Alice Schwarzer schreibt

Grund zur Freude

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Manchmal gibt es Grund zur Freude. Diese EMMA-Ausgabe ist so ein Grund. Mir zum Beispiel geht das Herz auf, wenn ich eine strahlende Shirin Ebadi sehe. 24 Jahre lang hat die Iranerin sich nicht einschüchtern lassen - und dafür einen sehr hohen Preis gezahlt. Jetzt erhält sie die höchste Ehrung, die der Okzident zu vergeben hat, und im Orient freuen sich fast noch mehr darüber. Strahlende Iranerinnen beim Empfang von Shirin am Teheraner Flughafen! Was nicht heißt, dass es keine Probleme mehr gäbe im Iran. Aber: Es gibt Hoffnung - und die ist immer nur dem Widerstand und dem aufrechten Gang zu verdanken.

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Das gilt auch für den schleichenden Fundamentalismus in Deutschland. Noch ist ja hierzulande das Tragen des Kopftuches freiwillig - Jawoll, Frau Beck - nur in der Schule und im gesamten öffentlichen Dienst soll das "Stückchen Stoff" draußen bleiben. Dieser Meinung ist an-scheinend allen voran die Mehrheit der MuslimInnen in Deutschland - und sagt es nun auch endlich, was nicht nur die zahlreichen Briefe an mich zeigen. Wenn das kein Grund zur Freude ist. 

Vollends hohe Wellen schlägt die Freude beim Anblick unserer Weltmeisterinnen! Ich gestehe: Ich war noch nie in meinem Leben auf einem Fußballplatz. Aber in der EMMA-Redaktion habe ich schon verdammt viel Zeit mit dem Frauenfußball verbracht. Und jetzt das! Die Mädels auf dem Balkon!! Wie sie die Arme in die Luft geworfen haben!!! Und wie tausende Kehlen unten schrieen: "So sehen Sieger aus!" Das hatte was. Und ist nun wirklich ein Grund zur uneingeschränkten Freude. Nicht nur für die Spielerinnen, die jetzt hoffentlich ernster genommen werden. Auch für die vielen, vielen kickenden Mädchen, die endlich echte Vorbilder haben.

Ein echtes Role Model ist, auf ihre diskrete Art, auch Steffi Graf seit einiger Zeit. Nicht nur für Sportlerinnen, sondern auch für Mütter. Und für sportliche Mütter sowieso. Denn dürfen wir dem schönen Schein der Werbung glauben, jettet Vatertochter Steffi durch die Welt, während André den zwei Kindern mit den kühnen Namen die Flasche gibt. Agassi... also wenn der nicht die Inkarnation des neuen Mannes ist, nach dem so viele Mütter so verzweifelt suchen! Also: Noch ein Grund zur Freude.

Überhaupt, die neuen Männer. Sicher, es gibt sie noch, die Beckenbauers (Pascha!) und Friedmans - aber da ist auch einer wie Lukas Moodysson. Dieser 33-jährige Schwede hat es geschafft, einen Film über eine "naturgeile Ukrainerin" zu machen - genauer gesagt: eine gehetzte Moldavierin - der selbst den Wegguckern und Tätern die Augen öffnen könnte. Ein Grund zur tiefen Freude.

Und Amina Lawal. Die junge Nigerianerin, die sterben sollte, weil die Islamisten im Norden ihres Landes die Scharia ausgerufen haben und nach diesem "Gottesgesetz" eine Frau, die ehemannlos ein Kind bekommt, gesteinigt wird wie ein Hund (Seite 79). Amina Lawal lebt! Dank der internationalen Solidarität, die die Selbstgerechten in die Knie gezwungen hat. Wenn das kein Grund zur Freude ist.

Freude machen könnte auch die neue Handtasche von Angela Merkel. Denn mit so einer Damentasche ließe sich vorzüglich Handbagging machen, wie es das Urmodell aller Politpowerfrauen, Maggie Thatcher, schon so erfolgreich vorgeführt hat. Nur ein Wermutstropfen könnte das Meer unserer Freude trüben: Wenn Merkel weiter ihre so genannte Reform à la Herzog durchzieht und das auch noch wenige Monate nach dem Kriechgang via Washington - dann könnte das die Vorsitzende endgültig die Kanzlerinnen-Kandidatur kosten. Was eigentlich schade wäre.

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