Alice Schwarzer schreibt

Königin Hannelore Elsner

Foto: Bettina Flitner
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Ein bisschen müde schaut sie aus, ist aber springlebendig. Heute morgen ist sie erst um sechs ins Bett gekommen, morgen geht’s weiter. Dreharbeiten. Wir treffen uns in ihrer sympathisch chaotischen Frankfurter Dachwohnung. Wir kennen uns nur flüchtig, aber entdecken reichlich Gemeinsamkeiten... Gestern habe ich ihren letzten Film gesehen, der im April ins Kino kommt: Hannelore Elsner, die Schauspielerin, als Gisela Elsner, die Schriftstellerin (die Namensgleichheit ist Zufall). Sie hängt mir noch in der Haut: diese so starre und so zarte, so hochmütige und so verzweifelte Frau. Die Elsner spielt sie mit ihrer ganzen Leidenschaft und Lebenserfahrung, ohne Rücksicht auf sich selbst. Jetzt sitzt sie vor mir. Mädchenhaft, aber erwachsen. Übermütig, aber nicht frei von Melancholie. Wir hocken uns auf ihr bequemes weißes Sofa und fangen an zu reden. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden...  

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Ich fühle mich heute sehr frei und sehr leicht. Ein bisschen melancholisch. Im Rückblick denke ich, ich hätte viel mehr Zeit mit mir selber verbringen müssen.

Ich habe lange gebraucht, bis ich mich entpuppt habe. Erst vor fünf, sechs Jahren bin ich endlich aus mir rausgekommen, endlich das geworden, was ich bin. Ich weiß nicht, was es war, aber irgendwas hat mich früher unendlich verschlossen, richtig zugemacht. Es war wie eine Mauer um mich herum. Und es kam auch nichts raus aus mir. Ich kam mir oft vor wie eine Somnambule.

Manchmal habe ich gedacht, ich mache diesen Beruf nur, um mal aus mir rauszukommen. Ich hab geglaubt, ich bin dumm und kann nicht reden. Ich habe mich so gefürchtet vor der Außenwelt. Auch darum bin ich nie in Talkshows gegangen.

Ich war auch immer so verfügbar für die anderen, habe immer mein Licht unter den Scheffel gestellt. Ich hab gedacht, ich bin nicht gut genug. Ich sehe das auch auf früheren Fotos: Dass ich noch nicht da bin. Ich war so glatt. Ich hab immer meine Pflicht erfüllt... ein fürchterliches Wort.

Ich finde es allmählich eine Zumutung, dass ich in meinem Alter dauernd über mein Alter reden soll. Warum? Das ist ja im Moment ein Thema: die Klassefrauen, die Powerfrauen.

Wir sehen heute effektiv jünger aus. Heute bin ich mehr ich selbst als vor 20, 30 Jahren. Früher war ich wahnsinnig wütend, wenn mein Alter thematisiert wurde. Dabei kenne ich das Thema, seit ich auf der Welt bin. Ich war immer schon alt. Als ich 24 war, haben sie mich schon gefragt, ob ich Angst habe, 25 zu werden. Das ist doch lächerlich. Wenn man nicht alt werden will, muss man eben früher sterben.

Es gibt ja diese Frauen mit diesen angsterfüllten Gesichtern, diese mittelalterlichen, die so perfekt geschminkt sind, mit Rouge und so, wie aus der "Brigitte" rausgelesen. Das ist wirklich alt – weil es so verzweifelt ist.

Liften? Ich glaube, das würde ich nie tun. Früher dachte ich ja, man müsste da nur so einen Abnäher machen. Aber dann habe ich gelesen, dass die ganze Haut abgelöst und nach hinten gezogen wird. Da werden also alle Nerven durchtrennt. Ein Wahnsinn. Na, und dann siehst du aus wie 28 – aber du bist es ja nicht!

Ich war immer hübsch

Ich war immer zu hübsch. Ich musste mich lange entpuppen. Ich habe erst mit 40 was von Erotik kapiert. Also von meiner eigenen Erotik... (lacht) Da habe ich erst begriffen, wie erotisch ich gewesen sein muss mit 19. Die erotische Frau, die schöne Frau, das verfolgt mich ja schon mein ganzes Leben. Das ist auch eine Krux. Allmählich habe ich das anständig überlebt.

Ich behaupte, dass ich durch mein Hübschsein, wofür ich nichts konnte, viel zu wenig gute Rollen gekriegt habe. Weil es Anfang der 70er Jahre total verboten war, hübsch zu sein. Wenn eine hübsche Schauspielerin auf der Bühne vorsprach, saßen sie alle unten und wichsten sich einen ab – und wenn dann die Hässliche kommt, hat die einen Charakterkopf und kriegt die Rolle. Das war schon immer so.

Ich bin Bayerin. Mein Vater war Salzburger. Geboren bin ich in Burghausen, später sind wir nach Neuötting gezogen. Da war meine Oma. Meine Oma war eine Großbauerntochter aus Niederbayern mit einem langen Zopf, die einen Häusler geheiratet hatte. Ich habe meine Oma geliebt. Bei ihr war alles heil und schön.

Ich vergesse nie den Geruch von den Frühäpfeln. Oder wenn Gewitter war. Und wenn die dann so runterplumpsten. Und es gab einen Blumengarten und einen Gemüsegarten und einen Salatgarten. Und die Wiesen. Im Häusl gab es ein Plumpsklo und Ziegen, Hühner und Gänse. Da habe ich lauwarme Ziegenmilch getrunken. Diese Kindheit hatte für mich was Leuchtendes, was Wildes, was ganz Archaisches. Ich konnte machen, was ich wollte – da ist mein Sohn, der in der Stadt aufgewachsen ist, ein armer Schlucker dagegen.

In meinen ersten zwei, drei Lebensjahren waren mein Bruder Manfred und ich ein Herz und eine Seele. Ich war wie angeschlossen an ihn. Er war sechs, als er von den Tieffliegern erschossen wurde. Ich war drei. Meiner Mutter konnten wir es erst gar nicht sagen, die lag im Krankenhaus und kriegte gerade meinen kleinen Bruder Bernd. Einer starb, und einer wurde geboren, fast im selben Moment.

Und dann wurde mein Vater auch krank. Tuberkulose. Er starb, als ich acht war. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mit meinem Erstkommunionskleid an seinem Sterbebett saß, die ganze Nacht. Diese unendliche Sehnsucht bei mir nach dem großen Prinzen ist ja logisch. Mein Bruder war mein Prinz. Und dann war mein Vater mein Prinz. Und die hauen einfach ab...

Ich war als Kind wild und anarchisch

Meine Mutter hab ich oft nicht gemocht – weil sie so kapriziös war, so äußerlich... Und dann kamen die ganzen "Onkels" an. Sie war erst 35, und ich dachte: Diese alte Kuh, wozu braucht die noch ‘nen Mann? Wie ungerecht ich da war, mit acht.

Ich bin als Mädchen von einer Schule zur anderen geflogen, weil meine Mutter das nicht im Griff hatte. Sie hatte ein Schreibwarengeschäft in Burghausen, und ich holte morgens die Zeitungen vom Bahnhof und ging danach in der Altstadt aufs Gymnasium. Wir waren sechs Mädchen unter 600 Schülern und verbrachten die Pausen immer aufm Klo. Das ist ja klar, das ging gar nicht anders.

Damals habe ich immer die Augen niedergeschlagen, hab nie gelacht – wegen meiner beiden Eckzähne – und hatte immer die Kerle hinter mir her. Ich war ja auf so vielen Schulen: Zum Beispiel im Kloster in Neuötting, auf der Klosterschule in Passau, auf dem humanistischen Gymnasium in Burghausen. Da saß ich an dem schönen Wöhrsee und hab den ganzen Sommer Latein und Griechisch nachgelernt, weil ich Ärztin werden wollte – und dann hat meine Mutter alle Zelte abgebrochen und ist nach München geflüchtet, weil in Burghausen alles schief gelaufen war.

Meine Mutter hat immer geheult, wir hatten nie Geld, es war entsetzlich... Und dann kam ich in München auf die Handelsschule und hab mich total verweigert. Da hab ich ‘ne Englischarbeit abgegeben und habe drauf geschrieben: I don’t know anything. Ich wollte nicht, ich hatte keine Lust mehr. Ich hatte keine Perspektive, Null. Ich hab Zeitungen ausgetragen und rumgejobbt.

Hannelore Elsner im Gespräch mit Alice Schwarzer. - Foto: Bettina Flitner
Hannelore Elsner im Gespräch mit Alice Schwarzer. - Hannelore Elsner im Gespräch mit Alice Schwarzer. - Foto: Bettina Flitner

Meine Entdeckung war wie im Lore-Roman. Ich ging mit meiner Mutter durch München, da fuhr ein Auto vorbei und drin saß ein türkischer Regisseur. Der wollte mich unbedingt haben. Wir fuhren also in die Türkei zu Probeaufnahmen, mit meiner Mutter natürlich, weil ich noch nicht 16 war. Und da war auch noch so eine 20-Jährige, die war wie eine Miss Germany, groß und blond. Die fand ich ganz toll. Die hatte ein Verhältnis mit dem Produzenten. Der türkische Regisseur war in mich verliebt – aber der war mir zu alt, er war schon 24. Wir haben wochenlang geprobt, es ist nie ein Film dabei rausgekommen.

Aber daraus entstand ein Ausbildungsvertrag bei dieser Filmfirma. Sowas gab’s damals noch. Also ging ich auf die Schauspielschule. Ich war in dieser Zeit mit meiner ersten Liebe zusammen, mit Fritz. Ich war 16, und er war 22 und wollte Pilot werden. Ich war so entwaffnend naiv, so überhaupt nicht berechnend. Ich hatte den Stolz meiner Großmutter. Ich habe mir gesagt: Was ich haben will, das verdiene ich mir selber. Dadurch habe ich auch nie was geschenkt gekriegt... Schade eigentlich.

Ich hatte einen regelrechten Komplex, als ich jung war. Ich hab nur mit unwichtigen Männern geschlafen. Ich hatte nie was mit diesen alten Knackern, mit keinem. Natürlich wollten sie alle – aber du konntest auch Nein sagen. Vielleicht hab ich damals auch viele Rollen nicht gekriegt, weil ich Nein gesagt hab, kann schon sein.

Ich musste Geld verdienen – das war das einzige, woran ich gedacht habe. Für die Ausbildungsverträge musste ich in Filmen wie "Freddy unter fremden Sternen" spielen. Die Geliebte, die Hauptrolle, war Vera Tschechowa. Und ich war die Naive mit den Zöpfen. In den frühen 60ern, der Zeit, von der alle sagen, sie hätten Halbpornos gemacht, weil sie Geld verdienen mussten, da habe ich Lausbubenfilme gemacht. Das waren sehr gut gemachte Kinofilme für Schüler, da spielte ich eine französische Austauschschülerin oder so – und hab gehofft, die sieht niemand. Ich hatte nämlich einen ganz anderen Filmgeschmack.

Und dann hab ich ja ganz bald Theater gespielt, anfangs Boulevardtheater. Da hab ich die Miezen und Kammerzofen gemimt. Und Percy Adlon, der später die tollen Filme mit der Sägebrecht gemacht hat, hat da meinen Liebhaber gespielt.

Später wurde ich engagiert an die Münchener Kammerspiele für "Tango" von Mrozcek. Das war natürlich toll. Dieter Giesing führte Regie. Und Peter Stein war Regieassistent. Zwei Wochen später rief das Antitheater an, Fassbinder.

Da hab ich gesagt: Das geht jetzt nicht mehr. Schade eigentlich. Passende Regisseure für mich habe ich selten getroffen – wie zum Beispiel einen John Cassavetis oder einen Lars von Trier.

Ich: himmelhoch jauchzend & zu Tode betrübt

Als das mit der APO losging, stand ich irgendwie daneben. Wenn die da ihre Maobibel geschwungen haben, das fand ich ganz merkwürdig. Und auch verlogen. Ich gehörte sowieso nie zu irgendwas – was mir manchmal leid tat. Ich wäre gerne in so einer Clique gewesen. Aber als das losging, war ich in Paris und hab Französisch gelernt.

Später hatten wir dann so eine Clique in München, mit Alf Brustellin, Volker Schlöndorff, Edgar Reitz, Ulla Stöckl... Und da habe ich erlebt, dass man als Schauspielerin als der Besitz eines Regisseurs gehandelt wurde. Ulla Stöckl, die ich sehr schätze, wollte mit mir drehen, aber sie konnte mich nicht nehmen, weil ich ja die Schauspielerin von Edgar Reitz war. Ich erkannte plötzlich, wie ich in dem Kreis, den ich für meine künstlerische Heimat hielt, verschachert wurde.

Dann habe ich mit Alf Brustellin Filme gemacht, und dann war ich nur noch die Schauspielerin von Brustellin... Ich habe echt Pech gehabt: Ich war als Schauspielerin einfach zur falschen Zeit im falschen Land. So richtig los ging es erst Mitte der 70er: mit "Berlinger" und der "Reise nach Wien" oder "Der Sturz" nach Martin Walser. Natürlich hätte ich auch wahnsinnig gern eine Rolle wie die Katharina Blum gespielt...
Im April kommt "Die Unberührbare" in die Kinos, das ist die Lebensgeschichte der Schriftstellerin Gisela Elsner (die Namensgleichheit ist ein Zufall). Für mich ist diese Rolle die aufregendste und schönste, die ich je gespielt habe. Wir haben sechs Wochen lang gedreht, Tag und Nacht. Das war wie eine Katharsis. Ich war fasziniert von Elsners Mut, ihrer Ausstrahlung. Ihre Erfahrungen waren mir so vertraut – nicht die der Tablettensucht, sondern die der Desillusionierung, die so schwer auszuhalten ist.

Schon zu Lebzeiten war Elsner eine sehr umstrittene Figur, mit ihrem unerbittlichen Blick, ihrer Starre und ihrer Kriegsbemalung. Aber für mich ist sie eine Prinzessin ohne Reich. Sie hatte etwas unglaublich Kindliches und unwirklich Schönes. Die Elsner war eine Großbürgerstochter und überzeugte Kommunistin. Bekannt geworden ist sie in den 60ern, dann ist sie ins Vergessen geraten. Zuletzt war sie in der DDR bekannter als in der Bundesrepublik. Der Fall der Mauer hat ihr die letzten Illusionen geraubt – sie hat sich umgebracht.

Ich bin ja eigentlich eine Tragödin: himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Das ist eigentlich mein Leben. Trotzdem hab ich mich schon erschrocken, als ich dann den Film zum ersten Mal gesehen habe: Wieviel Drama da in mir drin ist.

Ich war mein Leben lang treu

Der Bernd Eichinger war der Beste. Der hat mich überhaupt nicht eingeengt. Der liebt es geradezu, wenn man seine Meinung sagt. Der war in mich verliebt und hat mich geachtet. Er hat mich auch nicht mit diesem ganzen Liebeskitsch zugesülzt. Und wenn ich mal gesagt habe: Nein, heute nicht – dann konnte ich das sagen. Ohne Verlustangst. Der ist für mich bis heute ein sehr lieber Freund geblieben.

Mit Alf Brustellin hätte es vielleicht genauso werden können. Aber wir haben uns nach sieben Jahren getrennt. Leider. Dann habe ich mein Baby gekriegt von Dieter Wedel. Ein Sechsmonatskind. Das war nicht einfach. Nein, Wedel ist nicht der Vater von Dominik, er ist sein Erzeuger. Als dann Brustellin und ich wieder zueinander wollten, ist er tödlich verunglückt.

Das mit meinem Kind war nicht immer einfach. Aber es hat mich wirklich auf den Punkt gebracht. Ich musste Verantwortung übernehmen. Und wirkliche Liebe habe ich auch mit ihm kennengelernt, also so eine Liebe, für die man nichts zurückhaben will. Jetzt löst Dominik sich ab. Ein schwieriger Moment für uns beide. Ich bin ja seit 18 Jahren mit ihm zusammen. Und er ist mir der liebste und wichtigste Mensch auf der Welt.

Mit Uwe Carstensen war ich zehn Jahre zusammen. Die Trennung hat sehr weh getan... Ich bin mein Leben lang treu gewesen, aber das war nicht immer gegenseitig. "Ich schenke dir meinen Mann!", das ist auch ein Stück meine Geschichte. Vielleicht war der Film auch deshalb so ein Erfolg... Gerade drehe ich die dritte und vierte Folge, die kommen dann im Herbst. Jetzt bin ich vorsichtiger geworden. Und nehme mich selbst ernster.

Warum dauert es nur so lange? Das ist doch zum Verrücktwerden! Ich glaube, so lange man die ganze Zeit mit dieser verdammten Sexualität beschäftigt ist, mit diesen ganzen Bettgeschichten, mit diesen Männern – das nimmt einem so viel vom eigenen Frausein weg. Wie oft habe ich gedacht: Gottseidank habe ich diesen Beruf! Da bin ich öfter im Hotel und kann auch mal alleine im Bett schlafen. Muss man denn jede Nacht ins selbe Bett kriechen, auch wenn man sich mal nicht riechen kann? Das ist doch grauenvoll. Aber ich habe natürlich auch selbst dazu beigetragen.

Freundinnen hatte ich nie. Das fing erst vor fünf, sechs Jahren an: Dass ich plötzlich ein ganz warmes Verhältnis zu Frauen habe, und dass Frauen auf mich zukommen. Das ist neu.

Die Frauenbewegung? Heute gehöre ich dazu!

Und die Frauenbewegung? Die war mir eigentlich am Anfang eher egal. Was hieß schon "Mein Bauch gehört mir"? Mein Bauch gehörte immer schon mir. Da war ich schon immer emanzipiert, äußerlich. Aber innerlich, gefühlsmäßig, war ich beeinflussbar und manipulierbar. Innerlich war ich nicht emanzipiert. Und natürlich konnte ich mit Frauen nichts anfangen – die waren mir fremd. Ich mochte nur unabhängige, richtig gescheite Weiber.

Heute hat sich mein Verhältnis zur Frauenbewegung geändert. Heute finde ich: Ich gehöre dazu! Das ist doch selbstverständlich. Wir Schauspielerinnen sind doch die, die auf dem Tablett stehen, die die Frauen repräsentieren. Und ich denke, dass wir das gar nicht so schlecht machen.

Das mit dem Frausein, das habe ich ja schon einige Zeit geübt. Das war natürlich am Anfang alles nicht so einfach. Aber ich fühle mich inzwischen von Männern gar nicht mehr so angegriffen, das ist vorbei, das hat man überlebt. Doch dass man von Frauen angegriffen wird, das finde ich ziemlich heftig.

1991 ist mir die Rolle zum ersten Mal angeboten worden. "Die Tigerin" sollte das heißen, "Die Kommissarin" hab ich erfunden. Den Namen Lea Sommer hab auch ich mir ausgedacht, die sollte erst "Martina Winter" heißen. Das ist doch ein Name für ein Model und nicht für eine Kommissarin. Aber damals ist nichts daraus geworden. Da haben die sich noch nicht getraut, eine Frau als Kommissarin zu besetzen, die haben gedacht, das läuft nicht.

Na, 1993 ist dann endlich was draus geworden. Ich wurde die erste Kommissarin im deutschen Fernsehen. Aber ich musste mich richtig durchsetzen, auch im Team. Die konnten alle gar nicht so richtig begreifen, dass jetzt ‘ne Frau die absolute Hauptrolle spielt. Auch Til Schweiger wusste immer nicht, wie er mit mir durch die Tür gehen sollte: der drängte sich immer vor. Da hab ich ihm gesagt: Hör mal zu, du bist hier der Assistent – und ich bin die Kommissarin. Dann hat’s geklappt.

Ich bin stolz auf meine Kommissarin

Die Reaktionen der Kritik waren am Anfang unmöglich, vor allem die Kritikerinnen. Sowas von fies, sowas von bissig. Die schrieben: Die mit ihrer Fönfrisur... und wie sie ihre Lippen nachgezogen hat... und der Eyeliner... und der Minirock. Als ob das hier (zieht ihr Kleid bis zum Knie) ein Minirock wäre! Hannelore Hoger hat ja auch solche Röcke (zeigt übers Knie). Aber da sagt niemand was. Man muss endlich mal akzeptieren, dass ich nicht dauernd in der Schönheitsfarm und auf Diät bin, sondern dass ich einfach so aussehe. Alt werde ich sowieso jetzt bald.

Nur die FAZ hat’s schon früh kapiert, die schrieb über die Kommissarin: Lässig und verletzlich. In ihrer Lederjacke über dem Kostüm kann sie sich nicht entscheiden zwischen Draufgängerin und Dame.

Aber die Zuschauer, die waren von Anfang an begeistert. Die Kommissarin ist die bestgehende Vorabendserie überhaupt. Man redet schon von einer Kultserie, was immer das heißen mag. Ich kriege Briefe von Menschen von 12 bis 82.

Wenn mir ein junges Mädchen schreibt: Ich bin 14, und ich möchte Schauspielerin oder Kommissarin werden, denke ich, wir haben da eine bestimmte Vorbild-Funktion. Wir sind endlich soweit, dass wir im Fernsehen und auch im Film anständige Berufe spielen dürfen!

Mein Sonngebet für die Frauen

Seit ein paar Jahren meditiere ich. Überlebenstraining. Und ich habe mir schon lange so eine Notübung angeeignet: das Sonnengebet. Das ist eine bestimmte Folge von Yogaübungen, die den Körper entgiften und wunderbar geschmeidig machen und sehr gut für den Kreislauf sind. Ich hab nämlich niedrigen Blutdruck. Yoga und so Zeug mache ich ja schon länger. Aber körperlich. Für geistiges Yoga esse ich zu gerne, trinke ich zu gerne und lebe ich zu gerne.

Vor ein paar Monaten hatte ich eine Lesung in Dortmund. Ich mache viele Lesungen, auch auf CD. Ich liebe das! Es macht mir einen Wahnsinnsspaß, Literatur zu lesen.

Anschließend ging man mit den Honoratioren der Stadt und ihren Gattinnen noch was essen. Irgendwann wurde ich müde und bin aufs Klo und hab da eine geraucht. Plötzlich kamen die ganzen Frauen hinter mir her. Sie rückten ganz nah an mich ran, als wollten sie mich mit der Lupe angucken. Die wollten hinter mein "Geheimnis" kommen – oder einfach nur gucken, ob ich geliftet bin.

Und dann haben sie mich gefragt, was ich so mache. Ich hatte da schon ein bisschen was getrunken und habe gesagt: Ich mache Yoga. Wie, Yoga? Und da habe ich den Frauen auf dem Klo das Sonnengebet vorgemacht. Das ist eine ziemlich komplizierte Übung: so zwischen Schlange und Fakir. Die standen alle zehn um mich rum und staunten.

Irgendwann ging die Tür auf, und ein Mann steckt den Kopf rein. Die haben uns gesucht. Angeblich hat das alles über eine Stunde gedauert – wir haben das gar nicht gemerkt.

Im TV
In der ARD-Mediathek "Lang lebe die Königin"

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