Dyke March: Für lesbische Sichtbarkeit

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Die Kölnerinnen werden als erste losmarschieren. Am 2. Juli, dem Vorabend der CSD-Parade, starten sie um 18 Uhr auf dem Roncalliplatz am Fuße des Doms zum „Dyke March Cologne“. Motto: „Für mehr lesbische Sichtbarkeit und Lebensfreude!“ Denn: Der CSD firmiert in den Medien immer noch als „Schwulenparade“, in den Medien dominieren die Bilder von schrillen Tunten und harten Lederkerlen.

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„Wir werden als lesbische Frauen nicht angemessen wahrgenommen“, sagt die Kölner Dyke March-Initiatorin Barbara Narzinski. „Und wir haben teilweise andere politische Interessen als schwule Männer.“ In den USA haben die homosexuellen Frauen deshalb schon in den 1970er Jahren ihre eigenen Lesbenmärsche ins Leben gerufen, bis zu 50.000 Frauen laufen heute in San Francisco, New York & Co. mit. Jetzt heißt es auch hierzulande: „Lesben raus!“ 

"Wir haben andere politische Interessen als
die schwulen Männer!"

Die Berlinerinnen haben es 2013 vorgemacht: Rund 2.000 homosexuelle Frauen zeigen seither am CSD-Freitag lesbische Präsenz. Die Kölnerinnen zogen 2015 nach und brachten immerhin 1.500 Dykes auf die Straße. 2016 sind zum ersten Mal auch die Hamburgerinnen mit am Start: Gleich dreimal marschieren also am Vorabend der Christopher-Street-Day-Paraden die Lesben bei eigenen „Dyke Marches“. Und eins ist sicher: In den Medien wird niemand behaupten, es sei eine „Schwulenparade“ gewesen.

Köln: 2.7. (Dyke March Cologne)  Berlin: 22.7. (Dyke March Berlin), Hamburg: 5.8. (Dyke March Hamburg)

Alle CSD-Termine
www.queerpride.de/csd-termine-in-deutschland-2015-19769   

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Mädels vom PULS in Düsseldorf beim CSD. - © Hans-Jürgen Bauer
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Am 4. Juli 2015 um 18 Uhr wird Köln eine Premiere erleben. Im Schatten des Kölner Doms wird sich eine Gruppe Frauen versammeln, der es reicht. Nur ein einziger von 150 Wagen der Parade ist in Frauenhand und nur drei von 50 Ständen auf dem Straßenfest. Dementsprechend berichten die Medien seit Jahren über die „Schwulenparade“, obwohl rund ein Drittel Lesben mitgehen. Von der „Schwulenehe“, den „Schwulenrechten“ und der „Schwulenfeindlichkeit“ ganz zu schweigen.

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Deshalb wird es ihn in diesem Jahr zum ersten Mal geben: den „Dyke March Cologne“. Denn: „Wir werden als lesbische Frauen nicht angemessen wahr­genommen“, findet Barbara Narzinski. Deshalb hat sie gemeinsam mit vier Mitstreiterinnen die Lesbendemo am Vortag der CSD-Parade ins Leben gerufen.

Wo homosexuell draufsteht, ist schwul drin

Dabei ist der Dyke March durchaus keine rheinische Erfindung. Er hat eine jahrzehntelange Geschichte. Zum ersten Mal marschierten lesbische Frauen schon auf dem Höhepunkt der „Women’s Liberation“ Anfang der 1970er in New York. 20 Jahre später, Anfang der 1990er, wurde die Tradition durch die „Lesbian Avengers“ wiederbelebt. Die lesbischen Rächerinnen, die durch allerlei anarchische Aktionen von sich Reden machten (EMMA 3/1995), riefen nun in Washington, New York und San Francisco ihre Schwestern auf die Straße. Die kamen in Massen: Rund 20.000 marschierten in jeder Stadt mit, in Amerikas Homo-Hauptstadt San Francisco waren es zuletzt 50.000. 2012 folgte London, 2013 Berlin. Dort brachte der Dyke March, der vom Lesbenmagazin L-Mag initiiert wurde, am Vorabend der CSD-Parade zuletzt immerhin 1.500 homosexuelle Frauen auf die Beine. Genug jedenfalls, um die Kölnerin Narzinski, die im letzten Jahr in der Hauptstadt mitmarschierte, derart zu begeistern, dass sie die „grandiose Idee“ nun in die heimliche Homo-Hauptstadt importiert.  

Denn bei der lesbischen Sichtbarkeit geht es um mehr als das Ärgernis, dass auf den Fotos vom CSD immer nur die bunten Tunten zu sehen sind. Es geht um mehr als die Massen quasi nackter Männer in Leder und Ketten und die sinnfreien Sauna-Wagen auf der Parade. Es geht um einen einfachen Fakt: Homosexuelle Frauen sind vor allem – Frauen. Und da kommt es zwangsläufig zur Interessenskollision mit homosexuellen Männern. Zum Beispiel: „Das Ehegattensplitting ist geschlechterpolitisch falsch – da kann ich das doch nicht fordern!“ sagt Dyke-March-Organisatorin Narzinski. 

Besonders hart prallten die Fronten in Köln aufeinander, als im Sommer 2006 das Kölner Großbordell „Pascha“ mit einem Wagen auf der Parade vertreten war. Als 2007 dann auch noch das „Sommerblut-Festival“, ein Kulturfestival mit homosexueller Zielgruppe, im „Pascha“ eröffnet werden sollte, knallte es in der Community gewaltig. Denn es waren vor allem die lesbischen Frauen (plus einige solidarische Männer), die scharf dagegen protestierten, Prostitution via Teilnahme des Puffs am CSD gesellschaftsfähig zu machen. Viele schwule Männer aber wollten nicht begreifen, wo das Problem ist. Durch den „Pascha“-Crash begriffen wiederum viele homosexuelle Frauen, wo die Grenzen des lesbisch-schwulen Bündnisses liegen. Und dass sie ihr eigenes Ding machen müssen, wenn sie als Frauen ­politisch nicht untergehen wollen.

Lesbische Themen muss man mit der Lupe suchen

Obwohl diese Erkenntnis so alt ist wie die Homobewegung und die Frauenbewegung, die nicht zufällig Anfang der 1970er Jahre etwa zeitgleich zu neuen Ufern aufbrachen, muss jede Lesben-Generation sie offenbar wieder aufs Neue machen.

So gingen Ende der 1990er Jahre schon einmal allerorten Lesben in die Offensive, die das Prinzip „Wo homosexuell draufsteht, ist schwul drin“ nicht länger hinnehmen wollten. Bisweilen fanden sie zur Steigerung der lesbischen Sichtbarkeit kreative Lösungen. Zum Beispiel das „Mösenmobil“, das bei der Berliner CSD-Parade 1998 als Wagen Nummer 5 durch die Straßen rollte. Die „vier Meter lange, drei Meter hohe und quietschbunte Möse“ war das Werk der „Mösen in Bewegung“, die so (selbst)ironisch auf den bierernsten Phalluskult der Schwulen und die zunehmende ­Sexualisierung der Parade reagierten.

Aber bei allem Humor hatten nicht nur die „Mösen in Bewegung“ begriffen, dass die Lage ernst war. EMMA titelte ­damals mit dem lesbischen Aufbruch und schrieb: „Die Rolle der Frauen in den Homo-Organisationen ist, wie in der ­ganzen Männerwelt, eher randständig.“

Zwei Jahrzehnte später stellt nun auch L-Mag-Chefredakteurin Manuela Kay, die noch vor einigen Jahren fest an der Seite ihrer schwulen Kumpels stand, fest: „LSBTI hat als Versuch der Beteiligung aller sexuellen Identitäten an der Community versagt. Die wesentlichen Posten und Netzwerke sind fest in schwuler Hand.“ Für Uneingeweihte: Die politisch korrekte Buchstabenreihe LSBTTI, die aus den USA nach Deutschland importiert wurde, steht für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell, Transgender, Intersexuell. Manchmal hängt auch noch ein Q und A an, für Queer und Asexuell. Dass hier zusammenkommt, was nicht immer zusammengehört, ist so mancher L-Repräsentantin inzwischen aufgegangen. Und nachdem es um die Lesben lange still geworden war, scheint jetzt ein Ruck durch die Community zu gehen.   

„Sag mir, wo die Lesben sind“ bat der Queerspiegel, das neue Homo-Portal des Berliner Tagesspiegel. Und das in der Regel stramm phallisch orientierte Berliner Homo-Magazin Siegessäule, das inzwischen auch von Manuela Kay herausge­geben wird, titelte im März 2015 provokant mit der Schlagzeile „Lesben raus!“ Das war doppeldeutig gemeint, denn in der Tat müssen die Lesben nicht selten draußen bleiben, wenn ihre schwulen Brüder aktiv werden. 

So sei zum Beispiel die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, 2011 vom Bund mit zehn Millionen Euro ausgestattet, angetreten, um Bildungs- und Forschungsprojekte zu fördern. Dabei sollte laut Satzung die „gleichberechtigte Berücksichtigung der Interessen von Frauen und Männern gewährleistet werden“. Vier Jahre später lautet das deprimierende Fazit: „Lesbische Themen muss man mit der Lupe suchen.“  

Schon in den 90ern gingen Lesben in die Offensive

Oder das Homo-Mahnmal. Dass sich in dem Film im Innern des Beton-Kubus im Berliner Tiergarten, der an die Unterdrückung und Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus erinnern soll, inzwischen auch Frauen küssen dürfen, ist einer von EMMA lancierten Kampagne zu verdanken (was die Siegessäule diskret verschweigt). Das Gedenken an die unterdrückten und verfolgten homosexuellen Frauen war ursprünglich nicht vorgesehen. 

Und auch in der aktuellen Parteipolitik ist der lesbisch-schwule Konflikt wie durch ein Brennglas zu beobachten. Zum Beispiel, wenn der Vorsitzende der „Lesben und Schwulen in der Union“ (LSU), Jürgen Daenens, beim „Marsch der 1.000 Kreuze“ der so genannten „Lebensschützer“ mitläuft. 

Lesben raus! Raus auf die Straße. So heißt es nun also am 26. Juni zum dritten Mal in Berlin und am 4. Juli zum ersten Mal in Köln. Barbara Narzinski und die anderen „Dykes“ hoffen, dass sie alle mitmarschieren: Die lesbischen Führungskräfte von den „Wirtschaftsweibern“ und die Junglesben aus dem Homo-Jugendzentrum Anyway; die Polit-Karnevalistinnen der lesbischen „Schnittchensitzung“ und die lesbischen Freiberuflerinnen von den „Amigas“. Für musikalische Begleitung könnten die Samba-Trommlerinnen von den „Queerelas“ sorgen oder einer der Kölner Lesbenchöre. 

Ob es 100 oder 1.000 sein werden, die sich im Schatten des Kölner Doms versammeln werden, steht noch in den Sternen. Eins aber ist klar. In den Medien wird niemand berichten, es sei eine „Schwulenparade“ gewesen.

Chantal Louis

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