Latife Atatürk: früh emanzipiert

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Latife Usakligil repräsentierte als emanzipierte First Lady der jungen Türkischen Republik in den Zwanziger Jahren ein neues Frauenbild. Doch ihre Ehe mit Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk hielt nur zwei Jahre und die türkische Geschichtsschreibung überlieferte das Bild der herrischen Lady im Präsidentenhaushalt. Denn Latife wagte es, ihren Mann, den General, (im Osmanischen zutreffend als Pasha bezeichnet) beim Vornamen Kemal zu nennen und ihn wegen seines Alkoholkonsums zu rügen.

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Die türkische Journalistin Ipek Calislar brach mit ihrer jüngst erschienen Biographie ´Latife' nun ein Tabu. Sie erzählt Latife Usakligils Geschichte gründlich recherchiert und aus der Frauen-Perspektive. Mit überraschenden Folgen. Im Oktober 2006 musste sich die Autorin wegen "Vergehen gegen das Andenken Atatürks" verantworten, ihr drohten bis zu viereinhalb Jahre Gefängnis in der Türkei. Inzwischen entschied das Gericht, der Vorwurf sei "unbegründet".

Latife Usakligil wurde 1898 als Tochter des reichen Kaufmannes Muammer Bey in Izmir geboren, studierte Jura in Paris und London und beherrschte acht Sprachen. Sie war eine geübte Pianistin, ritt und spielte gern Tennis. Schleier trug Latife nur bei ihren Reisen durch Anatolien an der Seite Atatürks, mit dem sie von 1923 bis 1925 verheiratet war. In dieser Phase des Osmanischen Reiches war - wie auch im gesamten Islamischen Kulturkreis - die erste osmanische Frauenbewegung aktiv. Es gab rund vierzig Zeitungen und Beilagen von Frauen für Frauen. Die Osmaninnen setzten sich ein für die Abschaffung des einseitigen Scheidungsrechts und des Rechts auf Polygamie für Männer, für gleiches Erbrecht und eine gute Schulbildung.

Latife war eine wichtige politische Beraterin ihres Mannes. Sie warb für das Frauen-Wahlrecht, folgte den Sitzungen der ersten Nationalversammlung und wollte als Abgeordnete bei den Wahlen antreten. Doch das war ihrem Ehemann zu viel. Er besann sich kurz vor der Reform des Familienrechtes - und machte Gebrauch von seinem einseitigen Scheidungsrecht. Nach ihrer Scheidung lebte Latife Usakligil in Istanbul ein zurückgezogenes, aber aktives Leben. Sie unternahm unter dem Pseudonym Fatma Saliha Europa-Reisen und schrieb Artikel und Romane.

EMMA März/April 2007

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