt sicherlich auch daran, dass die hier so selbstgerecht agierenden "Linken und Antifaschistinnen" eben auch die Söhne und Töchter ihrer vom Faschismus so tief geprägten Eltern sind.

Ganz klar auch: Die Motive gegen Emma gehen von traditionell politischen Konflikten (links ist wichtiger als feministisch) bis hin zu Abgründen der weiblichen Psychologie (der Selbsthass von Frauen und ihrer Wut auf die so gar nicht zur Selbstverleugnung und zum Masochismus neigende Emma).

Ganz klar ebenfalls, dass das alles nicht neu ist. Noch vor Erscheinen der ersten Emma höhnte 1976 die damals exklusiv lesbische/linksradikale "Schwarze Botin" über die Absicht, kein bewegungsinternes, sondern ein Blatt für alle Frauen zu machen: "Emma will 200.000 Frauen penetrieren" (eine Anspielung auf Schwarzers Kritik an der "Zwangsheterosexualität" im "Kleinen Unterschied").

Als dann im "Frauenkalender" noch vor Erscheinen der ersten Emma mit einer Abokarte geworben wurde (mit der Emmas Start mitfinanziert werden sollte), gingen etliche Frauenbuchläden in ihrem Hass auf die noch gar nicht geborene Emma so weit, dass sie - widerrechtlich - die Karten aus dem Kalender nahmen und wegschmissen, allen voran die Frauenbuchläden von Köln und Frankfurt. Emma hat es vorgezogen, bisher über diese Dinge zu schweigen.

Aber vergessen haben wir sie nicht. Uns interessiert kein Schwesternstreit, wir wissen nur zu gut, wer dabei der lachende Dritte ist ... Doch jetzt ist es wichtig, zu zeigen: Hinter allem steckt Kontinuität und Logik. Die Logik der Anbiederung an die Männerwelt (pseudo-antirassistisch zu sein ist in der Szene eben so unendlich einfacher als echt-feministisch) ebenso wie die Selbstverachtung von Frauen. Bisher wurde im Schwesternkrieg allerdings mit den "weiblichen" Waffen der Intrige und des Psychoterrors gekämpft. Neu ist, dass, ganz "männlich", zugeschlagen wird.

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